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Ebenso kalt wie nützlich

Israel hat bislang mit zwei arabischen Staaten Frieden geschlossen. Von Herzlichkeit ist er in beiden Fällen nicht geprägt. Es liegt schlicht im Interesse der Länder, das Gewonnene nicht aufzugeben.
Israels Premier Rabin (l.) und Jordaniens König Hussein 1994 am See Genezareth: Israelische Wasserlieferungen an Jordanien sind ein Kernelement des Friedensvertrages

Es war ein Paukenschlag, wie ihn die Geschichte nicht oft hören lässt. Im Kalender steht der 6. Oktober 1981: Während einer Militärparade in Kairo wird der ägyptische Präsident Anwar as-Sadat erschossen. Das Attentat vor laufenden Kameras sprengt eine Lücke in die Regierung und wirft eine Frage auf: Wird der Friede überleben?

Es war eine Rede, die nicht weniger aufhorchen ließ, als im November 1977 As-Sadat nach Jerusalem reiste und im israelischen Parlament über Frieden sprach. Ägypten brach nach Jahrzehnten voller Kampf und Krieg gegen Israel aus der arabischen Front und reichte die Hand zum Frieden. Kurz darauf begannen die Verhandlungen, die, begleitet vom US-Präsidenten Jimmy Carter, 1979 in den Camp-David-Frieden mündeten.

Für Ägypten bedeutete das eine Front weniger, die gegen Israel. Und viele neue Fronten und Gegner in der arabisch-islamischen Staatengemeinschaft. Algerien, Libyen, Syrien und der Irak brachen sofort die diplomatischen Beziehungen zu Kairo ab. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) kippte alle Kontakte und verurteilte scharf den „Separatfrieden“.

Auch im eigenen Land schlug As-Sadat Feindschaft entgegen. In den Reihen der Muslimbrüder wuchs der Hass, obwohl As-Sadat sein Land aus dem sozialistischen Lager gelöst hatte und in Ägypten mit der neuen Verfassung von 1971 die Gesetze der Scharia zur Quelle der Rechtsprechung festgeschrieben hatte. Doch der vielen verhasste Friede mit Israel und eine Verhaftungswelle unter den Muslimbrüdern rechtfertigte in deren Reihen das Mordkomplott. As-Sadat und sieben hochrangige Vertreter der Administration starben, der Vizepräsident Hosni Mubarak überlebte verletzt und am Ende überlebte der Friede. Mubarak setzte das Vermächtnis As-Sadats fort.

Ägypten: Land für Frieden

Das Friedensabkommen brachte Ägypten bis 1982 die Sinai-Halbinsel zurück und bescherte Israel Frieden und die Anerkennung seiner Existenz. So gesehen ein Hauptgewinn für jede Seite. In Israel freilich weckte das nicht nur Freude. Vor allem in der Fraktion des damaligen Premierministers Menachem Begin blieben Widerstände. Allen voran war es der damalige Knessetsprecher und spätere Premier Jitzchak Schamir, der den Vertrag ablehnte. Es wurde an der Ehrlichkeit der Ägypter gezweifelt.

In neuer Verbundenheit: Der ägyptische Präsident Sadat (l.) und Israels Premier Begin am 18. September 1978 im amerikanischen Kongress Foto: Library of Congress, Wikipedia
In neuer Verbundenheit: Der ägyptische Präsident Sadat (l.) und Israels Premier Begin am 18. September 1978 im amerikanischen Kongress

Der Preis für ein Stück Papier war die komplette Aufgabe des Landpuffers als Sicherheitszone für Israel und noch mehr: Militäreinrichtungen, Erdölförderanlagen und Siedlungen wurden übergeben beziehungsweise geräumt. Am bekanntesten ist das Schicksal der Stadt Jamit im nördlichen Sinai. Das war eine Neugründung kurz nach dem israelischen Sieg 1967, eine Stadt mit gut 3.000 Einwohnern, Juden mit dem Willen zu bleiben und Plänen für eine Großstadt von zig Tausend Menschen. Und dann kam über Nacht das Ende.

War anfangs noch eine Übergabe an Ägypten und ein finanzieller Ausgleich für Israel im Gespräch, ließ Begin letztlich die Stadt schleifen. Die letzten rund 1.000 Einwohner wurden vom Militär evakuiert. Viele Leute aus Jamit fanden im nahen Gazastreifen ein neues Zuhause – doch nicht dauerhaft, denn im Sommer 2005 verfügte Premierminister Ariel Scharon den kompletten israelischen Rückzug aus diesem Gebiet und die zum Teil zwangsweise Räumung.

Im Rückblick auf vier Jahrzehnte Frieden ist die Erkenntnis gewachsen: Der Preis war nicht zu hoch. Der Friede auf Ebene der Staaten hielt auch in den Stürmen der Zeit mit globalen Zerwürfnissen und regionalen Umbrüchen wie dem „Arabischen Frühling“, dem Ende des Machthabers Muammar al-Gaddafi in Libyen und dem Krieg in Syrien.

Die Völker blieben sich fremd

Doch mit Blick auf die Völker ist es ein kalter Friede geblieben. Vergleichbares wie die deutsch-französische Freundschaft nach 1945 oder die deutsch­polnische Aussöhnung mit der Begegnung der Menschen und vor allem der Jugend gibt es höchstens in Ansätzen. Die Völker blieben sich fremd. Die israelische Jugend eroberte für einige Jahre touristisch den Sinai, nicht zuletzt wegen der günstigen Preise dort, aber der zunehmende islamistische Terror brachte den Tourismus nahzu zum Erliegen.

Auch auf wirtschaftlichen Gebieten blieben die Beziehungen in den Kinderschuhen. Aus der Euphorie des Anfangs, finanziell gefördert von den USA, sind nur zaghafte Pflänzchen gewachsen. Die Wüste war und ist stärker. Und dennoch: Es gibt regelmäßig Gespräche der Geheimdienste und Militärs. Das Projekt „Sicherheit“ hat beiden Seiten den Frieden erhalten und genau das war das Ziel des Abkommens von 1979.

Kürzlich notierte Amotz Asa-El, ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung „Jerusalem Post“: „Der ägyptisch-israelische Frieden hat großen Herausforderungen standgehalten, darunter der israelische Einmarsch in den Libanon 1982 und die Präsidentschaft des islamistischen Politikers Mohammed Mursi von 2012–2013.

Gelegentlich rief Ägypten seinen Botschafter zurück, um damit gegen die israelischen Maßnahmen im Libanon, dem Gazastreifen oder dem Westjordanland zu protestieren. Die Botschafter kehrten jedoch letzten Endes immer wieder zurück und die diplomatischen Beziehungen wurden nie vollständig abgebrochen.“ Noch mehr, der heute als politischer Kommentator beim israelischen TV-Sender „Kanal 1“ tätige Journalist unterstreicht die Bedeutung des Vertragswerkes: „Kurz gesagt, das Camp-David-Abkommen war ein Meisterstück von diplomatischer Ausgewogenheit, von Weitsicht und Verzicht. Was noch besser war, das Abkommen funktionierte tatsächlich und tut es immer noch, bis zum heutigen Tag.“

Israels Staatspräsident Reuven Rivlin erklärte im März bei einer Tagung anlässlich des seit 40 Jahren bestehenden Friedens: „Der Frieden zwischen Israel und Ägypten hat sich bewährt – auch, wenn es noch keine offenen Grenzen oder Gemeinschaft der Völker gibt.“ Und weiter sagte das Staatsoberhaupt: „Aber wir sollten nicht auch nur für einen Moment getäuscht werden: ,Die Schwierigkeiten des Friedens‘, wie Premierminister Menachem Begin schrieb, ,sind den Qualen des Krieges vorzuziehen‘.“

Jordanien: Wasser für Frieden

Der Friede zwischen Israel und Jordanien darf in gleicher Weise gewürdigt werden. Als im Herbst 1994, vermittelt durch die US-Regierung unter Bill Clinton, der jordanische König Hussein I. und der israelische Premier Jitzchak Rabin den Friedensvertrag unterschrieben, war die Verständigung beider Staaten schon weit fortgeschritten. War das Abkommen mit Ägypten ein Ausgangspunkt für Frieden, so war der Vertrag zwischen Jordanien und Israel eher ein Schlusspunkt. Ein Schlusspunkt in dem Sinne, dass in den Jahren zuvor beide Seiten bereits militärische und wirtschaftliche Absprachen hatten, vor allem in Bezug auf Wasser- und Landwirtschaft.

15 Jahre nach Ägypten schloss auch Jordanien Frieden mit Israel. König Hussein (l.) und Premier Rabin genehmigten sich aus diesem Anlass eine Zigarette. Foto: GPO
15 Jahre nach Ägypten schloss auch Jordanien Frieden mit Israel. König Hussein (l.) und Premier Rabin genehmigten sich aus diesem Anlass eine Zigarette.

Die Zusammenarbeit israelischer Kibbutzim mit benachbarten Dörfern auf jordanischer Seite hatte schon lange vor dem offiziellen Frieden begonnen und vor allem Jordanien viel Fachwissen in Bereichen moderner Landwirtschaft gebracht. Doch spektakuläre Projekte, wie ein gemeinsamer Flughafen in der Arava-Wüste nördlich von Akaba und der Bau eines Kanals vom Roten Meer zum Toten Meer, um dessen Austrocknung zu bremsen, sind versandet. Dabei ging es nicht nur um Finanzfragen, sondern auch um Grundzüge des Vertrauens.

In den vergangenen Jahren geriet der jordanische König Abdullah II. innenpolitisch unter Druck. Wiederholt gab es Demonstrationen und Terror gegen das Königshaus und auch gegen den jordanisch-israelischen Ausgleich. Auch Landfragen sind erneut auf den Verhandlungstisch gekommen. Im Vertragswerk von 1994 war eine Pacht über 25 Jahre für zwei jordanische Gebiete festgeschrieben worden, die Israel landwirtschaftlich nutzt. Fixiert war die automatische Verlängerung der Vereinbarung, falls keine Seite kündigt. Doch im Oktober 2018 kündigte König Abdullah an, er werde das Abkommen 2019 beenden. Jordanien wolle wieder die gesamte Souveränität über Al-Bakura und Al-Ghamr, im Hebräischen Naharajim und Zofar. Konkrete Gründe für die Entscheidung gab der König nicht an.

Das Verhältnis zwischen Israel und Jordanien ist angespannt. Im Juli 2017 hatte ein Wachmann der israelischen Botschaft in Amman einen Jordanier erschossen, der versucht hatte, ihn mit einem Schraubenzieher zu erstechen. Ein weiterer Mann war ins Kreuzfeuer geraten und ebenfalls ums Leben gekommen. Der Vorfall hatte zu einer diplomatischen Krise zwischen den beiden Ländern geführt.

Als 1997 südlich vom See Genezareth ein jordanischer Soldat sieben israelische Schülerinnen erschoss, war das ein Schock für beide Seiten, der aber den Frieden nicht beschädigte. Unvergessen die Versöhnungsgeste des Königs Hussein, der die Familien in Israel besuchte und um Vergebung bat. Dem heutigen König ist Weitsicht zu wünschen. Denn der Auftrag nach 40 Jahren Frieden mit Ägypten und 25 Jahren Frieden mit Jordanien heißt: Frieden halten.

Zeitleiste: Ereignisse in den Beziehungen zu Ägypten und Jordanien

24.02.1949 Waffenstillstand mit Ägypten. Der erste mit einem arabischen Land nach dem Unabhängigkeitskrieg.

03.04.1949 Waffenstillstand mit Jordanien. Regelt auch den Abzug irakischer Truppen.

24.04.1950 Jordanien annektiert das Westjordanland. International wird das (außer bei den Briten, Irak und Pakistan) nicht anerkannt.

16.07.1951 Attentat auf Riad as-Solh in Amman. Der frühere libanesische Premier wurde durch drei Syrer erschossen. Es kursierten Gerüchte, dass Libanon und Jordanien gemeinsame Friedensgespräche mit Israel hielten.

20.07.1951 Attentat auf Abdullah I. von Jordanien. Ein Palästinenser des Husseini-Klans erschießt ihn vor der Al-Aqsa-Moschee. Er wollte sich wenig später mit dem ersten Leiter des Mossad, Reuven Schiloach, treffen. Eine Medaille auf der Uniform seines Enkels Hussein lenkte eine Kugel ab, so dass dieser überlebte.

23.07.1952 Staatsstreich in Ägypten. Die Freien Offiziere stürzen König Faruk I. Gamel Abdel Nasser kommt an die Macht.

11.08.1952 Hussein wird zum König von Jordanien ausgerufen. Er ist erst 16 Jahre alt. Sein Vater litt an Geistesschwäche und musste abdanken.

28.02.1955 Operation „Schwarzer Pfeil“. Das israelische Militär greift ägyptische Truppen im Gazastreifen an. Seit 1954 hatte Ägypten angefangen, palästinensische Flüchtlinge mit Waffen zu unterstützen. Kriegsgrund war der Mord ein einem Israeli in Rechovot durch arabische Infiltranten am 25.02.1955.

29.10.1956 Beginn von Kampfhandlungen wegen Suezkrise. Ende Juli hatte Nasser die Suezkanal-Gesellschaft verstaatlicht.

05.–10.06.1967 Sechs-Tage-Krieg. Israel erobert den Sinai, das Westjordanland und den Golan.

07.08.1970 Waffenstillstand mit Ägypten. Seit Juni 1968 hatte es einen Abnutzungskrieg gegeben, den Ägypten initiierte, um den Sinai zurückzuerobern. Auf 3 Monate angelegt.

28.09.1970 Gamel Abdel Nasser stirbt. Anwar as-Sadat wird sein Nachfolger.

04.02.1971 Sadat erklärt, er sei bereit für einen Friedensvertrag für Ägypten. Er zeigte sich aber nicht zu Kompromissen bereit, daher scheiterten diplomatisch Initiativen der Amerikaner und der Israelis.

06.–25.10.1973 Jom-Kippur-Krieg. Ägypten startet einen Überraschungsangriff, um verlorene Gebiete zurückzuerobern. Israel kann sich wehren. Beide Seiten unterzeichnen am 18.07.1974 ein Abzugsabkommen (Sinai I).

04.09.1975 Sinai-Interims-Abkommen (Sinai II). Vereinbarung, Konflikte nicht mit Krieg, sondern diplomatisch zu lösen. Brachte Ägypten Ansehen im Westen, aber Misstrauen bei Syrien und den Palästinensern.

20.11.1977 Sadat spricht in der Knesset. Er erklärte, dass er bis ans Ende der Welt gehen würde, selbst nach Israel in die Knesset, wenn er so den Tod eines einzigen ägyptischen Soldaten vermeiden könne.

17.09.1978 Camp-David-Abkommen. Zwei Rahmenvereinbarungen zum „Frieden in Nahost“ und „Friedensvertrag mit Ägypten“. In ersterem ging es um Palästinenser, wurde von den UN verurteilt.

26.03.1979 Friedensvertrag mit Ägypten. Ägypten und Israel erhalten dafür umfangreiche Militärhilfen von den USA.

06.10.1981 Attentat auf Sadat, durch die Terrorgruppe Al-Dschihad, die spätere Al-Qaida.

26.04.1982 Israel zieht die letzten Truppen aus dem Sinai ab. Die Soldaten weinen und singen ein letztes Mal die HaTikva.

31.07.1988 Jordanien zieht Souveränitätsanspruch über Westjordanland zurück.

30.10.–01.11.1991 Madrider Konferenz. Die Verhandlungen mündeten unter anderem in den Friedensvertrag mit Jordanien von 1994.

25.07.1994 Washingtoner Erklärung. Beendet Krieg zwischen Israel und Jordanien.

26.10.1994 Friedensvertrag mit Jordanien. Zentraler Bestandteil sind israelische Wasserlieferungen an das Nachbarland. Für Hussein war dabei wichtig, dass Palästinenserführer Jassir Arafat schon 1993 das erste Oslo-Abkommen mit Israel geschlossen hat.

13.03.1997 Friedensinsel-Massaker. Ein jordanischer Soldat erschießt an der Grenze sieben israelische Schulkinder. König Hussein besuchte anschließend die Familien, die Geste weckte Sympathien.

07.02.1999 König Hussein stirbt. Sein Sohn Abdullah II. folgt ihm nach.

21.10.2018 Abdullah II. teilt Israel mit, Teile des Friedensvertrages nicht zu erneuern. Es geht um die Pacht zweier landwirtschaftlicher Einheiten im Grenzgebiet.

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 2/2019 des Israelnetz Magazins. Diese besondere Themenausgabe befasst sich mit den Beziehungen Israels zu arabischen Staaten und dem Iran. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online. Gerne können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

Von: Egmond Prill

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