JERUSALEM (inn) – Mit großer, aber nicht ungetrübter Freude hat Israel am Sonntag im Rahmen des Geiseldeals die ersten drei Verschleppten in Empfang genommen. Die drei Frauen waren am Tag des Terrormassakers vom 7. Oktober verschleppt worden und damit 471 Tage in Geiselhaft.
Bei den Freigelassenen handelt es sich um Emily Damari (28), Romi Gonen (24) und Doron Steinbrecher (31). Die Organisation Rotes Kreuz brachte sie vom Gazastreifen nach Israel.
Gonen hatte das Nova-Musikfestival besucht und war dort als Geisel genommen worden. In einem Telefonat mit ihrer Mutter sagte sie, dass sie angeschossen wurde. Ihre drei Freundinnen, mit denen sie beim Nova-Festival war, wurden ermordet.
Damari besitzt auch die britische Staatsangehörigkeit ist. Wie Steinbrecher war sie aus ihrem Haus im Kibbuz Kfar Asa verschleppt worden.
Gebannte Verfolgung der Geschehnisse
In Erwartung der Ankunft der Geiseln hatten sich tausende Israelis auf den Geiselplatz in Tel Aviv begeben. Sie verfolgten gebannt die Live-Bilder, die aus dem Gazastreifen kamen, ebenso wie die Journalisten, die über die Geschehnisse berichteten.
Bei der Übergabe an das Rote Kreuz um kurz nach 17 Uhr in Gaza-Stadt kam es zu tumultartigen Szenen. Palästinenser drängten sich um die Fahrzeuge des Roten Kreuzes. Bewaffnete Hamas-Terroristen hielten sie mit Mühe und Not von dem Konvoi fern.
Das israelische Fernsehen zeigte Sekunden später Screenshots von den Live-Bildern, auf denen die Geiseln zu sehen waren – gewissermaßen als Beleg für die letzten Ungläubigen, dass die Befreiung nun Wirklichkeit wird. Auf den Screenshots waren die Geiseln nur schemenhaft zu erkennen, für die Israelis waren das aber Bilder der Hoffnung.
Um etwa 20 Minuten vor sechs Uhr konnten die Journalisten dann freudig bekunden: „Romi, Emily und Doron sind zuhause!“. Kurz zuvor hatte die Armee bestätigt, dass sie die Geiseln erhalten habe. Im Hintergrund war der Jubel und Applaus auf dem Geiselplatz zu hören.
Waffenruhe verspätet eingetreten
Dabei hing am Sonntagvormittag noch vieles in der Schwebe: Die Terror-Organisation hätte die Liste mit den Namen der ersten Geiseln am Samstag um 16 Uhr übermitteln sollen, um 8:30 Uhr am Sonntag sollte dann die Waffenruhe gelten. Da Israel die Liste entgegen der Bestimmungen aber nicht erhalten hatte, führte die Armee die Kampfhandlungen im Gazastreifen am Sonntagmorgen zunächst fort.
Am späten Vormittag übermittelten die Terroristen dann die Liste. In der Folge trat die Waffenruhe um 11:15 Uhr in Kraft. Damit begann die erste, sechswöchige Phase des Geiseldeals. In dieser Zeit soll Israel 30 weitere Verschleppte erhalten; Schätzungen zufolge sind 23 von ihnen noch am Leben. Die Übergaben sollen jeweils samstags erfolgen.
Politische Turbulenzen
Die Freude über die Freilassung ist dadurch getrübt, dass Israel im Gegenzug bis zu 1.904 inhaftierte Palästinenser freilässt. Davon hatte Israel 1.167 im Rahmen der Bodenoffensive festgenommen, bei 737 handelt es sich um verurteilte Terroristen. Die genaue Zahl hängt davon ab, wie viele von den Geiseln noch am Leben sind.
Der Deal ist auch innerhalb der Regierung umstritten. In der Nacht zum Samstag stimmte das Kabinett aber mit 24 zu 8 Stimmen für den Deal. Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir erklärte jedoch am Sonntag aus Protest den Ausstieg seiner Partei „Jüdische Stärke“ aus der Regierung. Diesen Schritt hatte er schon länger angedroht. Der Geiseldeal sei ein „vollständiger Sieg für den Terrorismus“.
Finanzminister Bezalel Smotritsch (Religiöser Zionismus) bleibt mit seiner Partei hingegen in der Regierung. Er setzt auf das Versprechen von Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud), dass Israel weiter im Gazastreifen kämpfen werde.
Am Sonntag betonte Smotritsch, dass Israel den Gazastreifen besetzen und dort eine Militärregierung errichten müsse. Andernfalls werde er die Regierung verlassen. In diesem Falle wären die Regierungsparteien in der Minderheit. Mit dem Austritt Ben-Gvirs verfügt die Regierung nur noch über eine Mehrheit von zwei Sitzen.
Netanjahu: Deal dank militärischer Erfolge
Netanjahu hatte in einer zehnminütigen Videoansprache am Samstagabend betont, dass es sich bei dem Deal um eine „zeitweilige“ Waffenruhe handele. Israel werde zu den Kampfhandlungen zurückkehren, sollten die weiteren Phasen des Deals nicht umgesetzt werden. Ziel sei die Freilassung aller Geiseln. Sowohl US-Präsident Joe Biden (Demokraten) als auch Donald Trump (Republikaner), der am Montag Biden im Amt ablöst, unterstützten diese Haltung.
Netanjahu betonte weiter, dass Trump Beschränkungen bei den Waffenlieferungen aufheben werde, die unter Biden derzeit gelten. „Wenn wir wieder kämpfen müssen, werden wir dies mit neuen Mitteln und mit großer Macht tun.“ Israel werde zudem im Philadelphi-Korridor, dem Grenzgebiet zwischen Ägypten und dem Gazastreifen, bleiben und dort die Truppenstärke leicht erhöhen.
Der aktuelle Deal sei indes hauptsächlich auf die militärischen Erfolge Israels zurückzuführen, fuhr Netanjahu fort. Die iranische Achse sei dadurch geschwächt, die Hamas isoliert. In der Folge sei es möglich gewesen, einen besseren Deal im Vergleich zu den Bedingungen vom Mai zu erzielen: Nun kämen in der ersten Phase doppelt so viele Geiseln frei, die noch am Leben sind.
Vor dem jetzt zustande gekommenen Geiseldeal hatte Israel 157 Geiseln zurückerhalten, davon waren 117 am Leben und 40 getötet. Wenn die erste Phase wie geplant über die Bühne geht und die 33 Geiseln freikommen, bleiben noch 65 Geiseln in der Gewalt der Hamas.
Israel lässt Terroristen frei
Ebenfalls am Samstag veröffentlichte das Justizministerium die Liste mit den palästinensischen Sicherheitsgefangenen, die in der ersten Phase freikommen sollen. Zu ihnen gehören Mörder und Terroristen, die teils eine mehrfach lebenslängliche Haftstrafe erhalten hatten.
In der Liste findet sich etwa der Name von Mohammed Abu Warda. Der 48-Jährige ist für Anschläge auf zwei Busse der Linie 18 im Jahr 1996 in der Jerusalemer Jaffa-Straße verantwortlich. Dabei wurden 45 Menschen ermordet. Im Jahr 2002 fassten israelische Sicherheitskräfte den Terroristen.
Im Gazastreifen und im Westjordanland feierten viele Palästinenser den Geiseldeal als Sieg. Am Sonntag waren vermummte Bewaffnete mit Hamas-Fahnen im Gazastreifen zu sehen, die mit ihren Lastenwagen ein Hupkonzert veranstalteten. Zahlreiche Zivilisten jubelten ihnen zu. (df)
2 Antworten
Im Westjordanland feierten zu Recht viele Palästinenser den Geiseldeal als Sieg. Im Gazastreifen waren Vermummte Bewaffnete Hamas-Terroristen mit ihren Lastenwagen unterwegs. Die sogenannten Zivilisten jubelten ihnen zu. Fazit: das palästinensische Volk und die Palästinenser im Ausland stehen 100% zu Hamas.
Ich ziehe mich zurück für mehrwöchiges Dauergebet… mögen die Geiseln endlich frei werden! * SHALOM!
Psalm 142:ff.
Mit lauter Stimme schreie ich zum Herrn,
ja, laut flehe ich zum Herrn.
Ich schütte mein Herz vor ihm aus
und klage ihm meine ganze Not.
Auch wenn ich allen Mut verliere,
wachst du doch schützend über meinem Weg.