OSLO (inn) – „Zan, Zendegi, Azadi“ – Frauen, Leben, Freiheit! Mit dem Slogan der jüngsten iranischen Protestbewegung begann Berit Reiss-Andersen, die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, ihre Rede. Am Freitagvormittag verkündete sie in Oslo den Namen der Trägerin des renommierten Friedenspreises 2023.
Narges Mohammadi
Narges Mohammadi ist die wohl bekannteste iranische Menschen- und Frauenrechtsaktivistin. Die 51-Jährige hat den größten Teil ihres Lebens in iranischen Gefängnissen verbracht. Auch jetzt befindet sie sich in Haft. Mohammadi studierte im Iran Physik und wurde Ingenieurin. Als Journalistin schrieb sie für mehrere reformorientierte Zeitungen.
Unermüdlich setzt sie sich für die Freiheit der Menschen im Iran, für Frauenrechte und gegen willkürliche Hinrichtungen ein. Sie ist Vizepräsidentin des Zentrums für die Verteidigung der Menschenrechte (DHRC). Die Präsidentin des DHRC, Schirin Ebadi, erhielt den Friedensnobelpreis 2003. Sie lebt seit 2009 im Exil in Großbritannien.
Mohammadi ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Mann floh 2012 nach Verbüßung einer 14-jährigen Haftstrafe nach Frankreich. Auch Mohammadi hatte mehrfach die Möglichkeit zu fliehen. Sie entschied, zu bleiben und ihren Kampf für die Menschenrechte vom Iran aus fortzuführen.
Begründung der Wahl
Das Komitee wählte Narges Mohammadi aus insgesamt 351 nominierten Personen und Organisationen. In der Begründung hieß es, Mohammadi zahle einen hohen persönlichen Preis für ihren mutigen Einsatz. Sie gelte als Anführerin einer einzigartigen, von Frauen angeführten Revolution.
Die Rede von Reiss-Andersen und ihre Antworten auf Fragen der anwesenden Journalisten machten deutlich, dass die Preisverleihung weit mehr als nur eine Hommage an den Feminismus ist. Die weltweit wichtigste politische Auszeichnung gilt dem Widerstand gegen das iranische Regime. Die Bewegung hinter „Frau, Leben, Freiheit“ hat die Theokraten erschüttert wie nie zuvor.
Die Preisverleihung sendet ein Signal an die Gewaltherrscher und die Opposition. Die Komitee-Vorsitzende spricht von einer „Ermutigung für die Bewegung, weiterzumachen“.
Das Risiko eingehen
Ein Journalist fragte, ob die Auszeichnung nicht das Leben der Preisträgerin und ihrer Angehörigen gefährde. Das Komitee hätte auch die ganze Bewegung oder das DHRC auszeichnen können. Mohammadi selbst unterrichtete die Öffentlichkeit in der Vergangenheit über Folter und Vergewaltigungen an Frauen in iranischen Gefängnissen.
Reiss-Andersen antwortete, dass Mohammadi immer wieder ihre Bereitschaft unter Beweis gestellt habe, dieses Risiko einzugehen. Sie hoffe, dass der Iran „die richtige Entscheidung treffen“ und Mohammadi freilassen werde, damit sie am 10. Dezember persönlich ihre Urkunde in Empfang nehmen kann. Sollte sich die Preisverleihung hingegen negativ auf ihre Haftbedingungen auswirken, trage die Verantwortung dafür einzig und allein das iranische Regime.
Die Vorzeichen ändern sich
Der Iran sieht sich innen- und außenpolitisch in die Ecke gedrängt. Der Atomdeal mit dem Westen ist gescheitert. Der Erzfeind Israel bewegte sich auf ein Normalisierungsabkommen mit Saudi-Arabien zu. Die Islamische Republik demonstriert Stärke, aber ihre Tage sind gezählt.
Nicht-staatliche westliche Institutionen wie das Nobelpreiskomitee und die Münchner Sicherheitskonferenz machen westlichen Regierungen vor, wer in Bezug auf den Iran die wahren Gesprächs- und Verhandlungspartner sein sollten: Die iranische Opposition. (cs)
2 Antworten
Wir im Westen sind irgendwie unbelehrbar naiv, mit unserem humanistischen Menschenbild.
Ein totalitäres Regim verschwindet nicht einfach so. Nur ein Bürgerkrieg, eventuell mit Unterstützung von aussen oder ein militärischer Angriff kann das bewerkstelligen. Ob´s dann wirklich klappt, bleibt als Frage.
„Die Islamische Republik demonstriert Stärke, aber ihre Tage sind gezählt.“ Wie viele Tage?