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Der geflüchtete Soldat

Der Spielfilm „Der verschwundene Soldat“ handelt von einem 18-Jährigen, der psychisch vom Wehrdienst überfordert ist. Die israelische Armee kommt hier nicht gut weg.
Von Jörn Schumacher

Der Spielfilm „Der verschwundene Soldat“ handelt von einem 18-Jährigen, der psychisch vom Wehrdienst überfordert ist. Die israelische Armee kommt hier nicht gut weg.

Die Hauptfigur des Films „Der verschwundene Soldat“, Schlomi Aharonov, ist etwas naiv und Soldat der Golani-Brigade. Diese Einheit im echten Staat Israel hat seit seiner Gründung 1948 an allen Konflikten teilgenommen, in die das Land verwickelt war – der Suezkrise, dem Sechs-Tage-Krieg, dem Abnutzungskrieg, dem Jom-Kippur-Krieg, der Operation Entebbe, dem Ersten und Zweiten Libanonkrieg sowie in mehreren Operationen während der ersten und zweiten Intifada. Sie ist also ein ziemlich verdienstvoller Teil der israelischen Armee.

Der Spielfilm „Der verschwundene Soldat“ erzählt die fiktive Geschichte eines 18-Jährigen, der lieber zu seiner Freundin läuft, im Meer schwimmt und Menschen bestiehlt, als in dieser Einheit zu dienen. Am Donnerstag kam er in die deutschen Kinos.

Regisseur Dani Rosenberg, der auch am Drehbuch mitschrieb, wurde in Tel Aviv-Jaffa geboren. Zwei seiner Kurzfilmen waren 2011 auf der Berlinale vertreten, sein Spielfilm „The Death of Cinema and My Father Too“ lief 2020 bei den Filmfestspielen von Cannes, seine Serie „Milk & Honey“ lief 2018 auch im deutschen Fernsehen. „Der verschwundene Soldat“ ist Rosenbergs zweiter Spielfilm, er wurde noch vor dem 7. Oktober 2023 und den jüngsten Ereignissen in Gaza produziert.

Informationen über Angriffe vage

Schlomi ist zunächst in seiner Armeeeinheit bei einem nicht weiter definierten Einsatz im Gazastreifen. Der Dienst ist eintönig, viel Warterei wird gezeigt, nachts harren die Soldaten stumm aus und starren nach draußen. Da ist nichts Heldenhaftes an dieser Armee. Der Feind wiederum, gegen den es geht, wird nicht gezeigt. Nur eine Leiche hier und da, eine alte Frau sowie spielende Kinder.

Schlomi reicht es, er entfernt sich von der Truppe, rennt einfach los. Er stiehlt ein Auto und fährt erst zum Haus seiner Eltern, dann zur jungen Shiri, in die er verliebt ist. Nur über die Nachrichten im Rundfunk bekommt der Zuschauer ein wenig über die Vorkommnisse im Land mit: einen schweren Artilleriebeschuss auf die „Zentralregierung“ habe es gegeben, „viele Menschen starben“. Immer wieder durchbrechen Bombenalarme das Geschehen, dann werfen sich die Menschen kurz auf die Straße, wirklicher palästinensischer Terror wird nicht gezeigt – und damit womöglich ein Grund für die Verteidigungsmaßnahmen der Armee im Süden.

Zusammenbruch Schlomis steht für Zusammenbruch der Gesellschaft

Schlomi, der in seiner Uniform und mit seinem Gewehr vom hohen Ansehen der Armee profitiert, nutzt seine Mitmenschen aus. Am Strand salutiert ein Ehepaar vor ihm: „Sie sind das Herz unseres Landes!“ Doch Schlomi wird dieser Ehre nicht gerecht, anstatt seinen Dienst im Gazastreifen zu leisten, schwimmt er lieber im Meer, anschließend raubt er das Paar aus, mit deren Fahrrad, Handy und Kreditkarte lässt er es sich gut gehen und schindet Eindruck bei Shiri.

Schließlich erfährt Schlomi, dass er als vermisst gilt und die Armee ihn sucht, aber davon ausgeht, dass er bereits ermordet wurde. Die Nachrichten konzentrieren sich auf diesen „zweiten Gilad Schalit“, und Schlomi registriert, welche landesweiten Auswirkungen seine Tat hat. Wurden nicht in der Vergangenheit Hunderte, wenn nicht Tausende palästinensische Gefangene freigelassen für den Austausch nur eines Soldaten?

Sympathie kann man für diesen 18-Jährigen kaum aufbringen, der mehrfach kriminell wird, psychisch labil ist und in Zivilkleidung mit einem Gewehr durch die Stadt rennt. Regisseur Rosenberg lässt die Armeeangehörigen, die sich Sorgen um den „verschwundenen Soldaten“ machen, wie Trottel aussehen. Schlomis Mutter hat ihren Sohn längst lebend getroffen. Soll es lustig sein, wenn sie dann den Offizieren immer wieder versichert: „Mein Sohn lebt“ und die dann ihr Verhalten abtun als Folge einer Trauma-Erfahrung?

Soll es lustig sein, wenn Schlomis Vater im Krankenhaus landet und erzählt, eine Rakete habe ein Gebäude in seiner Nähe getroffen, er habe einen Herzinfarkt erlitten, und er dann sagt: „Ich bin offiziell Opfer eines Terroranschlags“? Er fügt hinzu: „Damit schind‘ ich Eindruck.“ Wer schindet in Israel Eindruck damit, Opfer eines Raketenangriffs zu sein?

Lustig wäre das Desertieren eines 18-Jährigen, weil er lieber zu seiner Freundin will, der dann von der Armee gesucht wird und in den Nachrichten Thema Nummer 1 ist, in der Realität ohnehin nicht. Tatsächlich ist Schlomi zunehmend verwirrt, er überfällt mit seinem Gewehr eine Familie und baut einen schweren Unfall mit einem gestohlenen Auto. Den Mut, sich einfach wieder in seiner Einheit zu melden, kann er nicht aufbringen.

Armee als „grausames System zur Unterdrückung der Palästinenser“

Man könnte Schlomi als Jugendlichen sehen, der aus Angst vor dem Armeedienst flüchtet. Doch so einfach wollte es sich Regisseur Rosenberg nicht machen. Die Idee für den Film sei ihm aufgrund eigener Erlebnisse gekommen, sagte er zunächst gegenüber der Presse. Er habe als 18-Jähriger eines nachts allein in einem Militärlager in der Wüste Wache geschoben und sei irgendwann weggerannt. In der Dunkelheit verließ ihn der Mut, er kehrte in seine Einheit zurück.

Mit seinem Film wolle er aber durchaus eine politische Botschaft vermitteln, sagte er. Er wolle entschlüsseln, warum er die Flucht damals nicht vollständig durchführte „und warum ich auch heute noch, inmitten der gewalttätigen Realität draußen und im Wissen um die Taten meines Landes, hier bleibe und im Wesentlichen weiter kollaboriere“. Rosenberg weiter: „Schlomi entzieht sich seinen Pflichten, die ihn in ein grausames und ungerechtes System zur Unterdrückung und Kontrolle der Palästinenser eingegliedert hätten.“ Soll Deserteur Schlomi am Ende ein Held sein?

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Seltsam, dass Rosenberg Schlomi keineswegs für einen ängstlichen und gefährlichen, weil verwirrten und bewaffneten Deserteur hält, sondern für einen „naiven Träumer“, der von den Legenden der jüdischen Märchen geprägt ist“. Ist das Überlebenwollen vielleicht solch ein jüdisches Märchen? Schlomis persönliche Identität „erodiere“, sagt Rosenberg, und diese Erosion spiegele sich auch in der Entwicklung des Landes Israel wider.

Den Grund für die Existenz der israelischen Armee, für die Einsätze im Gazastreifen und anderswo in den Palästinensergebieten, zeigt dieser Film nicht. Vielleicht ist ja eigentlich derjenige, der den palästinensischen Terror ausblendet und stattdessen Ungerechtigkeit und Unterdrückung bei der israelischen Armee sucht, ein Träumer?

Gäbe es die Armee nicht, in der Schlomi diente, gäbe es vielleicht keine getöteten Palästinenser, aber eben auch kein Land Israel mehr, und kein Tel Aviv, in dem sich Schlomi mit seiner Freundin entspannen kann. Ja, es gäbe ihn selbst wohl nicht mehr. Der Titel des Films ist in jedem Fall irreführend; mindestens irritierend ist die Behauptung der Produktionsfirma, sie habe hier einen „Antikriegsfilm“ produziert.

„Der verschwundene Soldat“, 105 Minuten, Sprache: Deutsch, Regie: Dani Rosenberg, Produktion: „United Channels Movies“ (UCM), Israel, Kinostart in Deutschland: 17. Oktober 2024

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12 Antworten

  1. Ich denke, generell ist es, egal in welcher Armee weltweit, nicht einfach als junger Mensch das zu verarbeiten. In Israel sind wegen den Bedrohungen die Anforderungen extrem hoch.

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    1. Sicher , aber ohne Tsahal kein Israel. Das liegt weniger an den Israelis als am der Nachbarschaft. Es kann eben der Frömmste nicht in Frieden leben….
      Schabbat schalom

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  2. Berechtigte Ängste und deren psychosoziale Auswirkungen bei jungen Soldaten darzustellen ist ehrenhaft und sogar bitter notwendig. Daraus aber einseitige politische Interpretationen unter Vernachlässigung des israelischen Leids durch palästinensischen Terror abzuleiten, ist eines ernsthaften Regisseurs nicht würdig. So viel verdeckte antiisraelische Propaganda bewirkt bei mir eher Trauer und Wut über die realitätsverweigernde Haltung von Menschen, die sich selbst als Intellektuelle definieren.

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    1. @little Brotterode
      Bin genau deiner Meinung. Damit wird ein falscher Eindruck über Israel gebracht. Schade,man hätte das irgendwie anders machen sollen. Denn alle Soldaten auf dieser Welt stehen unter Druck und müssen viel sehen und vor allem aushalten!!!

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    2. @little brother
      Sorry,hatte deinen Namen verkehrt geschrieben.🙈🙈 Da war das senden wieder schneller als der Kopp!🤭🤭

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  3. Ein Film mit einer dummen Aussage, der vermutlich von linker Seite gefeiert werden wird.
    Gleichzeitig halte ich ihn für gefährlich, weil er einseitig und falsch die Realitäten widergibt, weglässt, verschweigt. Und somit ein Bild der israelischen Soldaten/Gesellschaft zeigt, das so nicht stimmt. Aber Menschen beeinflussen kann. Und die Israel“Kritik“ befeuern wird. „Wenn doch ein Jude, der selbst in der Armee war schon so einen Film macht…“

    Interessanter hätte ich gefunden, Dani Rosenberg hätte bei sich selbst und seiner Familiengeschichte genauer geschaut und nach möglichen Gründen für seine negative Einstellung zu seinem Land gesucht. Oder wirklich geschaut, was verbindet ihn mit diesem Land, was trennt ihn davon. Und auch genauer geschaut hätte, wie tragfähig seine Ansichten sind (tiefer schauen, in Frage stellen auch der eigenen Überzeugung)
    Ohne Israels Verteidigungskräfte hätte er diesen Film nicht machen können (und auch sonst keinen). Könnte er sich ja mal überlegen.

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    1. Israelische Filme sind häufig sehr kritisch gegenüber dem Land, der Regierung, der Gesellschaft, der Religiösen…das ist natürlich prioritär für die interne Debatte gedacht. Im Ausland werden diese Filme gerne – absichtlich oder aus Unkenntnis der israelischen Realität – überinterpretiert. Ich erinnere mich an die Aussage einer Kollegin, die den an sich grossartigen Film Kadosch von Amos Gitai gesehen hatte und davon ausging, dass jüdische Männer grundsätzlich ihre Frauen verprügeln. Natürlich ist das Blödsinn, das kann ich persönlich bestätigen. Aber manche glauben halt gerne, was ihnen ins vorgefasste Bild passt.

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    2. Die Kritik ist bedingt berechtigt. Immerhin hat das oberste Gericht von Israel jede Form der Kriegsdienstverweigerung abgeschafft, die traditionnell den orthodoxen Juden vorbehalten war. In den meisten Demokratien gibt es das, wieso nicht in Israel?! Wieso entscheidet alleine der Staat wann wer zum Krieg muss. Nebenbei bemerkt machen das autoritäre Regime. Die „guten“ Europäer – also auch die hier im Israelforum – haben seit 80 Jahren keine Erfahrung mit Krieg, wo bleibt da die Demut? Es ist ein Angriffspunkt für Kritiker des jetzigen Staates Israel, denen alles unverhältnismäßig ist, denen der Krieg zu lange dauert, die in Frage stellen dass es alleine an den Palästinensern liegt, wenn die Geiseln nicht frei sind. Das kritisieren auch viele Israelis/ Juden. Für mich ist die Abschaffung des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung – auch zum jetzigen Zeitpunkt – ein Mangel des Vertrauens in die jüdische Spiritualität und in ADONAI den heiligen Wächter Israels. Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass selbst bei einem Recht auf Kriegsdienstverweigerung mit einem passenden Zivildienst es jetzt genug Sodaten gäbe, die Israel verteidigen. Nicht nur Marc Chagall und Bob Dylan waren jüdisch und haben sich nur friedlich musisch engagiert, das ist eine Charakterfrage und es gibt nicht entweder oder, sondern sowohl als auch. SHALOM!

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      1. Zwei Bemerkungen zu Ihrem Beitrag : Kriegsdienstverweigerung in Israel ist etwas anderes als in Europa oder USA, weil DIESES LAND IN SEINER EXISTENZ BEDROHT IST. Die Ausnahme für die Orthodoxen galt ursprünglich für eine winzige Minderheit, der Anteil der Haredim an der israelischen Bevölkerung ist inzwisen erheblich angestiegen.
        Zum zweiten : ja, Europa hat 80 Jahre in Frieden gelebt, wenn man von den Kriegen auf dem Balkan absieht. Spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wissen wir, dass es uns jederzeit wieder treffen kann, dass z.B. die Aufhebung der Wehrpflicht – oder Zivildienst – ein Irrtum war.
        Sie können gerne Pazifismus predigen, aber die Demut, die Sie von anderen fordern, sollten Sie selbst üben. Ich schliesse mit einem Satz des unvergessenen Ephraim Kishon : “ In Israel haben wir öfter Wahlen, aber selten eine Wahl“.

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  4. Pazifismus ist ein Menschenrecht, das uns JESUS CHRISTUS vorgelebt hat. Ob es ihnen passt oder nicht, es gibt auch Israelis, die ihr Land verlassen haben – deswegen – weil ihnen es nicht passt, dass ALLEINE der Staat entscheidet wann wer in den Krieg zieht. Im Übrigen habe ich nicht von der Abschaffung des Wehrdienstes gesprochen sondern von der Schaffung eines vernünftigen Zivildienstes als Alternative zum Wehrdienst. Sie haben als Deutsche nichts aus ihrer Geschichte gelernt? Es gibt viele – sogar in Israel – auch viele Juden die das als demokratische Schwäche verstehen, nebenbei bemerkt ich auch. Niemand kann Menschen zwingen ein guter Soldat zu sein. Bob Dylan war Teil einer Friedensbewegung im Vietnamkrieg (der verloren wurde !) und Jude, Marc Chagall hat nie eine andere Waffe in die Hand genommen als seinen Pinsel und Farbe und alle Juden sind stolz auf ihn den Pazifisten? * SHALOM

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  5. Liebe Antonia zur Ukraine glaube ich nicht, dass Russland den Krieg gewinnt, es hat auch den Afganistan Krieg verloren jedoch dauerte die Einsicht leider 7 Jahre. Russland ist zu einer kalten Diktatur mutiert, die durch Angst regiert und niemanden eine Wahl lässt. Letztere – die Wahl – ist eine Stärke der Demokratie. Jedoch sollte der Westen seine Fehler analysieren und wir dürfen diplomatische Wege suchen, gleichzeitig darf die Ukraine sich wehren? Vielleicht geht es dann schneller … Ich fühle mich aber so wie vor Tschernobyl, danach kam erst die Wende, leider. GEBET FÜR FRIEDEN IST IMMER GUT und im Sinne der Bibel *Shalom

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