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Die Tore Jerusalems

Hier veröffentlichen wir biblische Impulse von verschiedenen Autoren. Roland Werner zeigt, welche Bedeutung es hat, dass Jesus außerhalb der Tore starb.
Von Israelnetz

Der 122. Psalm gehört zu den Liedern, die die Pilger auf dem Weg nach Jerusalem zu einem der großen Feste sangen. In ihnen klingt die Sehnsucht nach dem Tempel durch, nach den gewaltigen Gottesdiensten und im letzten nach einer Gottesbegegnung. David besingt den Augenblick, wenn die Pilger endlich den langen, beschwerlichen Anstieg zur Stadt hinter sich haben, und in den schattigen Tortürmen verweilen, bevor sie weiter gehen zu ihrem Ziel, dem Tempel.

Auch Jesus sang mit seinen Jüngern die Wallfahrtspsalmen, die er schon als Zwölfjähriger bei seiner Wanderung aus Galiläa nach Jerusalem gelernt und mitgesungen hatte. Und auch am letzten Abend seines irdischen Lebens, nach dem Festessen mit seinen Gefährten im Obergemach im Südwestviertel Jerusalems, sang er einen Lobgesang. So berichten es uns die ersten Jesusbiographen (Matthäus 26,20; Markus 14,26). 

Ich freute mich über die, die mir sagten: Lasset uns ziehen zum Hause des HERRN! Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem. Jerusalem ist gebaut als eine Stadt, in der man zusammenkommen soll.

Psalm 122,1–3

Diesmal waren es jedoch die Hallel-Psalmen 113–118, die zur Passahliturgie gehörten. Auch dort geht es um das Einziehen durch Tore: „Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich durch sie einziehe und dem HERRN danke. Das ist das Tor des HERRN; die Gerechten werden dort einziehen. Ich danke dir, dass du mich erhört hast und hast mir geholfen. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom HERRN geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen“ (Psalm 118,19–23).

Danach zogen sie aus der Stadt hinaus, durch das Kidrontal hinüber auf den Ölberg. Jesus wusste da schon, dass jetzt kein triumphaler Einzug durch die Tore Jerusalems mehr auf ihn wartete, wie es vor nur wenigen Tagen der Fall gewesen war. Jetzt würden die Massen nicht mehr schreien: „Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Matthäus 21,9), sondern vielmehr: „Kreuzige ihn!“ (Markus 15,13). Und er wusste auch, dass er nach seiner Verurteilung aus der Stadt hinausgetrieben werden würde (Matthäus 27,21; Johannes 19,16), wohl durch das Gartentor im Nordwesten, um dort außerhalb der damaligen Stadtmauer ans Kreuz genagelt zu werden und zu sterben. 

Jesus starb, als Pilger im Tempel beteten

Und während die Pilger, die aus allen Teilen des Landes und aus der Diaspora nach Jerusalem gekommen waren, im Tempel beteten, starb Jesus draußen vor den Stadttoren auf dem Schutthügel Golgatha. Das betont der Schreiber des Hebräerbriefs: „Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor“ (Hebräer 13,12). Was das dann für die Nachfolger des gekreuzigten Messias bedeuten würde, macht er im folgenden Satz ganz deutlich: „So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen“ (Hebräer 13,13).

Wie Maria und die anderen Frauen und wie der Jünger Johannes damals, sollen wir Jesus folgen und bei Jesus bleiben, dort am Ort der Schmach und Schande, dem Ort der Schwäche, des Leidens und des Todes.

Es ist ein Wunder der Gnade Gottes, dass gerade diese Jesusnachfolge „hinaus aus dem Lager“, der sich nach den ersten jüdischen Jesusjüngern Unzählige aus den nicht-jüdischen Nationen angeschlossen haben, dazu führt, dass Menschen heute durch die Tore in die Stadt Jerusalem hineingehen.

Auch jetzt, 2.000 Jahre später, machen sich Jesusnachfolger aus aller Welt auf, um die Orte selbst zu sehen, an denen das Wunder der Erlösung geschehen ist. Das Wunder der Gnade, die allen Menschen gilt, zuerst den Juden, aber dann auch den Völkern. Jesus, der außerhalb der Tore Jerusalems gekreuzigt wurde, ist der Grund, warum Tausende und Abertausende heute mit dem Psalmdichter sagen: „Lasset uns ziehen zum Hause des HERRN!“

Prof. Dr. Dr. Roland Werner ist Afrikanist, Semitist und Theologe. Er arbeitet im Rahmen des Zinzendorf-Instituts in Marburg und unterrichtet an der Evangelischen Hochschule Tabor.

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Israelnetz Magazin

Dieser Artikel ist in einer Ausgabe des Israelnetz Magazins erschienen. Sie können die Zeitschrift hier kostenlos und unverbindlich bestellen. Gern können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

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4 Antworten

  1. Danke, für den Blickwinkel, den ich so örtlich bezogen bisher nicht hatte!
    Danke auch für einen Beitrag, der nicht nur die politischen Tagesthemen
    nahebrachte, sondern einen Blick eröffnet über das leidige Meinungsgeschrei
    hinaus. Jesus – Jude und Friedensbringer! Amen

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  2. Na ja, Jesus hat auch zu seinen Lebtagen ein verborgenes Leben geführt und sein Kreuz täglich aufgenommen. Dort fern allem Weltgetümmel, draußen vor dem Lager hat er Kraft bekommen, so dass seine Jünger verstanden, dass seine Lehre nicht so war, wie die derer, die im Lager waren und sich als die Vertreter Gottes auf Erden bezeichneten. Diese Lehre und dieses Leben, mit dem Jesus kam, spricht zu uns auch heute noch in Matthäus Kap. 5-7. Wer will, nehme das Wasser des Lebens umsonst und hüte sich, dass er es sich nicht durch einen Teologen erklären lässt. Das Jesus am Ende auch tatsächlich draußen vor dem Tor gekreuzigt wurde ist nur ein Sinnbild für sein tägliches Leben. Diese Kreuzigung da oben auf dem Ölberg konnte den Sieg über das Böse nicht verhindern, ganz im Gegenteil, es dauerte nicht lange und der Geist, in dem Jesus sein tägliches Kreuz trug, kam auf die Erde und hilft seinen Jüngern seitdem bis heute, täglich ihr Kreuz auf sich zu nehmen und sich selbst zu verleugnen. Sie siegen ebenso wie Gottes Lamm und erfüllen auch ein jegliches Wort in den besagten Kapiteln 5-7 im Matthäusevangelium. Und ja, dieses Leben steht nicht nur den Heiden offen, sondern auch den Juden. Aber die Theologen erklären es für sich und andere weg und sind in Ihrem Lager wichtig und erhaben. Sie hindern sich und andere ins Himmelreich zu kommen. Hüte sich, wer noch selber denken, lesen und glauben kann. Glück zu!

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    1. Die Gefangennahme, da hast Du recht, fand auf dem Ölberg statt, die Kreuzigung auf einem Hügel im NW der Stadt Jerusalem. Und was Theologen angeht, die die Du erwähnst, da gibt es solche und solche. Und für manche bin ich sehr dankbar für Ihre Haltung und ihren Glauben. Seien wir uns nicht so sicher, dass unser Standpunkt nicht auch einer Überprüfung und möglicherweise auch Anpassung bedarf.

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