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Die Geschichte des jüdischen Sports

Zum Laubhüttenfest hat das Jüdische Weltsportmuseum seine Tore geöffnet. Auf 1.500 Quadratmetern sind 1.000 Exponate zu sehen. Sie umfassen die vergangenen 130 Jahre.
Von Israelnetz
Sportmuseum

In der Eingangshalle der frisch restaurierten Zentrale der Makkabi-­Weltunion (MWU) in Ramat Gan bei Tel Aviv hängt ein Surfbrett mit dem dazugehörigen Segel. Mit diesem Gerät gewann Gal Fridman 2004 seinen Titel bei den Olympischen Spielen in Athen. Es ist das erste Ausstellungsstück des neuen Jüdischen Weltsportmuseums – das auf einem ganzen Stockwerk beherbergt wird. Etwa 1.000 Exponate, Fotografien und kurze Filmaufnahmen lassen hier Geschichte und Geschichten des jüdischen Sports lebendig werden.

Die Ausstellung beginnt mit einem Film. Auf einer großen Wand werden Geschichten jüdischer Sportler der jüngeren Zeit erzählt: Die Turnerin Linoy Aschram, die russischen Zwillinge Dina und Arina Averina, der Stabhochspringer Alexander ­Averbuch – in kurzen Sequenzen erzählen sie von ihren Erfahrungen bei der Teilnahme an Olympischen Spielen. Sie sprechen von ihren Gefühlen bei Erfolgen und Niederlagen. Soweit für Sportler ganz gewöhnlich.

Negative Erfahrungen

Doch hier, im Jüdischen Weltsportmuseum, gibt es ein zusätzliches Element: Wie fühlt es sich an, den Sport als Jude inmitten einer nichtjüdischen Welt auszuüben? Israelische Sportler berichten: Aufregend sei es, vor den Augen aller Welt als Delegierter den jüdischen Staat vertreten zu dürfen. Manchmal sei das auch mit Irritationen und Schmerz verbunden. So erzählt der Judoka Ori Sasson, wie er 2016 in Rio de Janeiro einen ägyptischen Gegner besiegte. Nach dem Zweikampf schlug dieser die ausgestreckte Hand des Israelis demonstrativ aus.

Die Videowand öffnet sich und führt den Besucher auf eine auf den Fußboden gemalte Laufbahn. Mit ihrer Hilfe wird er durch das Museum navigiert. An den Wänden befindet sich die Zeitleiste mit den entsprechenden Ereignissen. „Besuchern soll das Judentum durch den Sport vermittelt werden“, erklärt der Student Liam. Seine Augen leuchten, als er die Ausstellungsstücke erklärt: „Das ‚Goldene Buch‘ des großen Sportclubs ‚HaKoach Wien‘ stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und enthält alle Namen des jüdischen Vereins, der neben dem Fußball auch für Boxen und Hockey bekannt war.“

Kfar HaMakkabia

Über neun Hektar erstreckt sich der Hotel- und Sportkomplex nahe des Nationalparks von Ramat Gan und der Schnellstraße 4. Neben der Hotelanlage befindet sich auf dem Gelände auch die Zentrale der MWU, in der knapp eine halbe Million Mitglieder aus 70 Ländern organisiert sind. Anlässlich der 5. Makkabiade wurde die Sportstätte 1957 als „Olympisches Dorf“ gebaut und ist seitdem Anziehungspunkt für Sportler aus aller Welt.

Die größte von der MWU ausgerichtete Sportveranstaltung ist die alle vier Jahre ausgetragene Makkabiade. Ähnlich den Olympischen Spielen ist das Ereignis in Israel ein Höhepunkt im Leben eines jüdischen Sportlers. Seine Geschichte wird prominent im Museum beleuchtet. „Immer wieder wird deutlich, wie sehr Sport und Politik miteinander verbunden sind“, erzählt Liam. „In Istanbul wurde mit ‚Makkabi Konstantinopel‘ 1895 der erste jüdische Turnverein gegründet, nachdem osmanische Sportler keinen Juden als Trainer akzeptieren wollten.“ Drei Jahre später folgte „Bar Kochba“ in Berlin – auch als Ergebnis der Rede von Max Nordau auf dem Zionistenkongress. Er hatte darin über das „Muskel­judentum“ gesprochen – und Juden zum körperlichen Training aufgefordert.

Zahlreiche Sportvereine folgten. Als Gründer der Makkabiade gilt Josef Jekutieli, der 1909, im Alter von zwölf Jahren, aus Russland nach Palästina eingewandert war. In Tel Aviv wurde eigens für diesen Wettkampf ein Stadion gebaut. Liam berichtet: „Zur ersten Makkabiade im Jahr 1932 kamen 390 Sportler aus 18 Ländern. Drei Jahre später waren es schon 1.350 Athleten aus 28 Ländern.“ Die dritten Spiele mussten auf sich warten lassen, doch seit 1953 werden die Spiele in Israel alle vier Jahre ausgetragen – lediglich die jüngsten Spiele wurden durch die Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben. Die Teilnehmerzahlen wuchsen stetig über die Jahre, 2017 und im Juli dieses Jahres waren es je 10.000 Sportler, den Rekord der teilnehmenden Länder stellte das Jahr 2017 mit 85.

Das „Jüdische Weltsportmuseum Iris Smith“

Benannt ist das neue Museum nach der Hauptsponsorin Iris Smith aus Amerika. Zum Eintrittspreis von 50 Schekel können sich Gruppen nach vorheriger Reservierung zu einer Führung anmelden, auch Einzelreisende sind willkommen. Bisher ist die Tour in Hebräisch, Englisch, Spanisch und Russisch zugänglich. Die Führung hat einen starken Bildungscharakter und richtet sich vor allem an jüngere Leute.

Ein großer Teil des Museums widmet sich dem dunkelsten Kapitel jüdischer Sportgeschichte: „Um die Düsterheit während der Naziherrschaft zu unterstreichen, ist die Laufbahn zu dieser Zeit unterbrochen.“ An der Wand wird die Geschichte der Olympischen Spiele 1936 in Berlin erzählt – um der Welt keinen Anlass zum Boykott zu geben, entfernten die Nazis die Schilder mit der Aufschrift „Zutritt für Juden verboten“.

Die Schwimmerin Judith Deutsch wurde mit 15 Jahren österreichische Meisterin im Freistil über 400 Meter und blieb in den 1930er Jahren österreichische Rekordhalterin über alle Kurz-, Mittel- und Langstrecken. Aus Protest gegen die NS-­Rassenideologie weigerte sie sich, an Olympia 1936 teilzunehmen. Daraufhin verfügte der Österreichische Schwimmverband eine lebenslange Sperre und erkannte ihr alle nationalen Titel ab. Im selben Jahr wanderte sie nach Palästina aus. Deutschs Name wurde von allen Listen der Bestleistungen getilgt. Erst 1995, in Vorbereitung auf das 100-jährige Jubiläum des Österreichischen Schwimmverbandes, wurde sie rehabilitiert, neun Jahre später starb sie im israelischen Herzlia.

Makkabi: Fackellauf und Name

Seit 1944 veranstaltet die MWU jährlich einen Fackellauf. Dieser startet in der Stadt Modi’in, aus deren Nähe der Vater des Judas Makkabäus stammen soll. Der Lauf soll die Prinzipien der Makkabi-­Bewegung symbolisieren: Heimatliebe, die Ausdauer des jüdischen Volkes, Freiheit und Beharrlichkeit. Der Name der Union leitet sich von den Makkabäern ab, sie führten den jüdischen Aufstand gegen die Seleukiden im zweiten Jahrhundert vor Christus an.

Ein anderer Einspieler zeigt die Boxerin Hagar Finer, mehrfache Meisterin im Bantamgewicht. Heute arbeitet sie als Trainerin. Als ihr großes Vorbild nennt sie den Sport-Journalisten Noah Klieger. Dieser war in Auschwitz auf ungewöhnliche Weise zum Boxen gekommen. Er verstarb im Jahr 2018, doch im Museum in Ramat Gan erzählt er auf der Leinwand seine Geschichte: „In Au­schwitz hat niemand überlebt, wenn nicht durch viele Wunder.“

Eines dieser Wunder war die Box-Leidenschaft des Kommandanten von Auschwitz Heinrich Schwarz. Zu seinem Vergnügen ließ er Boxkämpfe unter den Häftlingen austragen – und fragte nach Boxern. Der schmächtige 16-jährige Klieger meldete sich spontan, obwohl er keine Erfahrung hatte. „Unter anderem half mir Victor Perez, ein jüdischer Boxer aus Tunesien.“ Perez soll etwa 140 Boxkämpfe vor Angehörigen der SS-Wachmannschaften gekämpft haben und ungeschlagen geblieben sein. Auf dem Todesmarsch nach der Auflösung des Lagers wurde er erschossen. Klieger ist überzeugt: „Hätte Perez mich auffliegen lassen, wäre ich dran gewesen. Aber so bekam ich regelmäßig eine richtige Suppe, mit Kartoffeln und Fleisch.“

Finer möchte ihren Schützlingen im Training mitgeben, dass alles möglich ist. Auch wenn die Umwelt das Gegenteil behauptet und die Gegner noch so unbesiegbar erscheinen. Vielleicht ist das die Hauptbotschaft des neuen Museums, das mit dem Slogan der MWU wirbt: „450.000 Mitglieder, 70 Länder, 6 Kontinente, 1 Volk – auf der ganzen Welt scheint die Sonne immer auf Makkabi.“ (mh)

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Eine Antwort

  1. Sehr interessant, obwohl ich als Mitglied des atheistischen Volkes eher ein Fan des atheistischen Sports bin.

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