JERUSALEM (inn) – Die angesehene israelische Richterin Miriam Naor ist tot. Sie starb am Montag mit 74 Jahren. Naor führte den Obersten Gerichtshof an und wirkte zuvor Jahrzehnte an verschiedenen Gerichten im jüdischen Staat. Neben ihren juristischen Diensten engagierte sich die Israelin für demokratische Werte.
Naor kam 1947 in Jerusalem auf die Welt. Im Jahr 2003 wurde sie vom Obersten Gericht als Richterin berufen. Von 2015 bis 2017 war sie Präsidentin des Gerichtshofs. Sie gilt laut Staatspräsident Jitzchak Herzog als eine „Königin des Rechts“ und zählt zu den „Titanen des israelischen Rechts“ – zwei Auszeichnungen in der Justiz.
In den Monaten vor ihrem Tod leitete sie die staatliche Untersuchungskommission zur Meron-Katastrophe. Am nordisraelischen Pilgerort Meron waren im vergangenen Jahr am jüdischen Feiertag Lag BaOmer 45 Menschen bei einem Gedränge ums Leben gekommen. Das Unglück gilt als schlimmste zivile Katastrophe im modernen Staat Israel. Naors Aufgabe war es, das Unglück aufzuarbeiten und mögliche Fahrlässigkeiten des ultra-orthodoxen Veranstalters herauszufinden. In den kommenden Tagen soll ein Nachfolger gewählt werden.
Schnelle Justiz-Karriere
Naor studierte Jura an der Hebräischen Universität in Jerusalem, an der sie 1971 promovierte. Anschließend war sie bis 1979 Staatsanwältin. 1980 wurde sie dann mit nur 33 Jahren Richterin in Jerusalem.
Von 1971 bis 2001 lehrte die Verstorbene an der Juristischen Fakultät der Hebräischen Universität. Ab 2003 arbeitete sie für den Obersten Gerichtshof und beschäftigte sich mit bedeutenden Fällen des israelischen Rechts, darunter etwa die Einberufung von ultra-orthodoxen Juden in die Armee oder Urteile zur Migrationspolitik. Ihre dreijährige Amtszeit als Präsidentin des Obersten Gerichtshof endete 2017 im Alter von 70 Jahren – die festgesetzte Altersgrenze für eine Amtszeit. In ihrer Abschiedsrede zeigte sich Naor seinerzeit stolz auf die Unabhängigkeit der israelischen Justiz. Gleichzeitig forderte sie die Israelis auf, die Justiz und die Demokratie zu schützen.
Würdigung von Israels Prominenz
Die genaue Ursache für den Tod von Miriam Naor ist bisher nicht bekannt. Die Justizbehörde erklärte, sie sei „von Trauer und Schmerz schockiert“. Israels Premier Naftali Bennett (Jamina) zeigte sich ebenfalls betrübt und würdigte Naor als „angesehene Juristin“. Sie habe sich stets dafür eingesetzt, „das Gleichgewicht zwischen der Wertevielfalt in der israelischen Gesellschaft zu wahren und den nationalen und zionistischen Charakter des Staats Israel zu stärken“. Der ehemalige Premierminister und heutige Oppositionsführer Benjamin Netanjahu (Likud) lobte ihr „tiefes Engagement für den Staat Israel“.
Staatspräsident Herzog sprach von einer „weisen, sachkundigen, unabhängigen Frau, die bescheiden blieb, selbst als sie auf dem höchsten Platz des Gerichts saß“. Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit sah in Naor „eine beispielhafte Figur, ein Leuchtfeuer von Gerechtigkeit, Weisheit und Werten“.
Miriam Naor hinterlässt ihren Ehemann Arje und ihre gemeinsamen Söhne Michael und Naftali. Am Dienstag wurde sie in Jerusalem beerdigt. (joh)