Israelnetz: Israel will bis 2050 klimaneutral werden, Deutschland bis 2045. Was macht Deutschland besser, um dieses Ziel schneller zu erreichen?
Lisa Badum: In Deutschland gab es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das eine schnellere Dekarbonisierung (Verringerung von CO2) vorschreibt. Dennoch muss die jetzige Regierung das Ziel auch erreichen und dafür jetzt den Grundstein legen. Ein solcher ist zum Beispiel der Ausbau der erneuerbaren Energien. Bis 2030 soll deren Anteil bei 80 Prozent liegen. Ich denke aber, dass auch Israel das Ziel bis 2045 erreichen könnte. In Deutschland haben wir schlichtweg den Vorteil, dass wir die Debatte schon wesentlich länger führen.
Die Debatte ist in Israel jünger und das Land hat eine neue Regierung. Ist der Netanjahu-Regierung der Kampf um das Klima genauso wichtig wie der Vorgänger-Regierung?
Ich befürchte in der Tat, dass Klimapolitik der neuen Regierung nicht so wichtig ist. Allerdings haben sich in Israel in den vergangenen Jahren, auch in der Regierungszeit von Netanjahu, viele grüne Start-ups gegründet. Deswegen gibt es sicherlich auch ein wirtschaftliches Interesse an dem Thema.
Und zur Wahrheit gehört auch, dass Israel von direkteren Problemen bedroht ist.
Absolut. Israel ist seit seiner Staatsgründung vor 75 Jahren mit Überlebensfragen konfrontiert. Da ist es kein Wunder, dass andere Herausforderungen hintenanstehen.
Sie sind Vorsitzende im Unterausschuss für Internationale Klima- und Energiepolitik. Was kann deutsche Klimaaußenpolitik leisten?
Erst durch den Krieg in der Ukraine ist vielen die enge Verzahnung zwischen Energiepolitik, Energiehandel und unserer Sicherheit und der anderer Staaten klar geworden. Klimaaußenpolitik hat eine geostrategische Bedeutung. Wenn wir möglichst erneuerbare Energie-Partnerschaften eingehen, können wir auch unsere Sicherheit erhöhen.
Kann Israel ein solcher Partner sein?
Für mich spielt Israel für die Vision eines „erneuerbaren Nahen Ostens“ eine sehr wichtige Rolle. Die gesamte Region hat das Potential einer erneuerbaren Energiequelle für uns Europäer. Ohne den Nahen Osten werden wir uns nicht dekarbonisieren können.
Also profitiert vor allem Europa von der Klimapolitik im Nahen Osten?
Nein, auch für die Region ist es enorm wichtig. Bei der Klimakrise sitzen alle im gleichen Boot. Ein großes Problem ist ja jetzt bereits die Trockenheit, beziehungsweise der Wassermangel in der Region.
Israel erschließt seit geraumer Zeit Gasvorkommen im Mittelmeer. Passt das zum Kampf gegen den Klimawandel?
Das ist auf jeden Fall kein beschleunigender Faktor für den Ausbau erneuerbarer Energien. Daher kann das Ziel nicht sein, Israel auf diesem Weg zu ermutigen. Andere Mittelmeer-Anrainer, wie Griechenland oder die Türkei, haben ja auch Gasvorkommen. Dort zeigt sich, dass das Ausbeuten der Vorkommen nicht zu Stabilität in der Mittelmeerregion beiträgt. Die erneuerbaren Energien haben mehr Potential.
Von den Gasvorkommen könnte auch Deutschland profitieren, gerade mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Aktuell gibt es ja neue Gasabkommen mit Katar, wobei diese ja wegen der Menschenrechtslage vor Ort in der Kritik stehen. Natürlich wäre es besser, israelisches Gas zu nutzen, als welches aus Katar zu kaufen. Aber nochmal: Ich halte es dennoch für nicht richtig, Israel dahingehend zu ermutigen.
„EcoPeace“
Die Organisation „EcoPeace“ arbeitet auf mehr Umweltschutz und Frieden im Nahen Osten hin. Sie wurde 1994 gegründet. Ziel ist es, Israelis, Jordanier und Palästinenser zusammenzubringen, um gemeinsam an Klima- und Friedenslösungen zu arbeiten.
In Deutschland gibt es Stimmen, die auf den Faktor Innovation setzen, um dem Klimawandel zu begegnen. Israel gilt als Start-up-Nation. Setzt Deutschland zu wenig auf den Innovationsfaktor?
Israel hat eine andere Unternehmensmentalität. Dort nimmt man Niederlagen durchaus in Kauf und Scheitern muss nicht sofort etwas Endgültiges sein. So ein Denken fehlt in Deutschland. Dafür haben wir Standortvorteile, allein schon durch die verfügbare Industriefläche. Und in Deutschland haben wir einen starken Mittelstand. Umso wichtiger ist es also, dass wir die Stärken unserer beiden Länder zusammenführen.
Neben einer Zusammenarbeit mit Deutschland könnte Israel auch vermehrt mit seinen Nachbarn zusammenarbeiten, gerade im Hinblick auf die Abraham-Abkommen. Ist das ein realistisches Szenario?
Absolut. Wie das gelingen kann, zeigt beispielsweise die Initiative „EcoPeace”. Dabei werden aus den Emiraten finanzierte Solaranlagen in Jordanien errichtet. Dieser Strom fließt dann nach Israel. Im Gegenzug liefert Israel Wasser aus Entsalzungsanlagen nach Jordanien. Dieses Zusammenarbeiten führt dazu, dass man miteinander ins Gespräch kommt und auch bleibt. Ähnliches könnte auch für die Palästinensergebiete möglich sein. Und das hat natürlich unmittelbaren Einfluss auf Israels Sicherheit.
Pessimistisch betrachtet, könnten so aber auch gefährliche Abhängigkeiten entstehen. Was, wenn beispielsweise Jordanien Israel den Strom abdreht?
Die Gefahr besteht natürlich, wenngleich ich sie nicht für sehr realistisch halte. Die Zusammenarbeit auf dieser Ebene ist ein Stück weit losgelöst von der großen politischen Bühne. Auch Israel hatte in der Vergangenheit, trotz schlechter Beziehungen zu Ägypten, Energiekooperationen. Zudem begibt sich ja keiner in einseitige Abhängigkeiten.
Sie haben gerade schon die Palästinenser angesprochen. Muss Israel sie mit Blick auf die angestrebte Klimaneutralität mehr einbeziehen?
Es ist wichtig, Angebote zu machen, wie beispielsweise mit „EcoPeace”. Wie diese dann auch angenommen werden und ob die beiden Regierungen aktuell überhaupt Interesse daran haben, ist eine andere Frage. Ich weiß allerdings, dass die Zivilgesellschaft daran arbeitet. Und es sollte das Ziel Deutschlands sein, das zu fördern.
Kann es also durch die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel zur Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern kommen?
Ich würde eher von Annäherung sprechen. Aber ja, das wünsche ich mir.
Ein zivilgesellschaftlicher Player ist Fridays for Future. Vor allem der internationale Ableger ist in der Vergangenheit durch Antisemitismus und Boykottaufrufe gegen Israel negativ aufgefallen. Hat die Bewegung ein Problem mit Israel?
Ich weiß nicht, wer für die Inhalte des Twitter-Accounts zuständig ist, aber es ist definitiv zu verurteilen – und es ist gut, dass es dazu einen öffentlichen Aufschrei und eine Debatte gibt. Ich würde aber auch nicht sagen, dass die gesamte Bewegung ein Problem mit Antisemitismus hat.
Dennoch, auch bei deutschen Ablegern von Fridays for Future sind auf Demonstrationen pro-palästinensische und antisemitische Parolen zu hören. Wie erklären Sie sich diese Vermischung von Klimaschutz und Nahostpolitik?
In der Klimabewegung sind Leute aus dem allgemeinen Antikolonialismus-Diskurs involviert. Ähnliches konnte man ja auch auf der documenta beobachten. Dort wird Antikolonialismus mit Antiimperialismus und das wiederum mit Hass auf die USA und auf Israel gleichgesetzt. Das ist eine sehr einfache Rechnung, die allerdings nicht aufgeht. Das Ziel muss sein, dass der Globale Süden an Verhandlungstischen angemessen repräsentiert ist und gleichberechtigt mitbestimmt. Antisemitismus kann niemals dazu beitragen.
Schaden solche Entgleisungen also dem Klimaschutz?
Hilfreich sind sie sicherlich nicht. Auch deswegen gilt es, sich dagegen zu positionieren. Wichtig ist, dass an dieser Stelle Aufklärungsarbeit geleistet wird. Globale Gerechtigkeit kann nicht durch Antisemitismus vorangebracht werden.
Frau Badum, lassen Sie uns eine Utopie zeichnen. Wir schreiben das Jahr 2050. Wie sieht für Sie der Nahe Osten aus?
Ich wünsche mir, dass keine fossilen Ressourcen mehr ausgebeutet werden müssen und dass es gelungen ist, weite Teile des Nahen Osten zu begrünen. Das Wasserproblem spielt keine Rolle mehr, weil damit sparsam umgegangen wird und es genügend Entsalzungsanlagen gibt. In den Wüsten gibt es weniger militärische Sperrzonen. Stattdessen werden die Flächen zur Energiegewinnung genutzt.
Israel hat mit seinen Nachbarn Friedensverträge unterzeichnet und es gibt einen regen Austausch zwischen den Ländern in der Region. Ich hoffe, dass Klimapolitik dazu einen Beitrag leisten kann.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Badum.
Lisa Badum
Lisa Badum, Jahrgang 1983, sitzt seit 2017 für die Grünen im Deutschen Bundestag. Sie ist in dieser Legislatur Obfrau im Ausschuss für Klimaschutz und Energie und Vorsitzende im Unterausschuss für Internationale Klima- und Energiepolitik. Zudem ist sie Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
4 Antworten
Das ist ein treffendes Beispiel für die klimapolitische Sprachverwirrung !
Oder kann mir jemand erklären, welche Energien man entgegen allen physikalischen Gesetzmäßigkeiten „erneuern“ und „ausbauen“ oder welches Klima man jenseits der Meteorologie „neutralisieren“ oder „schützen“ kann?
Die in den Kapiteln 6-18 der Offenbarung prophezeiten Katastrophen in der Endzeit. Dennoch haben diese Prophezeiungen nichts mit dem Treibhauseffekt zu tun, sondern sind vielmehr ein Ergebnis von Gottes Zorn, der seine Gerechtigkeit über die zunehmend sündige Welt bringt. Als Christen müssen wir auch daran denken, dass Gott die Kontrolle hat und dass diese Welt nicht unser Zuhause ist. Gott wird dieses bestehende Universum eines Tages ausradieren (2. Petrus 3,7-12) und es mit dem Neuen Himmel und der Neuen Erde ersetzen (Offenbarung 21-22). Wie viel Anstrengung sollten wir in die „Rettung“ unseres Planeten legen, den Gott irgendwann auslöschen und durch einen Planeten ersetzen wird, der so erstaunlich und wunderbar ist, dass die heutige Erde im Vergleich dazu erblasst?
Als Christen sollten wir uns auf die Verkündung der Wahrheit des Evangeliums konzentrieren, der Botschaft, die die Macht hat, Seelen zu retten. Den Planeten zu retten, liegt nicht in unserer Macht oder Verantwortung. Klimawandel mag real sein oder nicht und mag oder durch den Menschen verursacht werden oder nicht. Wir können uns aber sicher sein, dass Gott gut und allmächtig ist und dass unser Planet so lange unsere Heimat ist, wie Gott es wünscht. Psalm 46,3-4: „Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenngleich das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.“
Joh.3,16-18. Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
Wichtig ist, dass Deutschland u.a. auch hinsichtlich ökologischer Hinsicht mit Israel zusammenarbeiten. Ich habe da noch Ideen, z.B. die Wiedereinführung des Schabbats im Christentum. Die ersten Christen hatten Schabbat und Sonntag. Realistischer sehe ich ein Ruhetag für Passagierflugzeuge, d.h. am Schabbat und So. vormittags sollte in Deutschland KEIN Flug mehr stattfinden. Da ja in Israel ebenfalls am Schabbat kein Passagierflugzeug fliegt, halte ich hier den Schabbat für wichtig. Außerdem sollte Schweinefabriken zu Veggi-Fleischfabriken umgerüstet werden. Es wird weniger Fleisch gegessen, und alle halten sich automatisch an das Verbot von Schweinefleischessen, weil es ja keins mehr gibt. Israel hat soviele Erfindungen, da sollte Deutschland von lernen. Aber entscheidend ist nun mal die Terrorbekämpfung, system change gegen Mullahs usw. Die Kriege müssen gewonnen werden, danach kann alles Weitere geschehen.
„Und als es das vierte Siegel auftat, hörte ich die Stimme der vierten Gestalt sagen: Komm!
Und ich sah, und siehe, ein g r ü n e s Pferd*. Und der darauf saß, dessen Name war: Der Tod, und die Hölle folgte ihm nach. Und ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit Schwert und Hunger und Tod** und durch die wilden Tiere*** auf Erden.“
Offenbarung 6, 7 und 8
*ἵππος χλωρός (5515 [e] ) hippos chloros
καὶ πᾶς χόρτος χλωρὸς (5515 [e]) κατεκάη
„und alles grüne Gras verbrannte.“
Offenbarung 8.7b
**θανάτῳ (2288 [e]) thanato
***θηρίων (2342 [e]) therion
Καὶ εἶδον ἐκ τῆς θαλάσσης θηρίον (2342 [e]) ἀναβαῖνον
„Und ich sah ein Tier aus dem Meer steigen,“
Offenbarung 13.1b