JERUSALEM (inn) – Die hebräische Sprache könnte durch englische Fremdwörter und übersetzte Ausdrücke ihre Eigenheiten verlieren. Davor warnten israelische Experten am Dienstag anlässlich des „Tages der hebräischen Sprache“.
„Zum Glück sind die großen Zeitungen vor Dutzenden von Jahren gegründet worden und haben deshalb hebräische Namen“, sagte die Vorsitzende des Knesset-Erziehungsausschusses, Meli Polischuk-Bloch, in einer Sondersitzung. Als Beispiele nannte sie „Ma´ariv“ („Abendgebet“), „Jediot Aharonot“ („Letzte Nachrichten“) und „Ha´aretz“ („Das Land“). „Doch eine Zeitung, die erst kürzlich gegründet wurde, wurde bereits ‚Globes‘ genannt“, fügte die Abgeordnete hinzu.
„Ich bin besorgt“, so Polischuk-Bloch. „Die Globalisierung und die Nutzung des Internets verwischen die Grenzen zwischen Staaten und Sprachen. Der Gebrauch des Englischen, der internationalen Sprache, wird die hebräische Sprache überwinden und verflachen.“ Die Knesset-Sitzung zum „Tag der hebräischen Sprache“ fand in diesem Jahr zum ersten Mal statt.
Der Präsident der Hebräischen Sprachakademie, Mosche Bar-Ascher, brachte ein Beispiel: Eine Frage, auf die man keine Antwort fand, wurde früher auf Hebräisch als „sche´elah setumah“ („unklare Frage“) bezeichnet. Heute sagen die Israelis „lassen wir die Frage offen“ und übersetzen damit den englischen Ausdruck „open question“.
Bar-Ascher sieht in dieser Entwicklung eine Gefahr für die hebräische Sprache. „Wir bemühen uns, auf der Hut zu sein“, sagte er. „Aber andererseits ist eine Sprache etwas Dynamisches mit einem Eigenleben, und wir wollen nicht Neuerungen auf Hebräisch aufzwingen.“ Wie der Informationsdienst „Walla“ berichtet, schlägt selbst die Akademie mitunter Bezeichnungen vor, die aus dem Englischen übersetzt sind.
„Die große Frage ist, ob die Welt eine einzige Sprache sein wird“, so Ronit Gadisch von der Sprachakademie. „Nicht unbedingt in dem Sinne, dass alle Englisch sprechen werden, sondern dass alle auf Englisch denken werden.“ Für Übersetzer sei es angenehm, wenn es für jedes englische Wort eine hebräische Entsprechung gebe. Aber in dieser Situation gingen die kulturelle Eigenheit und die besondere Wahrnehmung verloren.
Schon immer hat es in der hebräischen Sprache Fremdwörter gegeben. So finden sich in einem Wörterbuch für biblisches Hebräisch unter rund 8.000 Vokabeln etwa 400 Fremdwörter. Sie stammen aus dem Altägyptischen, dem Akkadischen oder anderen Sprachen. Im rabbinischen Hebräisch, das in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitrechnung in Gebrauch war, finden sich Wörter lateinischen, babylonischen, aramäischen und griechischen Ursprungs.
Doch heute ist der Wandel tiefer und weitreichender. Nicht nur einzelne Vokabeln, sondern ganze Gedankengänge werden übernommen. Im Gegensatz zu früheren Sprach-Epochen ist hier Englisch die einzige Quelle.
Die UN-Organisation für die Förderung von Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) vermutet, dass das Englische dazu beiträgt, dass in den kommenden 100 Jahren mehr als die Hälfte der rund 6.000 Sprachen aussterben werden. Im Übrigen gibt es auch im Englischen viele Fremd- und Lehnwörter aus verschiedenen Sprachen.