Ehemalige Geisel: „Zivilisten jubelten unseren Entführern zu“

Vor dem Weltsicherheitsrat schildert die ehemalige Geisel Eli Scharabi die Tortur der Gefangenschaft. Der internationalen Gemeinschaft wirft er Untätigkeit vor.
Von Israelnetz

NEW YORK (inn) – Die ehemalige Geisel Eli Scharabi hat wegen der 59 im Gazastreifen verbliebenen Entführten an den Weltsicherheitsrat appelliert. „Bringt sie alle nach Hause“, forderte er am Donnerstag in einer Sitzung des Gremiums in New York. Der 53-Jährige war am 8. Februar nach 491 Tagen aus der Geiselhaft freigelassen worden.

„Ich bin heute hier, weniger als sechs Wochen nach meiner Freilassung, um für diejenigen zu sprechen, die immer noch in jenem Alptraum gefangen sind“, sagte Scharabi in seiner Rede.

Zivilisten wollten ihn lynchen

Er schilderte die Entführung aus dem Kibbuz Be’eri am 7. Oktober 2023: „Mein Gesicht war geschwollen, meine Rippen gequetscht. Als wir in Gaza ankamen, versuchte ein Mob von Zivilisten, mich zu lynchen. Sie zogen mich aus dem Auto, aber die Terroristen brachten mich weg in eine Moschee. Ich war ihre Trophäe.“

Als Geisel habe er nicht nur viel zu wenig zu essen und zu trinken erhalten. „Jeden Augenblick konnten sie einen schlagen. Jeden Augenblick konnten sie einen töten“, sagte der Israeli. Und: „Die Hamas hatte Freude an unserem Leiden.“

Auch zur Freilassung äußerte sich Scharabi: „Ich stand bei dieser widerlichen Hamas-Zeremonie, umgeben von Terroristen und der Menge von sogenannten unbeteiligten Zivilisten, und ich hoffte, dass meine Frau und meine Tochter auf mich warteten.“ Doch die drei waren am Tag des Massakers von Terroristen ermordet worden.

Er erzählte von seinem Mitgefangenen Alon Ohel, der nach der Freilassung allein im dunklen Tunnel zurückblieb. Den Ratsmitgliedern zeigte er ein Bild des mittlerweile 24-Jährigen mit der Bemerkung: „So sieht er jetzt nicht mehr aus.“

„Ich werde niemanden zurücklassen“

Scharabi fuhr fort: „Ich bin heute hier, weil ich überlebt und überdauert habe. Aber das ist nicht genug. Nicht, wenn Alon Ohel noch dort ist. Nicht, wenn 59 Geiseln noch dort sind. Genau jetzt ist Alon unter der Erde eingesperrt, allein, umgeben von Terroristen, die ihn foltern. Er weiß nicht, ob er jemals seine Mutter, seinen Vater, seine gesamte geliebte Familie wiedersehen wird. Ich werde ihn nicht zurücklassen. Ich werde niemanden zurücklassen.“

Die ehemalige Geisel übte Kritik an der internationalen Gemeinschaft: „Ich bin jetzt hier vor Ihnen, um Zeugnis abzulegen und zu fragen: Wo waren die Vereinten Nationen? Wo war das Rote Kreuz? Wo war die Welt?“

Weiter sagte Scharabi: „Ich weiß, dass Sie die humanitäre Lage in Gaza sehr oft diskutiert haben.“ Aber als Augenzeuge habe er gesehen, dass die Hamas Hilfsgüter gestohlen habe. „Ich sah Hamas-Terroristen, die Kisten mit UN- und UNRWA-Emblemen darauf in den Tunnel trugen. Dutzende Kisten, von Ihren Regierungen bezahlt. Terroristen wurden gefüttert, die mich gefoltert und meine Familie ermordet haben. Sie aßen vor uns viele Mahlzeiten am Tag von der UN-Hilfe, und wir bekamen nie etwas davon.“

Von unschuldigen Zivilisten habe er nichts gesehen: „Die Zivilisten in Gaza sahen uns leiden. Sie jubelten unseren Entführern zu. Sie waren definitiv beteiligt. Jetzt bin ich hier vor Ihnen bei den Vereinten Nationen, um zu sagen: Bringen Sie alle nach Hause. Keine Ausreden mehr. Keine Verzögerung. Wenn Sie für Menschlichkeit stehen, beweisen Sie es. Bringen Sie sie nach Hause.“

Palästinensischer Botschafter: Palästinenser leiden ähnlich

Der palästinensische Vertreter bei den Vereinten Nationen, Rijad al-Mansur, kondolierte Scharabi „zu seinem Verlust“. Dann fügte er laut der Zeitung „Yediot Aharonot“ hinzu: „Niemand an diesem Tisch kann völlig nachvollziehen, was solch ein Verlust bedeutet – liebe Menschen verlieren, lange Gefangenschaft, Angst und Trauma – aber Palästinenser können es, weil das ihr Leben ist. Wir erleiden es täglich.“

Israel lösche ganze Familien durch massive, willkürliche Bombardements aus, sagte der palästinensische Diplomat weiter. „Kindern wird von israelischen Scharfschützen in den Kopf oder in die Brust geschossen. Gemeinden werden gewaltsam verschleppt. Es gibt keine einzige palästinensische Familie ohne einen lieben Menschen, der getötet, verwundet, inhaftiert oder entwurzelt ist – und es geht weiter, von einer Generation zur anderen.“

Al-Mansur nahm auch Bezug auf die befreite Geisel No’a Argamani, die ebenfalls vor dem UN-Sicherheitsrat gesprochen hatte: „Sie bat darum, die Feuerpause zu schützen und die dreiphasige Vereinbarung umzusetzen. Hören Sie ihr zu. Ihr Leiden darf nicht ausgenutzt werden, um weiteren Tod und Zerstörung zu rechtfertigen, oder als Entschuldigung für fortgesetzten Krieg, Genozid, gewaltsame Vertreibung, Annexion, Entmenschlichung und Hass.“

Der israelische Botschafter Danny Danon kritisierte wie Scharabi das Schweigen der internationalen Gemeinschaft und des Sicherheitsrates: „Seit dem 7. Oktober hat diese Kammer 77 Resolutionen verabschiedet, von denen keine die Hamas verurteilte.“ (eh)

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6 Antworten

  1. Der paläst. Vertreter bei den Vereinten Nationen über das Leid des Zivilisten-Mobs, der Sharabi und die anderen Geiseln fast gelyncht hätte: „Israel lösche ganze Familien aus, es gibt keine Familie ohne Verluste.“ Schön, dass er Sharabi kondoliert hat. Ist er Botschafter der Palästinenser oder der Terroristen? Und ja, es ist so wie er sagt, viel Leid. Aber:
    Ich hab ein Deja-vu! Da war doch was? Richtig, 7.10. löschte Hamas ganze Familien aus. Jede israel. Familie kennt jemanden, der eine Geisel, einen Soldaten, verloren hat, Freunde, Kinder, Verwandte.

    Unheimlich wichtig, das Eli Sharabi das vor dem Weltsicherheitsrat vorgetragen hat. Ob alle die Lauscher offen hatten? Wenn ich die Geiseln höre, hält sich mein Mitleid in Grenzen. Hätte alles nicht sein müssen.

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    1. Vor allem weil er klar und deutlich sagt, wo war die UN, wo war das IRK.

      Und was die Pal. angeht: die schaffen das allein. Wie viele sitzen in den Folterkammern des Herrn Abbas, weil sie ihm widersprechen?

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  2. Wow, was für ein Mann! Meine Hochachtung und meinen Respekt für seine sachlich vorgetragene Rede und seine Klarheit/Ehrlichkeit – mögen seine Worte bei vielen Menschen auf fruchtbaren Boden fallen.

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  3. Sie haben keine Entschuldigung, die UN! In den eigenen Räumen konnten sie hören! Sie haben die Ohren ihrer Herzen hart gemacht und geschlossen. Wer nicht hören und sehne will, der wird bald nicht mehr hören und sehen können. Und wer blind und taub andere Blinde und Taube in der Welt leiten will, der stürtzt diese und sich selbst in den Abgrund. Das ist der Weg der UN: Blinde Blindenleiter stürzen die Welt in den Abgrund und behaupten dabei noch, dass sie die Welt befrieden. Da kann ich nur schreien: Herr erbarme dich!

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  4. Genau so habe ich mir die Bedingungen vorgestellt, unter denen Geiseln leben. Wichtig ist: Er hat keine unbeteiligten Zivilisten gesehen, alle sind Mörder und Helfer von Mördern, die ihn am liebsten gelyncht hätten. Das konnte man am Tag des Anschlags und bei den Geiselübergaben immer glaubhaft mit ansehen. Dieser Mann erzählt also in Allem die Wahrheit, bei seinem Schicksal ist er sowieso über jede Zweifel erhaben. Diese Punkte sind aber von großer Bedeutung, ob die palästinensische Bevölkerung Empathie verdient oder ob sie keine verdient. Nachdem was er sagt, wird man sicher noch viele unschädlich machen müssen. Und natürlich sitzen sie inmitten von vermeintlichen Zivilisten, die sie absichtlich schützen. Als ob die Uniformen dort herumlaufen würden, natürlich sind alle zivil gekleidet. Man muss die Mörderbande und alle Helfer mit Stumpf und Stiel ausreißen. Egal, ob sie die Geiseln freilassen oder nicht.

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  5. Außer dass al-Mansur die „Gelegenheit“ bekam, den Bericht von Eli Scharabi in unwürdiger Weise zu relativieren – ist etwas bekannt von Reaktionen im Sicherheitsrat? Haben die Ausführungen der ehemaligen Geisel irgendjemanden berührt?

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