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Die politische Kontroverse um die Siedlungspolitik

Die israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten stehen heute im Ruf, das einzige Hindernis auf dem Weg zu einem Frieden zwischen Israel und den Palästinensern zu sein. So verkündete es beispielsweise US-Präsident Barack Obama mit drei zweideutigen Sätzen in Kairo. Doch was steckt hinter der Siedlungspolitik?

Die ersten Siedlungen entstanden wenige Monate nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967, als Israel neben dem Westjordanland und dem Gazastreifen auch die ägyptische Sinai-Halbinsel und die syrischen Golanhöhen erobert hatte. Der von den Israelis erwartete „Telefonanruf“ arabischer Herrscher, über Frieden zu verhandeln und die eroberten Gebiete wieder abzustoßen, blieb aus. Schnell wurde klar, dass Israel das Westjordanland und Gaza nicht hätte „zurückgeben“ können. Beide Territorien gehörten zu keinem souveränen Staat. Die Vorbesitzer, Ägypten und Jordanien, waren genauso „Besatzer“, wie es bis heute die Israelis sind. Die hier lebenden „Araber“ hatten sich noch nicht als Volk mit Ansprüchen auf eine nationale Heimstätte etabliert. Von „Palästinensern“ ist erst seit 1968 die Rede, als Jasser Arafat die zweite Gründungscharta der PLO veröffentlichte.

Als sich herauskristallisierte, dass Israel auf diesen Gebieten „sitzen bleiben“ würde, der jüdische Staat aber nur über drei Millionen Einwohner verfügte und damit unter akutem „Personalmangel“ litt, galt es als unmöglich, diese Gebiete allein mit militärischen Mitteln (Stützpunkten und Patrouillen) unter Kontrolle zu halten. Die meisten der ursprünglich von Linksregierungen gegründeten Siedlungen entstanden in Militärstützpunkten auf strategisch wichtigen Hügeln. In die Militärbaracken zogen Familien ein. Erst um 1977, als Menachem Begin eine Rechtsregierung bildete, begann die Rede von einer „Siedlungspolitik“. Fortan ging es nicht mehr nur um militärische Bedürfnisse, sondern um die Umsetzung einer biblisch motivierten Ideologie, wonach das „Land Israel“ von Gott dem Volk Israel verheißen worden sei. Fortan wurden Siedlungen gezielt zwischen arabische Ortschaften gepflanzt, um einen israelischen Rückzug unmöglich zu machen.

Arafat schlug Angebot auf Siedlungsstopp aus

Damals war noch nicht die Rede von einem palästinensischen Staat. Erst 1988 verkündete Arafat die Absicht, in Gaza und im Westjordanland einen eigenen palästinensischen Staat errichten zu wollen. Ab dann wandelten sich auf beiden Seiten Sicht und Rolle der Siedlungen. Während Israel zunächst alles tat, die Entstehung eines palästinensischen Staates zu verhindern, verstanden die Palästinenser erst ab 1993, dass für ihren geplanten Staat nicht viel Land übrig bliebe, wenn sie nicht umgehend mit Verhandlungen begännen. Das war der Anstoß für die Osloer Verträge, die den Palästinensern eine beschränkte Selbstverwaltung in den arabischen Städten bescherten. 1982 hatte Begin in Camp David den Palästinensern eine umfassende Autonomie im ganzen Westjordanland und in Gaza angeboten. Die Einladung an die PLO, sich den Verhandlungen anzuschließen, ging sogar mit einem „Einfrieren“ der Siedlungen einher. Nachdem Arafat dieses Angebot ausgeschlagen hatte, war die israelische „Bauwut“ in den Siedlungen nicht mehr zu stoppen.

Spätestens seit den Osloer Verträgen und der Erkenntnis, dass die Palästinenser durch natürliche Vermehrung in absehbarer Zeit eine Mehrheit zwischen Jordan und Mittelmeer bilden würden, spaltete sich die israelische Gesellschaft in die Befürworter eines „Groß-Israel“ und jene, die für einen demokratischen jüdischen Staat plädierten. So entstand auch unter den Israelis ein breiter Konsens für einen palästinensischen Staat. Den machte sich Ariel Scharon zu Nutze, als er 2005 mit dem Abriss aller Siedlungen im Gazastreifen einen ersten Schritt in diese Richtung tat.

Seitdem sind das Dilemma und der innere Zwist bei den Israelis nur noch größer geworden. Die bequeme Formel „Land für Frieden“ erwies sich als gefährliche Worthülse angesichts der Raketen der Hamas aus dem Gazastreifen und der Hisbollah aus Libanon, aus dem sich Israel im Jahr 2000 zurückgezogen hatte. Weder unter Ehud Olmert noch unter Benjamin Netanjahu wurde eine klare politische Linie hierzu formuliert. Stattdessen bauen die Israelis weiter ihre Siedlungen und das Straßennetz aus, um nicht letztlich die Kontrolle über dieses Gebiet zu verlieren. Ihre Sorge: Ein Raketenbeschuss aus dem Westjordanland würde alle Ballungsgebiete von Haifa über Tel Aviv und Jerusalem bis Be´er Scheva akut gefährden. Die Palästinenser wiederum halten die Stein gewordene Realpolitik für ein Mittel der Israelis, sie in „Bantustans“ einzuzwängen und ihr künftiges Staatsgebiet zu zerstückeln, sodass ein lebensfähiger Staat in immer weitere Ferne rücke. Denn niemand glaubt, dass Israel den Willen oder die Kraft hätte, mehr als eine halbe Million Israelis ins Kernland zu verpflanzen. Dann müsste es das mit Milliardenaufwand seit 40 Jahren ausgebaute Siedlungsprojekt wieder zerstören, wie es Scharon im Gazastreifen mit nur 8.000 Siedlern und 27 Siedlungen durchgezogen hatte.

Nicht alle Friedenshindernisse visuell darstellbar

Zweifellos sind die Siedlungen ein „Hindernis“ für einen Frieden, das sich zudem sehr eindrücklich im Fernsehen zeigen lässt. Es gibt jedoch auch Hindernisse, die visuell kaum darstellbar sind, für Israel aber von ebenso existentieller Bedeutung sind: das von den Palästinensern geforderte Rückkehrrecht der Flüchtlinge etwa; die emotionale Beziehung zu Jerusalem; die Weigerung der Araber, Israel als „jüdischen Staat“ anzuerkennen; und nicht zuletzt die Vernichtungsdrohungen aus Iran, Gaza, Syrien und anderen Orten.

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