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Die „Allianz“: Hilfe für Juden in islamischen Ländern

Die jüdische Organisation „Alliance-Kol Israel Haverim“ hat in den vergangenen 164 Jahren vor allem in muslimischen Ländern für eine gute Ausbildung von Juden gesorgt. In einem virtuellen Museum können Interessierte ihre Geschichte nun erkunden.
Von Jörn Schumacher

Die „Alliance-Kol Israel Haverim“ („Allianz-Ganz Israel sind Freunde“, KIAH) wurde am 17. Mai 1860 in Paris gegründet. Sie sollte sich für Bildung, jüdische Werte und gleiche Bürgerrechte für Juden weltweit einsetzen. Auslöser dafür waren verschiedene Faktoren.

Zum einen war es die Ritualmordanklage gegen in Damaskus lebende Juden im Jahr 1840, die als „Damaskusaffäre“ bekannt wurde. Hinzu kam die Entführung des jüdischen Jungens Edgardo Mortara 1858 in Bologna durch die katholische Kirche, die erst vor kurzem im Kino-Spielfilm „Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes“ (2023) nacherzählt wurde.

Und schließlich gab es die besorgniserregende Armut unter Juden in den den Maghreb-Staaten. Die erste öffentliche Initiative der Allianz war 1860 eine Spendensammlung für Christen im Libanon. die das Ziel drusischer Übergriffe geworden waren.

Schulen gegründet

Die Alliance gründete mehrere Schulen in muslimischen Ländern, zunächst im Osmanischen Reich. Die Organisation hat insgesamt die Gründung von 280 jüdischen Schulen auf dem Balkan, im Nahen Osten und in Nordafrika initiiert, sie setzte sich aber auch für Bildung für Frauen ein. Außerdem bildete sie zahllose Pädagogen, Gemeindevorsteher und Rabbiner aus. Auch die Wiederbelebung der hebräischen Sprache war ein Ziel der Tätigkeiten.

Zudem richtete die „Allianz“ 1870 mit „Mikve Israel“ die erste jüdische Landwirtschaftsschule im damaligen Palästina ein. In den darauf folgenden Jahren eröffnete sie in Jerusalem, Haifa, Tiberias und in Jaffa Schulen.

All dies ist nun in einem neuen „virtuellen Museum“ nachlesbar. Das „Alliance Museum“ soll eine Brücke sein zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wie die Initiatoren mitteilen. Die Website lässt den Museumsbesucher wie in ein Gebäude eintreten. Er gelangt in eine Eingangshalle. Dort hängen viele Fotos an den virtuellen Wänden, die er durch Anklicken vergrößern kann.

Zu finden sind Hunderte Dokumente, darunter Fotos und Videos, zur Geschichte der „Alliance Israélite Universelle“, wie die Organisation im Französischen heißt. Die Inhalte sind dabei in den Sprachen Hebräisch, Spanisch und Französisch verfügbar, jedoch leider nicht auf Englisch. Die Navigation zum Starten ist sogar nur auf Hebräisch möglich.

Bildung als Mittel gegen Diskriminierung

Auf einem Foto sieht man etwa die Stadt Sousse in Tunesien. Hier lernten Mädchen etwas über Religion, klärt ein Text auf. „In der Antike herrschte in diesen Ländern die allgemein verbreitete Ansicht vor, dass das Erlernen von Hebräisch und Religion für junge Mädchen nicht so wichtig sei. Unsere Schulen waren gegen diese Sichtweise. Wir sind überzeugt, dass das, was wir erreicht haben, einen großen Nutzen für das Judentum darstellt.“

Weiter erfährt der Nutzer, dass 1878 die erste Schule in der Stadt Tunis eingeweiht wurde. „Bereits im ersten Jahr studierten mehr als tausend Schüler an dieser Schule.“

Auf einem anderen Foto sieht der Besucher die „Straße der Juden“ in der syrischen Hauptstadt, und es heißt im Erklärungstext: „In Damaskus lebten vor dem Krieg 300.000 Einwohner, darunter 20.000 Juden.“ Die Juden sowie die christliche Minderheit bewohnten ein besonderes Viertel, due „Straße der Juden“. Es sei wie ein Ghetto mit engen Gassen gewesen, heißt es.

Wir erfahren durch einen Klick auf ein Foto an der Wand, dass die abgebildeten Frauen Rachel und Amélie Rika sind, Schülerinnen in Damaskus im Jahr 1938. „Die Schulleiterin hieß Frau Zilberstein, ihr Mann war der Schulleiter der Jungenschule. Nach Hitlers Machtergreifung änderten sie ihren Namen in Silber.“

Weiter heißt es, die Allianz habe für die Bildung in jenen Jahren eine wichtige Rolle gespielt. Denn ohne Wissen und Gelehrsamkeit könne sich schließlich jeder Mensch „in ein Monster verwandeln“.

„Ein Mädchen aus Damaskus“

Rachel Rika Bierenbaum wurde 1921 in Damaskus geboren. Wie ihre Schwester Amélie studierte auch sie an der Alliance-Schule in Damaskus. „Sie war eine sehr gute Schülerin und bestand erfolgreich die staatlichen Bildungsprüfungen, die es ihr ermöglichten, an Grundschulen zu unterrichten. Sie ging 1944 nach Israel und ließ sich in Afula nieder.“ Rachel Rika schrieb im Jahr 2000 ihr autobiografisches Buch „Ein Mädchen aus Damaskus“.

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In Videos werden weitere Menschen gezeigt, die in den muslimischen Ländern aufwuchsen, bei den Allianz-Schulen eine jüdische Bildung genossen und später nach Israel auswanderten. Auf der Weltkarte (ein Globus) kann der Nutzer beispielsweise auf die Türkei klicken und erfährt, dass 1873 in Izmir die Allianz-Schule gegründet wurde.

Ein Foto zeigt die „Alliance School“ in Teheran. Im Iran markierte die Gründung dieser Schule einen Wendepunkt für die jüdische Gemeinde in einer Zeit der Not, heißt es dort. 1898 wurde die erste KIAH-Schule in Teheran eröffnet, nachdem Rabbi Jizchak, Irans jüdischer Leiter, dazu aufgerufen hatte, der Verfolgung entgegenzuwirken. Unterstützt von Nasser al-Din Schah Qajar, ermöglichte die Schule 400 Schülern den Unterricht. Dies half dabei, Diskriminierung abzubauen.

Das Netzwerk der „Allianz“ expandierte rasch. Allein in Teheran gab es sieben Schulen und in Städten wie Isfahan, Hamadan und Kermanschah 27 weitere, deren Lehrerr jährlich 1.800 Schüler unterrichteten. 1899 wurde eine Mädchenschule gegründet, und 1917 wurden Hebräisch und Judaismus in den Lehrplan aufgenommen.

KIAH ruft Personen mit persönlichen oder familiären Bindungen zu Alliance-Schulen dazu auf, Artefakte, Dokumente oder Erinnerungen beizusteuern. Damit will die Organisation die wachsende Sammlung des Museums erweitern.

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4 Antworten

  1. Sehr interessanter Artikel. Über die Geschichte der Juden in arabischen/moslemischen Ländern weiss man allgemein zu wenig, auch über deren Vertreibung nach der Gründung des Staates Israel. Ich habe mich für dieses Thema interessiert, als ich meinen künftigen Mann – den besten von allen – kennenlernte, der aus einer sephardischen Familie aus Tunis stammt. Sie mussten Tunesien im Jahr 1956 verlassen, wie so viele andere Juden, die aus arabischen Ländern vertrieben wurden.

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  2. Text: Zudem richtete die „Allianz“ 1870 mit „Mikve Israel“ die erste jüdische Landwirtschaftsschule im damaligen — — Palästina—- ein. In den darauf folgenden Jahren eröffnete sie in Jerusalem, Haifa, Tiberias und in Jaffa Schulen. Ist das sicher ??? Die Engländer haben aus dem oslamischen Palästina gemacht oder sehe ich das falsch ???

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  3. Danke für den Bericht. Auch über dieses Thema erfährt die „Welt-Öffentlichkeit“ zu wenig.
    Die Verteibung der Juden aus arabischen Ländern ist auch ein wichtiges Thema und Argument für ein zionistisches Israel !
    In dem Bericht ist auch von Teheran die Rede. Gerade dort hat sich ja die Lage seit 1979 dramatisch verschlechtert.

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