An einer Bewertung von US-Präsident Donald Trump nach vier Jahren im Amt werden sich immer die Geister scheiden – der Mann polarisiert. Doch niemand würde sich zu weit aus dem Fenster lehnen, wenn er den gelernten Gebäudehändler als den bislang pro-israelischsten US-Präsidenten bezeichnet. Denn in mehreren Fällen stellte Trump sein Land hinter Positionen, mit denen der jüdische Staat Jahre und Jahrzehnte alleine dastand.
Ein Beispiel dafür ist die Anerkennung des geeinten Jerusalems als Hauptstadt, die im Dezember 2017 erfolgte; in Israel gilt diese Haltung gesetzesmäßig seit 1967. Die Maßnahme im Dezember 2017 war ein früher pro-israelischer Zug der Trump-Regierung. Ein weiteres Beispiel ist die Anerkennung der israelischen Souveränität auf den Golanhöhen im März 2019. Für Israel gilt dieser Anspruch spätestens seit einem entsprechenden Gesetz aus dem Jahr 1981, auch wenn der Golan noch in den 1990er Jahren als „Verhandlungsmasse“ bei Gesprächen mit Syrien taugte. Nicht zuletzt erklärten die USA im November 2019, der Siedlungsbau sei grundsätzlich legal. Damit stellten sie sich gegen die übliche internationale Auffassung.
Diese Beispiele zeigen auch: Die „pro-israelische“ Politik Trumps ist nicht identisch mit einer „pro-Netanjahu“-Politik – eben weil es um Themen ging, die schon lange vor der ersten Regierungszeit Benjamin Netanjahus (1996–1999) auf dem Tisch lagen. Dies gilt jedoch nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich: Bei dem Ausstieg aus dem Iran-Deal im Mai 2018 ist Trump zwar einem Anliegen nachgekommen, das auf der politischen Weltbühne niemand vehementer vertreten hat als der israelische Premier. Allerdings dürften Trump bei seiner Entscheidung zuallererst amerikanische Interessen geleitet haben, zumindest wie sie sich aus seiner Sicht darstellen.
Neue Verbundenheit
Nichtsdestotrotz war Netanjahu bei den Terminen mit Trump anzusehen, dass er immer das Gefühl hatte, mit dem Präsidenten einen „Partner“ im Weißen Haus zu haben. Zwischen Netanjahu und Trumps Amtsvorgänger Barack Obama herrschte im Gegensatz dazu meist Kälte. Der Tiefpunkt kam dann kurz vor Ende der Präsidentschaft, als Obama aus Unmut über israelischen Siedlungsbau im Dezember 2016 eine anti-israelische Resolution im Sicherheitsrat durchgehen ließ.
Für die neue Verbundenheit sorgte nicht zuletzt Trumps frische Haltung in der Nahost-Politik. Zum ersten Mal war dies im Februar 2017 ersichtlich: Damals, kurz nach seinem Amtsantritt, verkündete er im Beisein Netanjahus, die „Zwei-Staaten-Lösung“ sei nicht die einzig mögliche Lösung für den Konflikt. Mit so viel Denkfreiheit hatten einige deutsche Journalisten ihre Not, wie in den Berichten zu erkennen war: Trump forderte einen offenen Denkprozess, die damalige ZDF-Korrespondentin Nicola Albrecht hatte dafür nur die Vokabel „planlos“ übrig.
Dabei lässt sich in einschlägigen Dokumenten der Trump-Regierung durchaus ein Leitfaden erkennen: Geht es um die Palästinenser, ist die Rede von einem „Staat“ für sie – wie etwa in dem Anfang 2020 vorgestellten Nahost-Plan, den Trump als „Deal des Jahrhunderts“ ankündigte. Der im September 2020 unterzeichnete, von den USA vermittelte Friedensvertrag zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten kennt hingegen nur die Forderung nach einer verhandelten Lösung zwischen Israelis und Palästinensern – ohne auszuführen, wie diese aussehen muss. Mit anderen Worten: Der Frieden zwischen Israel und arabischen Staaten hängt nicht länger von den Forderungen der Palästinenser ab, die oft genug dafür gesorgt haben, dass der Friedensprozess zum Stocken kam.
Verlust an Rückhalt
Umgekehrt bedeutet dies, dass die Palästinenser in der arabischen Welt an Rückhalt verloren haben. In einem Interview nach Bekanntgabe der Normalisierung lieferte der emiratische Regierungsberater Raschid al-Nuami die Begründung für die nun von palästinensischen Forderungen unabhängige Politik gegenüber Israel: „Die palästinensische Führung will keine Lösung“, sagte er lapidar. Die Palästinenser müssten daher selbst schauen, wie sie sich zu Israel verhalten; die Emirate könnten nicht darauf warten, dass sich etwas bewegt.
Dass dies keine Einzelmeinung ist, zeigte sich bei der Sitzung der Arabischen Liga im September 2020. Die Palästinenser scheiterten mit ihrem Antrag auf Verurteilung der Normalisierung mit Israel. Der politische Leiter der Liga, Botschafter Hussam Saki, warf ihnen vor, in ihrer Haltung unnachgiebig zu sein. Dass die Palästinenser überhaupt meinten, mit ihrem Antrag durchzukommen, spricht dafür, dass der politischen Führung einige Entwicklungen entgangen sind.
Die USA haben dieser strengeren Haltung gegenüber den Palästinensern den Weg geebnet: Dass Washington mehr Verantwortung von ihnen forderte, zeigte sich etwa am Zahlungsende für das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA): Trump begründete diesen im Sommer 2018 erfolgten Schritt mit mangelnder Reformbereitschaft und der anti-israelischen und anti-amerikanischen Rhetorik.
Fähiges Team
Diese entschiedene Haltung der USA, die zur Not auch mit dem Abschied aus internationalen Gremien wie Menschenrechtsrat und UNESCO verbunden war, hat UN-Botschafterin Nikki Haley im März 2018 mit dem Satz „Unsere Geduld ist endlich“ auf den Punkt gebracht.
Überhaupt lassen sich die vergangenen vier Trump-Jahre nicht ohne dessen Team erklären. Denn eines muss man dem Präsidenten zugute halten: Wenn er eine Entwicklung im Nahen Osten herbeiführen wollte, wie sie besonders in der zweiten Jahreshälfte 2020 zutage trat, dann hat er sich dafür das richtige Team zusammengestellt. Sein besonnener Schwiegersohn Jared Kushner gehört ebenso dazu wie der Botschafter in Israel David Friedman und der frühere Verhandlungsführer Jason Greenblatt. Nicht zuletzt machte die UN-Botschafterin Haley mit fulminanten Auftritten deutlich, dass bezüglich der Haltung zu Israel ein anderer Wind weht.
Ins Reich der Spekulation gehört freilich, was noch möglich gewesen wäre, wenn Israel während dieser vier Jahre aufgrund dreier Neuwahlen nicht innenpolitisch blockiert gewesen wäre. Denkbar wäre etwa eine Umsetzung der Souveränitätspläne: Die USA schienen diese zunächst zu unterstützen, gingen später jedoch – wohl vor dem Hintergrund einer entsprechenden Forderung der Emirate – auf Distanz.
Dies wirft die grundsätzlichere Frage auf, wie hoch der Preis von Trumps Politik für Israel ist. Zuletzt war zu hören, dass der jüdische Staat bis 2024 die Souveränitätspläne zugunsten des Friedens ruhen lässt. Sicherheitsexperten fürchten zudem um den militärischen Vorsprung Israels in der Region, wenn die Emirate als „Gegenleistung“ für den Friedensdeal moderne Kampfflugzeuge erhalten. Wie begründet diese Befürchtungen sind, wird die Zukunft zeigen.
Diesen Artikel finden Sie auch in der neuen Ausgabe 5/2020 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/5 66 77 00, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.