Dialog mit Juden – und einseitige Kritik an Israel

Katholisch-jüdischer Dialog lag dem verstorbenen Papst Franziskus am Herzen. Antisemitismus prangerte er an. Doch seine Haltung zum Gazakrieg empfanden viele Israelis als einseitig.
Von Israelnetz

Der am Ostermontag verstorbene Papst Franziskus hat den Dialog mit Juden gefördert. Gleichzeitig irritierte er durch kritische Äußerungen über Israel.

Besonders nach dem Terrormassaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen verschärfte sich der Ton in den Botschaften des katholischen Kirchenoberhauptes. Und wenn er doch einmal die Freilassung der Geiseln forderte, setzte er meist Kritik an der israelischen Kriegsführung nach.

Noch bei seinem letzten öffentlichen Auftritt am Ostersonntag im Vatikan bemühte sich Franziskus offenbar um Ausgewogenheit: In einer in seinem Namen verlesenen Begleitbotschaft zum Segen „Urbi et orbi“ appellierte er an die Kriegsparteien: „Ruft eine Feuerpause aus, entlasst die Geiseln und kommt einem hungernden Volk zur Hilfe, das sich nach einer Zukunft des Friedens sehnt.“

Direkt nach dem 7. Oktober sagte Franziskus, er bete für die Familien, die erlebt hätten, wie ein Festtag sich in einen Tag der Trauer verwandelte. Und er forderte die sofortige Freilassung der Geiseln.

Treffen mit Familien von Geiseln – und mit Palästinensern

Als später Angehörige von Geiseln um ein Treffen baten, hieß es zuerst, er sei zu beschäftigt. Dann änderte der Papst seine Meinung – und stellte eine Bedingung: Er wollte auch Palästinenser aus Gaza treffen und ihre Gedanken über Israels Angriffe hören.

Sein „Versuch, Israels Selbstverteidigungskrieg mit Aktionen der Hamas auszubalancieren, dauerte anderthalb Jahre an“, schreibt Yvette Alt Miller auf der jüdischen Website „Aish“. Er habe Israel kritisiert, weil es Zivilisten tötete, aber nicht die Hamas kritisiert, weil sie Terroristen und Raketenwerfer in zivilen Gebäuden aufstellte.

Ärger über Krippenszene und Buchveröffentlichung

Für Ärger sorgte im Dezember 2024 eine Krippenszene in der Audienzhalle im Vatikan, die zwei Künstler aus Bethlehem gestaltet hatten. Da war das Jesuskind in ein Palästinensertuch gehüllt. Nach Kritik unter anderem vom römischen Oberrabbiner Riccardo Di Segni wurden Kind und Tuch entfernt.

Auch ein einen Monat zuvor veröffentlichtes Buch sorgte für Furore. Darin kritisiert Franziskus Israel wegen der sich verschlimmernden Lage im Gazastreifen. Dort drohe eine „Hungersnot“.

Der Papst schrieb: „Im Nahen Osten, wo die offenen Türen von Nationen wie Jordanien oder dem Libanon weiter Rettung für Millionen sind, die vor Konflikten in der Region fliehen: Ich denke vor allem an diejenigen, die Gaza mitten in der Hungersnot verlassen, die ihre palästinensischen Brüder und Schwestern geschlagen hat angesichts der Schwierigkeit, Lebensmittel und Hilfsgüter in ihr Gebiet zu bekommen.“

Dabei erwähnte er nicht die Hisbollah im Libanon und ihre Angriffe auf Israel, merkt die amerikanische Nachrichtenseite „Algemeiner“ kritisch an. Dass in Jordanien etwa 174.000 Palästinenser ohne Wahlrecht oder Anrecht auf Staatsbürgerschaft lebten, sei ebenfalls ausgelassen worden.

Klarstellung: „Nicht Genozid behauptet“

Weiter merkte der Papst an: „Gemäß einigen Experten hat das, was in Gaza geschieht, die Züge eines Genozids. Es sollte sorgfältig untersucht werden, um festzustellen, ob es zu der technischen Definition passt, die von Juristen und internationalen Körperschaften formuliert wurde.“

Später bemühte er sich um Klarstellung: „Ich habe nicht behauptet, dass Israel einen Genozid verübt habe. Mir wurde Material aus dem Krieg gezeigt, und ich sagte, wenn das wahr ist, dann muss es untersucht werden. Ich verstehe, was in Gaza passiert. Ich denke, die Hamas sollte nicht länger in der Welt existieren, aber der Krieg sollte auch nicht verlängert werden.“

Israelreise mit Gebet an Bethlehem-Mauer

Eine seiner ersten Auslandsreisen als Papst führte Franziskus 2014 nach Israel. Er steckte einen Gebetszettel in die Ritzen der Klagemauer und besuchte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Auch am Grab des Begründers des politischen Zionismus, Theodor Herzl, verweilte er.

Bei seinem Besuch in Bethlehem kam er an der Sicherheitsanlage vorbei, die Israel gegen Terroranschläge schützen soll. Sie besteht aus Zaun und Mauer. An einem Abschnitt, auf dem Graffiti Bethlehem mit dem Warschauer Ghetto verglichen, bat der Pontifex seinen Fahrer, anzuhalten. Er stieg aus und verharrte mehrere Minuten im Gebet, was viele Menschen in Israel verärgerte.

Auf positive Resonanz stieß die lange erwartete Öffnung der Archive im Vatikan für die Forschung. Franziskus benannte die „Geheimarchive“ in „Apostolische Archive“ um. Die Öffnung ermöglicht es Wissenschaftlern, die Rolle der römisch-katholischen Kirche im Holocaust zu erforschen.

Dialog mit Juden und Muslimen

Der katholisch-jüdische Dialog lag Jorge Mario Bergoglio am Herzen. Bereits als Erzbischof der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires pflegte er gute Beziehungen mit Juden und eine enge Freundschaft mit Rabbi Abraham Skorka, mit dem er ein Buch veröffentlichte.

Er prangerte Antisemitismus an, etwa bei einem Besuch in der Großen Synagoge von Rom. Im Februar 2024 erklärte er, die römisch-katholische Kirche „weist jegliche Form von Antijudaismus und Antisemitismus zurück“. Er fügte an: „Hass gegen Juden und Judentum ist eine Sünde gegen Gott.“

Im Jahr 2013 schrieb er in der Schrift „Evangelii Gaudium“: „Gott arbeitet weiter unter dem Volk des Alten Bundes und bringt Schätze der Weisheit hervor, die von seiner Begegnung mit dieser Welt fließen. Aus diesem Grund wird die Kirche auch reicher, wenn sie die Werte des Judentums empfängt.“

Auch auf Muslime ging der Papst zu, unter anderen auf den Imam der Al-As’har-Moschee in der ägyptischen Hauptstadt Kairo, Scheich Ahmed al-Tajeb. Er stellte eine „Bruderschaft“ fest. Dabei entging ihm offenbar die judenfeindliche Haltung des Imams. Dabei merkte selbst die Vatikan-Zeitung „L’Osservatore Romano“ an, Al-Tajeb mache „alle zwei Minuten“ eine antisemitische Bemerkung. Statt von Israel sprach der Imam stets vom „zionistischen Gebilde“. Nach dem 7. Oktober lobte er die Hamas. Franziskus prangerte dies nicht an.

Der verstorbene Papst bezeichnete „Palästina“ als „Staat“. Er verfügte 2015, dass der Vatikan das Gebiet offiziell als Land anerkenne. Treu stellte er sich seit Kriegsbeginn an die Seite der kleinen katholischen Gemeinde in Gaza: Er rief jeden Abend Gläubige an, selbst als er bereits todkrank war.

Hamas würdigt Eintreten gegen Aggression und Rassismus

Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas (Fatah), würdigte den Papst nach dessen Tod als „treuen Freund des palästinensischen Volkes“. Die Terror-Organisation Hamas sprach von einer prominenten moralischen Stimme, die sich gegen „Genozid und Kriegsverbrechen gegen Palästinenser im Gazastreifen“ erhoben habe: „Papst Franziskus war eine der prominentesten religiösen Figuren, die Aggression und Rassismus ablehnten. Er setzte sich unermüdlich für Verständnis, Frieden und Menschlichkeit ein.“

Der israelische Staatspräsident Jizchak Herzog betonte am Montag die Bedeutung des verstorbenen Kirchenoberhauptes für Christen in aller Welt. Franziskus sei ein „Mann tiefen Glaubens und grenzenlosen Mitleids“ gewesen. „Er sah zu Recht eine große Bedeutung in der Förderung starker Beziehungen mit der jüdischen Welt und im Voranbringen des interreligiösen Dialogs als Pfad zu einem größeren Verständnis und gegenseitigem Respekt.“

Das Regierungsamt kondolierte erst am Donnerstag auf X: „Der Staat Israel bekundet der katholischen Kirche und der kathlischen Gemeinde weltweit sein tiefstes Beileid zum Tod von Papst Franziskus. Möge er in Frieden ruhen.“ Israels amtierender Botschafter beim Heiligen Stuhl, Jaron Sideman, erwies am dem im Petersdom aufgebahrten Papst die letzte Ehre.

Jerusalemer Patriarch als Nachfolger gehandelt

In den kommenden Wochen wird das Konklave im Vatikan einen Nachfolger für Papst Franziskus wählen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern wird das neue katholische Kirchenoberhaupt nach der Schoa geboren sein. Denn das Höchstalter beträgt 79 Jahre.

Als ein möglicher Name für die Nachfolge des Argentiniers wird der italienische Kardinal Pierbattista Pizzaballa gehandelt. Der 60-Jährige ist derzeit katholischer Patriarch im Nahen Osten. Sein Amtssitz befindet sich in Jerusalem. Zwischen 2004 und 2016 war er Kustos für die katholischen Pilgerstätten im Heiligen Land. Der Absolvent der Hebräischen Universität Jerusalem spricht Arabisch und Hebräisch. In einer Videobotschaft würdigte er Franziskus für dessen konsequentes Eintreten gegen den Krieg in Gaza, wie die „Jüdische Allgemeine“ berichtet. (eh)

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3 Antworten

  1. Um Himmels willen nicht Pizzaballa! Er ist weitaus schlimmer als Franziskus und hat nicht einmal die Entschuldigung einer mangelnden Kenntnis der Lage. Ich kann nur hoffen, daß der Heilige Geist die Kardinäle berät. Bei der Gelegenheit könnte er auch bei Trump vorbeischauen, der zur Beisetzung nach Rom kommt.

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    1. Antonia, schöner Kommentar. Kirche: OT: Auf dem Kirchentag sagte ein evg. Pfarrer: Wir sind alle Gender. Hatte der sonst nichts zu predigen?
      Welt berichtete heute aus Rom. Ein “ Gläubiger“ sagte, konnte am Sarg wegen den vielen Leuten nicht mal ein Selfie machen.
      !!!!!!!!! Shabbat Shalom

      0

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