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Ein Denkmal und ein Name

Seit ihrer Gründung vor 70 Jahren wächst die Internationale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem stetig. Die Impulse, die vom „Berg der Erinnerung" ausgehen, sind unverzichtbarer Bestandteil moderner Demokratieerziehung.
Von Israelnetz
Die israelische Scho'ah-Gedenkstätte Yad Vashem ist erstmals Gastgeber des Weltholocaustforums

JERUSALEM (inn) – Ein Tag reicht nicht aus, um Yad Vashem in Jerusalem zu besichtigen. Auch nicht zwei, drei oder hundert. Die Menge an Ausstellungsgegenständen und Geschichten ist nicht fassbar – so wie die Zahl von 6 Millionen ermordeten Juden.

Trotzdem wirken weder die Gedenkstätte noch ihr Onlineauftritt überfrachtet. Denn im Vordergrund steht immer der einzelne Name, der Mensch dahinter und sein Schicksal.

Denkmal und Name

Die Gedenkstätte wurde auf eine Verheißung aus der Bibel gegründet und am 19. August 1953 per Gesetz eingeführt. Die Sammlung der Namen und Geschichten Ermordeter sowie Überlebender der Scho’ah erfolgt seit diesem Tag systematisch unter dem Dach der staatlichen Institution. Ein Jahr später wurde der Grundstein für das Museum gelegt. Seit 1957 ist es der Öffentlichkeit zugänglich.

„Ich will ihnen in meinem Hause und in meinen Mauern ein Denkmal und einen Namen (Hebräisch: Yad VaShem) geben (…) Einen ewigen Namen will ich ihnen geben, der nicht vergehen soll.“ So steht es im Buch des Propheten Jesaja, Kapitel 56, Vers 5. Das sind die großen Ziele, die sich die Gedenkstätte gesetzt hat: Ein Denkmal zu sein und den Millionen jüdischen Opfern ihre Namen zurückzugeben.

Ausdruck davon ist neben dem großen, unterirdischen Museum, das die Scho’ah dokumentiert, die „Halle der Namen“. 4,8 Millionen Namen der schätzungsweise 6 Millionen ermordeten Juden hat Yad Vashem in 70 Jahren zusammengetragen. Die Gedenkblätter, die Verwandte, Freunde und Bekannte über die Jahrzehnte eingereicht haben, sind inzwischen digitalisiert und online zugänglich.

Ein Name und seine Geschichte

Frank Sachnowitz ist einer der 6 Millionen Ermordeten, einer der 4,8 Millionen bekannten Namen, einer von Hunderttausenden, von denen es auch ein Bild gibt. Er ist einer von vielen Tausenden, deren Schicksal erst im 21. Jahrhundert aufgeklärt werden konnte, und einer von 600, deren Gesichter in der Kuppel in der Halle der Namen zu sehen sind.

Foto: Yad Vashem
Frank Sachnowitz

Sachnowitz wurde im August 1943 – damals 18 Jahre alt – in der Gaskammer des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof ermordet. Er war einer von 86 jüdischen Männern und Frauen, deren Körper zu Forschungszwecken für die SS-Wissenschaftsorganisation „Ahnenerbe“ in der Reichsuniversität Straßburg konserviert wurden.

Im Jahr 2003, 60 Jahre nach seinem Tod, wurde der Name Frank Sachnowitz zum ersten Mal öffentlich verlesen. Im Jahr 2005, 80 Jahre nach seiner Geburt, reichte seine Tante Rita Porat ein Gedenkblatt in Yad Vashem ein.

Unermüdlicher Einsatz

Die Mitarbeiter von Yad Vashem und weltweiten Freundeskreisen sowie Privatpersonen forschen unermüdlich weiter, um so vielen Ermordeten wie möglich ihre Namen zurückzugeben. Im Fall von Frank Sachnowitz war es der Tübinger Historiker Hans-Joachim Lang, der über Jahre recherchierte, um den 86 Opfern von Menschenversuchen ein Gesicht zu geben.

In seinem Buch „Die Namen der Nummern“ dokumentiert er den langen Weg, bis er der Nummer 79238 den Namen Frank Sachnowitz zuordnen konnte. Lang blieb dabei nicht stehen, sondern zeichnete die gesamten Lebenswege von der Geburt über Flucht, Gefangenschaft, Deportation, Ermordung und Verbleib nach. Anschließend machte er die Familien der Opfer ausfindig und informierte sie über das Schicksal ihrer Angehörigen.

Auf diesem Weg fanden der Name, das Bild und die Geschichte von Frank Sachnowitz ihren Weg nach Yad Vashem. Der Kontakt zu den Familien ermöglichte es Lang, zusätzliche Informationen zusammenzutragen. Frank war das jüngste von acht Kindern. Seine Familie war die einzige jüdische im Dorf. Sie war sehr musikalisch. Frank spielte Tenorhorn in der örtlichen Jugendkapelle. Sein Vater Israel pflanzte für jedes seiner Kinder einen Apfelbaum auf einer Wiese in Larvik. Sie blühen noch heute.

Gedenken in Hallen, unter freiem Himmel und virtuell

Auf dem Gelände von Yad Vashem in Jerusalem befinden sich weitere Museen, Denkmäler und Gedenkhallen. In der „Halle der Erinnerung“ brennt eine ewige Flamme. Unter einer Steinblatte ist Asche aus Konzentrationslagern begraben – stellvertretend für die verbrannten Körper unzähliger Menschen, die kein Begräbnis erhalten haben. In einem unterirdischen Raum befindet sich ein Denkmal für die 1,5 Millionen ermordeten Kinder.

Im Außenbereich erstreckt sich das „Tal der Gemeinden“, in dem auf Steintafeln der mehr als 5000 ganz oder teilweise ausgelöschten jüdischen Gemeinden gedacht wird. Der „Garten der Gerechten unter den Völkern“ erinnert auf Steintafeln und durch die Pflanzung von Bäumen an rund 30.000 Nicht-Juden, die in der Zeit des Nationalsozialismus Juden halfen.

Auf dem Gelände von Yad Vashem steht auch eine Synagoge, in der Gegenstände aus den zerstörten jüdischen Gebetshäusern Europas ausgestellt werden. Ein Kunstmuseum beherbergt eine Sammlung von mehr als 10.000 Gemälden und Zeichnungen, die zum großen Teil in Konzentrationslagern entstanden sind. Jeder einzelne Bereich hat auch einen ausführlichen Online-Auftritt.

Bildung und Zukunft

Yad Vashem betreibt auf seinem eigenen Gelände Forschungs– und Lehrzentren, Bibliotheken und Archive. Außerdem berät und begleitet es Aufbau und Fortbestand solcher Institutionen auf der ganzen Welt. Holocaust- und Erinnerungspädagogik sind ohne den Einfluss von Yad Vashem nicht mehr zu denken.

Jedes Jahr besuchen zehntausende Schüler aus dem In- und Ausland die Internationale Schule für Holocaust-Studien in Yad Vashem. Die Gedenkstätte ist darauf ausgerichtet, das Wissen über die Vergangenheit zu bewahren und die Zukunft mitzugestalten. Sie stellt Knowhow zur Verfügung und leistet international einen beispiellosen Beitrag zu Demokratie- und Toleranzerziehung. (cs)

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6 Antworten

  1. Ich habe mir mehrmals Yad Vashem angesehen. Es ist ein in jeder Hinsicht unvergesslicher Ort.
    Am meisten beeindruckt hat mich die Symbolik, vor allem
    – der Eisenbahnwaggon, der ins Nirgendwo fährt;
    – das „Tal der (verlorenen) Gemeinden“.
    Das Mahnmal in Berlin habe ich mir nur einmal kurz angesehen. Mit Beton habe ich meine ästhetischen Probleme, und nur Betonblöcke – da vermisse ich jede Symbolik. Gut gemeint, aber nur scheußlich.

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    1. Natürlich doch. Das Mahnmal in Berlin wirkt wie die Faust auf das Auge, wobei ich Yad Vashem als das Auge betrachte. Beide stehen in einer unheiligen Allianz zueinander in Beziehung, in der künstlerischen Gestaltung als auch im realistischen Erinnerungswert.

      0
    2. Ich kenne es aus den Medien. Das Mahnmal in Berlin ist unschön, langweilig und es verleitet einige Leute zu allerlei anständigen Sachen. Die möchte ich nicht näher ausführen – ich denke, es ist bekannt.

      Es liegen Welten zwischen Yad vaSchem und diesem Mahnmal.

      2
  2. Das Bundesfinanzministerium hat eine Sonderbriefmarke mit dem Wert 85 Cent (Standardbrief)
    zu 70 Jahre Yad Vashem herausgebracht. Diese wird sich weiter verbreiten als die 90 Cent zur weißen Stadt in Tel Aviv, das war damals der Wert für Auslandsbriefe.

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