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Die arabische Revolution zeigt ihre Stacheln

Unerwartet kam die arabische Revolution nicht, auch wenn sie so ziemlich alle überraschte. Es war seit langem bekannt, dass die arabischen Diktatoren sich in ihren Methoden und im Umgang mit der Zivilbevölkerung nur unwesentlich vom ehemaligen Ostblock unterscheiden.

Die „Muchabarrat“ genannten Inlandsgeheimdienste reichen jeder Stasi oder Securitate seit langem das Wasser – wurden nicht selten von diesen ausgebildet. Das gilt mit unterschiedlicher nationaler Couleur von Marokko bis zum Jemen – auch, wenn ein Diktator den Titel „König“ geerbt hat, im Westen ausgebildet wurde und einen durchaus sympathischen Eindruck macht. „30 Jahre Notstandsgesetze und Unterdrückung“, fasst ein Passant auf der Straße in Kairo die Regierungszeit des ägyptischen Präsidenten Mubarak zusammen.

Ganz aus dem Ärmel geschüttelt ist es deshalb nicht, wenn der amerikanische Fernsehsender CNN das Aufbegehren der Straßen Arabiens bewundernd mit dem Fall des Eisernen Vorhangs vergleicht. Der Haken an der Sache ist nur, dass dieses Mal die so genannte „Freie Welt“ auf Seiten der Unterdrücker steht, deren Throne jetzt bedenklich schwanken. Deshalb schweigt sie betreten, fordert kleinlaut Gewaltlosigkeit, als könne dadurch jahrzehntelanges Schweigen zu Folter und Ungerechtigkeit wettmachen.

Die Botschaft ist eindeutig und wird im Orient verstanden: Im christlichen Abendland herrscht das Recht des Stärkeren – solange Diktatoren die Oberhand haben, werden sie hofiert und mit Milliardenbeträgen unterstützt. Wenn sich die Massen auflehnen, kehrt gespannte Stille ein. Sobald klar wird, dass sich Soldaten von Demonstranten umarmen lassen, wird das Volk bejubelt, ist der Aufstand gegen die Staatsgewalt eine gerechte Sache. Und dann findet auch der mächtigste Mann der Welt wieder Worte: „Ich habe Mubarak doch gesagt, er müsse seine Versprechen erfüllen“, erinnert er sich altklug. Die Meinungsverschiedenheit zwischen dem amerikanischen Präsidenten und seinem ägyptischen Amtskollegen blieb von Wikileaks bislang unentdeckt. Ach ja, und noch eins lehrt die offizielle Reaktion des Westens: Es lohnt sich nicht, ein Freund der freien Welt zu sein, weil auf die im Ernstfall kein Verlass ist. Wer verliert, den bestraft das Leben. Aber das ist ja wohl selbstverständlich beim politisch praktizierten Sozialdarwinismus.

Und nun? – Was nach dem Sturz der Diktatoren kommt, wagt niemand zu prophezeien. Der Nachrichtensender „France 24“ beschwört die „Moslembruderschaft als kleine Minderheit in ihrem Land“. Schon wenige Tage nach der Vertreibung des tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali nach Saudi-Arabien gehen in Tunis die Frauen auf die Straße und verkünden: „Wir wollen nicht ins 6. Jahrhundert zurück!“ Israel fürchtet laut schweigend um seine Friedensverträge und ermahnt seine Freunde, die Kritik an Mubarak nicht zu übertreiben. Syriens Präsident weiß: Wir sind in einer besseren Lage, weil wir die Hypothek eines Friedensvertrags mit Israel nicht mit uns herumschleppen. Im Iran deutet man die arabische Revolution zufrieden als „Manifestation der islamischen Revolution, die den Nahen Osten und die Welt des Islam“ erobert. Westliche Kommentatoren bemühen sich verzweifelt zu sehen, dass die tobenden Massen nicht radikale Moslems, sondern freiheitsliebende Araber sind.

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