Am 10. Mai 1994 war Jasser Arafat in einer Moschee im südafrikanischen Johannesburg zu Gast. Der Chef der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) tat das, was er gut konnte: Er rief zum „Dschihad“ für Jerusalem auf. Eigentlich kein ungewöhnlicher Vorgang: Arafat stand als erfahrener Terrorist einer Organisation vor, die seit 30 Jahren eine Blutspur durch Israel zog.
In dieser Situation allerdings war seine Äußerung schon bemerkenswert: Denn gerade einmal sechs Tage zuvor, am 4. Mai 1994, hatte der oberste Palästinenser noch die Friedenstaube gemimt. Gemeinsam mit dem israelischen Regierungschef Jitzchak Rabin (Avoda) unterschrieb Arafat in Kairo das „Gaza-Jericho-Abkommen“. Es war Teil des „Oslo-Friedensprozesses“, der im September des Vorjahres mit der Unterzeichnung einer „Prinzipienerklärung“ und dem Austausch von Briefen zwischen Israel und der PLO begonnen hatte.
Laut dieser, auch als „Oslo I“ bezeichneten Vereinbarung sollte eine palästinensische Autonomie entstehen – und zwar in „Gaza und Jericho zuerst“. Die genaue Umsetzung regelte dann vor 30 Jahren das „Gaza-Jericho-Abkommen“. Um einen palästinensischen Staat ging es dabei ausdrücklich nicht: „Wir glauben an eine separate palästinensische Entität, die weniger als ein Staat ist“, machte Rabin klar.
Autonomie in „Gaza und Jericho zuerst“
Die Verhandlungen für das „Gaza-Jericho-Abkommen“, die nach der Unterzeichnung von „Oslo I“ begannen, waren nicht einfach: Zum einen sorgten zahlreiche Detailfragen für ein langes Tauziehen. Das betraf neben der genauen Größe des Autonomiegebiets zum Beispiel die Frage, wer und wie genau Kontrollen an den Grenzen zu Jordanien beziehungsweise Ägypten durchführen durfte.
Zum anderen forderte aber auch der innere Widerstand aus beiden Gesellschaften die Verhandlungsdelegationen heraus: Arafat musste sich aus seinen Reihen vorhalten lassen, Israel anzuerkennen, ohne eine Zusage für einen palästinensischen Staat erhalten zu haben. Im „Gaza-Jericho-Abkommen“ war sogar ausdrücklich geregelt, dass Israel Besatzungsrecht in Kraft lassen durfte; damit legitimierte die PLO die „Besatzung“ offiziell und rechtsverbindlich.
Terror in Israel und Hebron
Rabin, der frühere Armeechef, wiederum bekam aus seinem Volk zu hören, es sei naiv, wie er sich auf Arafat einlasse. Die Palästinenser würden das neu erlangte Autonomiegebiet nur als weitere Ausgangsbasis für die Fortführung des anti-israelischen Terrorkriegs benutzen, lautete eine Befürchtung. Oppositionsführer Benjamin Netanjahu (Likud) warf dem Regierungschef der Arbeitspartei vor, eine Sicherheitskrise ungekannten Ausmaßes ausgelöst zu haben.
Tatsächlich wurde Israel noch während der Verhandlungen von einer brutalen Terrorwelle heimgesucht: Zunächst sprengte sich am 6. April ein Araber in Afula neben einer Bushaltestelle in die Luft; wenige Tage später folgte ein Anschlag auf einen Bus in Hadera. Insgesamt kamen neben den Attentätern 13 Menschen ums Leben; Dutzende wurde verletzt.
Hinter den Anschlägen, die als Selbstmordattentate innerhalb Israels einer neuen Methode des Schreckens folgten, stand die Hamas. Die Islamisten, die anders als die PLO ganz unverblümt an der Vernichtungsabsicht gegenüber Israel festhielten, verkauften ihre Taten als Reaktion auf das Massaker in der Ibrahimi-Moschee in Hebron: Dort hatte der Israeli Baruch Goldstein am 25. Februar desselben Jahres 29 Menschen erschossen, bevor er selbst gelyncht wurde.
Fast-Eklat in Kairo
Diese Ereignisse und die inhaltlichen Hürden zögerten die Verhandlungen für das „Gaza-Jericho-Abkommen“ länger hinaus, als eigentlich vorgesehen war. Wie schwierig die Lage zwischen den verfeindeten Parteien war, zeigte sich noch einmal bei der Unterzeichnungszeremonie in Kairo, bei der es am 4. Mai 1994 um ein Haar zum ganz großen Eklat gekommen wäre: Anstatt alle Dokumente zu unterschreiben, weigerte sich Arafat zunächst, die zum Abkommen gehörenden Karten zu unterzeichnen.
Weil Rabin auf den Unterschriften bestand, begann auf der Bühne vor laufenden Kameras eine heftige Diskussion zwischen den Vertragsparteien. Die Zeremonie musste letztlich unterbrochen werden. Hinter den Kulissen ließ sich Arafat dann breitschlagen, doch alle Unterschriften zu leisten – unter der Zusicherung, dass die Diskussion darüber nicht abgeschlossen sei. Rabin kommentierte den Vorgang im Anschluss trocken: „Wir versuchen hier, eine friedliche Koexistenz zwischen zwei Einheiten herzustellen, die nichts für einander übrig haben – um es vorsichtig zu formulieren.“
Noch im Mai zog die israelische Armee dann aus den festgelegten Autonomiegebieten im Gazastreifen und in Jericho ab. Die neue Palästinensische Autonomiebehörde (PA) sollte zunächst aus 24 Führungspersönlichkeiten bestehen, bei deren Auswahl Arafat auf seine alten Fatah-Zirkel zurückgriff. Kompetenzen erhielt die Behörde vor allem im Bereich des Inneren. So durfte sie eine Polizei von 9.000 Mann aufbauen. Israel entließ zudem zahlreiche Palästinenser aus seinen Gefängnissen, während die Palästinenser zusagten, Israel-Kollaborateure zu schonen.
Palästinenser wollen Autonomiebehörde am liebsten auflösen
Nach der Unterzeichnung setzten sich die geschilderten Irritationen fort: Am 10. Mai beschwor Arafat in der bereits erwähnten Johannesburger Rede nicht nur den „Dschihad“ um Jerusalem. Er verglich das gerade erst geschlossene Abkommen auch mit dem Friedensvertrag von Hudaybiya. Diesen hatte der Prophet Mohammed 628 mit dem Stamm der Quraisch in Mekka geschlossen. Die Einigung beinhaltete einen Waffenstillstand. Der Vertrag hielt nur kurz; anschließend eroberte Mohammed Mekka.
Arafat musste wissen, wie dieser Vergleich in israelischen Ohren klingen würde. Trotzdem ließen die Israelis ihn am 1. Juli 1994 in den Gazastreifen einziehen. Die inszenierte „Rückkehr“ nach „Palästina“ wurde von Tausenden bejubelt. Anschließend nahm die Autonomiebehörde ihre Arbeit auf. 1996 hielt sie die ersten Wahlen ab, in denen Arafat als Anführer bestätigt wurde. Eine fünfjährige „Übergangszeit“, die mit dem „Gaza-Jericho-Abkommen“ begonnen hatte, lief schließlich ab, ohne dass sich die Seiten auf einen Endstatus verständigen konnten. Stattdessen orchestrierte Arafat ab 2000 die „Zweite Intifada“.
Damit hatte „Oslo“, das nach wie vor immer wieder als vermeintlicher Königsweg beschworen wird, in eine tödliche Sackgasse geführt. Die Autonomiebehörde gibt es trotzdem bis heute. Beliebt ist sie allerdings nicht: Israelis werfen ihr ihre Verstrickung in palästinensischen Terror vor. Und Palästinenser verachten ihre Korruption und die „Kollaboration“ mit Israel. Einer aktuellen Umfrage zufolge fordern 30 Jahre nach Gründung der PA immerhin 58 Prozent der Palästinenser ihre Auflösung.
11 Antworten
Danke für den informativen Bericht ! Es ist traurig, dass Israel nur benutzt wurde für einen Scheinfrieden.
Als ich 1996 im Sommer in Israel war, hatte ich noch nicht die Informationen, und der Frieden schien zu halten.
Die von Arafat organisierte „Zweite Infifada“ in 2000 zeigt doch, dass er des Friedensnobelpreises unwürdig ist. Er hat sich zum Scheinfrieden „gebombt“, und Israel hatte das Nachsehen.
Heute ist nur alles noch viel schlimmer als damals. Und Oslo hat bis heute nur Nachteile für Israel:
Rabin wurde ermordet, Europa schreit nach „Palästina“, von „Zweiter Intifada“ und dem Terrorismus durch Arafat ist kaum noch die Rede in Europa.
Letzten Endes hat Oslo dazu beigetragen, dass viele in Europa heute so Israel-feindlich sind, weil viele die Lage und die Geschichte von Oslo nicht richtig einschätzen können…
Vor 30 Jahren unterzeichnen Israel und die PLO das „Gaza-Jericho-Abkommen. Alles für die Katz.
Wie auch immer, jetzt sollte Isreal das Verhandeln mit dem Feind beenden, Spezialeinheiten im Katar den Anführer eliminieren und in Rafach dem Terror ein Ende setzen. Danach sollte Israel die Palästinenser verwalten und denen, die dem Terror abschwören eine Zukunft geben. Die anderen können ausreisen oder verbleiben in Gewahrsam. Viel Erfolg!
Das wird nicht sein, Beva. Man will Israel vernichtet sehen. Ob UN, EU und Ampel traue ich auch nicht. Araber unter sich, wobei die Palästinenser alle gerne los wären. Besonders Jordanien. Ägypten will sie schon gar nicht.
Katar! Geldsäcke! Beherbergen Hanije. Abartig.
Für Moslem ein normaler Zug gegenüber sog. Ungläubigen! Denn jede Lüge, Betrug usw, alles was dem Islam nützen könnte ist erlaubt auch wenn gestern noch das pure Gegenteil gelobt wird.
So unerfreulich das Thema ist, so haben diese Menschen, die unfähig sind gewaltfrei politische Ziele auszuhandeln und ihre eigenen Leute zu schützen immer verloren … im Gegensatz zu Martin Luther KIng, Mahatma Gandhi oder Desmond Tutu … sie traten für Gerechtigkeit ein und waren mutig friedlich. Ich wünsche ISRAEL Erfolg und überirdischen Trost und dem Heiligen Land Frieden! * SHALOM
Rabin bekam aus seinem Volk zu hören, es sei naiv, wie er sich auf Arafat einlasse. Wer hatte Recht? Das Volk.
Was bewiesen wurde in der Amtszeit von Peres. Arafat überzog das Land mit Selbstmordattentaten. Das Ergebnis war Netanjahu.
Israel hatte sich zu sehr auf den Frieden verlassen. Mit Terroristen schließt man keinen Frieden, bestenfalls eine Hudna, die längstens 10 Jahre dauert.
Für was stehen die Demonstranten heute? Mal von gegen Netanjahu und Neuwahlen abgesehen. Das lasse ich jetzt mal außen vor. Was wollen die Demonstranten, die für die Freilassung der Geiseln auf die Straße gehen. Dass eine legitime Forderung ist, steht außer Frage: Aber der Slogan ist schon mal fasch. Er hätte von Anfang an heißen müssen: Lasst unser Volk (Geiseln) ziehen und nicht bring sie heim. Denn die Macht darüber, die hat die Hamas. Das wäre der Adressat gewesen. Die Hamas lacht sich tot über die Demos, denn sie stärken die Hamas.
Wie viele sollen freigelassen werden? Reichen 20 oder ist es nicht im Sinne der Geiseln, dass alle freikommen? Ein Deal für wenig hat keinen Sinn. Es stärkt nur die Hamas.
Über 600 Familien leben in Trauer, weil sie in dem Krieg, im Einsatz jemand verloren haben, Vater, Mutter, Sohn, Tochter – im Krieg gefallen. Und die nun sehen, dass mit der Forderung mit Ende des Krieges, für einen Bruchteil von freigelassen Geiseln, aber mit dem Überleben der Terroristen, allen voran Sinwar – ihr Opfer, das sie gebracht haben mit Füßen getreten wird. Dass man erwartet, dass man weitere 7.10 erleben muss, weitere Geiselnahmen. Weiter Krieg. Anstatt es jetzt zu Ende zu bringen. Sinwar lebenslänglich einsperren die Geiseln befreien und auch das pal. Volk in Gaza befreien.
Hast du auf WELT mitbekommen, dass die Banken in Gaza millionenfach geplündert wurden von Gruppen Hamas zugeordnet?
Christin, wenn es um Gaza, WJL geht, wird gelogen weltweit. Die haben soooooo viel Geld und Guterres redet von verhungern.
BRD zahlt und zahlt und altes Deutschland wird marode.
Hab ich. Geld kann man nicht essen. Aber es kommen Hilfsgüter rein. Wer die Verteilung nicht gebacken bekommt ist die UN. Aber jammern.
Tja, Lindner will sparen. Das AA sieht keinen Spielraum. Ich schon. Gelder der UNRWA streichen.
Noch ein Wort zum pal. Volk in Gaza. Lt. Umfragen stehen 60 % zur Hamas. D.h. 40 % sind gegen sie oder enthalten sich der Meinung. Aber auf die 40 % könnte man aufbauen. Aber was passiert gerade. Der Westen fordert eine Waffenruhe. Wer weiß, was als nächste Forderung kommt. Ein Zustimmung Israel zu der Forderung der Hamas, dass der Krieg aus sein muss. Und damit Sinwar gerettet ist. Haben die USA Bin Laden geschont, nein. Sie haben ihn ausgeschaltet. Aber Sinwar????
40 % im Gazastreifen könnten gegen die Hamas aufstehen. Aber warum sollten sie? Wenn sie nicht sicher sein können, dass die Hamas tatsächlich am Ende des Krieges ausgeschaltet ist. Und dies signalisiert man ihnen nicht. Israel ja, aber kann sich Israel gegen den Westen durchsetzen. Da ist sich mit Sicherheit der Großteil der Menschen in Gaza nicht sicher. Und sich in der unsicheren Lage gegen die Hamas zu stellen, bedeutet das Todesurteil, wenn die Hamas zurück kehren sollte.
Und da haben wir dann die nächste Frage: sind der Weltgemeinschaft die Pal. in Gaza so egal? Ja, man fordert Hilfslieferungen, man fordert sichere Zonen für die Flüchtlinge. Man erwartet auch von Israel einen Plan für den Tag danach. Aber was bietet man selbst an? Die Aussicht, dass die Hamas weitermachen kann? Dann haben die Pal. zwar den Hunger hinter sich, aber auch die Freiheit, denn die Knechtschaft geht dann weiter. Die Pal. haben nur ein Chance wenn die Terroristen aus ihrem Gebiet verschwunden. Dies ist auch eine Chance für die Menschen im WJL, die auch genug haben von ihrer Terroristenregierung.