„Naiv“ sei er und möglicherweise „einer Gehirnwäsche unterzogen“, soll Israels legendäre Premierministerin Golda Meir Anfang der 70er Jahre gegen ihren damaligen Botschafter in Washington gewettert haben. Der setzte sich für Kompromissbereitschaft bezüglich eines Zwischenabkommens mit Ägypten ein. Sein Name: Jitzchak Rabin.
Geschildert wird die Anekdote in der Rabin-Biographie von Itamar Rabinovich, die in diesem Jahr auch auf Deutsch erschienen ist. Rabinovich war bei den Friedensinitiativen der 90er Jahre Chefunterhändler Rabins für Syrien.
Mit seinem Buch liefert er auch Antworten auf ebenjene Frage, die vielleicht sogar schon Anfang der 70er Jahre – noch weit weg vom Oslo-Friedensprozess – in Meirs Aussagen mitschwang: Wie wurde aus dem einstigen Palmach-Kämpfer, der im Sechs-Tage-Krieg als Armeechef maßgeblich dazu beitrug, dass sich das israelisch kontrollierte Territorium verdreifachte, ein Mann, der von Teilen der Linken als Friedenstaube, von vielen Rechten als Attentäter gegen israelische Sicherheitsinteressen gesehen wird?
Rabins Entwicklung war konsequent
Rabinovich arbeitet Rabins Weg eng angelehnt an die Geschichte des jüdischen Staates heraus. Er lässt den zurückhaltenden Mann in gutem Licht erscheinen, versucht ihn aber zugleich zu entideologisieren. Dabei zeichnet er das Bild eines Politikers, für den das Streben nach Frieden mit dem nach Sicherheit „untrennbar verknüpft“ war. Keine 180-Grad-Wende also, sondern eine konsequente Entwicklung vom Soldaten hin zum Staatsmann. Die Feststellung des Autors, Rabin sei als Politiker „eine Taube, in militärischer Hinsicht aber ein Falke“ gewesen, erscheint in dieser Darstellung nicht mehr als Widerspruch.
Zugleich entsteht das Bild eines steinigen und mühevollen Weges. Die erste Amtszeit Rabins als Premier erscheint als schwach und wenig mutig. An ihrem Ende stand „der erste reale Machtwechsel in der israelischen Politik“, die Regierungsübernahme durch Menachem Begin und seinen Likud. Begin schloss schließlich den Frieden mit Ägypten, den Rabin vorbereitet hatte. Es ist einer jener Aspekte, die Rabin im Nachhinein auch als tragische Figur erscheinen lassen.
Viel schlimmer ist aber natürlich die Ermordung Rabins durch einen jüdischen Rechtsextremisten 1995. Die ganze Tragik dessen erschließt sich erst in einer Gesamtschau auf Rabins Leben, wie sie diese Biographie liefert. Der Autor fasst es so zusammen: „In einer seltsamen Wendung der Geschichte war ausgerechnet Jitzchak Rabin, der Architekt des großen militärischen Sieges von 1967 […], dazu berufen, mit diesem zweifelhaften Segen umzugehen und schließlich dafür mit seinem Leben zu bezahlen.“
Itamar Rabinovich: „Jitzchak Rabin. Als Frieden noch möglich schien. Eine Biographie“, Wallstein, 307 Seiten, 24,90 Euro, ISBN: 978-3-8353-3452-6
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Von: Sandro Serafin