Cyberspace ist ein Kunstwort – belehrt uns die allwissende Internetenzyklopädie Wikipedia -, das sich aus Cyber (englische Kurzform für Kybernetik, von griechisch Kybernetike, "Kunst des Steuermanns") und Space (englisch für "(Welt-)Raum") zusammensetzt. Ins Deutsche könnte man "Cyberspace" mit "kybernetischer Raum" übersetzen. In Analogie zum Weltraum wird auch das Wort Datenraum verwendet.
"Cyberspace ist die fünfte Dimension der Kriegführung neben dem Land, dem Meer, der Luft und dem Weltraum", erklärte der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Generalmajor Amos Jadlin, auf einem Symposion in Tel Aviv Anfang 2010, und: "Der Krieg in der Cyberdimension ist so bedeutend wie die Entwicklung des Luftkrieges im 20. Jahrhundert."
Die Infrastruktur, um die gekämpft wird, hat sich nicht verändert. Es geht um Landwirtschaft und Industrie, Energie- und Nahrungsversorgung, das Transportwesen, Wasser und Abwasser, Kommunikationssysteme und Finanzwirtschaft, und nicht zuletzt um das Gesundheitswesen. All das ist heute ohne Computersteuerung nicht mehr denkbar. Im Cyberspace liegt das Nervensystem der modernen Welt.
Im effektivsten Falle kann ein Cyberangriff den Computersystemen eines Landes so großen Schaden zufügen, dass Wirtschaft und militärische Fähigkeiten kollabieren. "Ein Cyberanschlag über das Internet könnte zum Zusammenbruch einer ganzen Nation führen, wenn es keine angemessenen Abwehreinrichtungen gibt", warnt der Vorsitzende des Knessetausschusses für Wissenschaft und Technik, Meir Schitrit: "Ohne Panzer und Flugzeuge ist es heute möglich ein Land lahmzulegen. Und keine Armee der Welt kann das verhindern."
Wie in kaum einem anderen Bereich der modernen Kriegführung wird beim Cyberwarfare deutlich, was Militärs in Hintergrundgesprächen unermüdlich wiederholen: Eine Waffe oder Strategie, die bekannt ist, ist unbrauchbar. Deshalb stochert, wer im Bereich des Cyberwarfare recherchiert, im Dunkeln, bekommt nicht selten die Antwort mit dem vieldeutigen Lächeln der Experten, bei dem die Frage offen bleibt, ob der Gesprächspartner nicht sagen will, was er weiß, oder blöfft, um nicht sagen zu müssen, was er nicht weiß.
Angriffe auf Stromversorgung und Bankwesen
Wir wissen, dass Hacker in den vergangenen Jahren die Stromversorgung Brasiliens durcheinander gebracht und das Bankwesen in Estland oder Georgien angegriffen haben. 2008 musste die Webseite der Bank von Israel eine Zeitlang schließen. Während des Gazakrieges zum Jahreswechsel 2008/2009 bombardierten Hamas-Sympathisanten aus der islamischen Welt israelische Internetseiten. Ähnliches geschah nach der Kaperung der Gaza-Hilfsflottille durch die israelische Marine am 31. Mai 2010.
Die Internetportale der israelischen Regierung werden ständig von "Cyber-Dschihadisten" und "Hacktivisten" attackiert, wusste man im November 2010 im Institut für Terrorismusbekämpfung des Interdisziplinären Zentrums Herzelia. Vor einem Jahrzehnt waren das noch weitgehend Palästinenser, manchmal mit Unterstützung von russischen Hackern, heute kommen die meisten "E-ttacken" auf Israel aus dem Iran.
Bei seiner Verabschiedung im Mai 2011 erwähnte Israels Inlandsgeheimdienstchef Juval Diskin "Fingerabdrücke" und "Fußspuren" von Cyberangriffsversuchen, die man "behandelt habe". Kurz darauf verkündete Israels Premier Benjamin Netanjahu, man werde eine spezielle Einheit einrichten, um israelische Interessen gegen Terroranschläge aus dem Internet verteidigen zu können.
Vor wenigen Wochen berichteten Mitarbeiter der Internationalen AtomenergieBehörde (IAEA), ihre Mobiltelefone und Laptops seien während einer Inspektion im Iran gehackt worden. Ende Mai wurde bekannt, dass ein "bedeutender und aggressiver Angriff" auf das Informationsnetzwerk der Lockheed Martin Corp. in den USA abgewehrt worden sei. Lockheed ist die weltweit größte Luftfahrtindustrie; Nummer Eins unter den Partnern des amerikanischen Verteidigungsministeriums, Hersteller der F-16, F-22 und F-35-Kampfjets, sowie von Kriegsschiffen und anderen Rüstungssystemen. Kein Wort darüber, woher der Cyberangriff kam und welche Informationen betroffen waren.
In der Folge wurde bekannt, dass es seit Beginn des Jahres eine Reihe von Einbrüchen in die Systeme von Verteidigungspartnern, Sicherheitsorganisationen, Regierungslaboratorien der amerikanischen Regierung gegeben hat. Citigroup Inc., Sony und Google verzeichneten Anschläge. Eines der letzten bekannten Opfer eines Cyberangriffs ist der Internationale Währungsfonds, in dem sich 187 Nationen zusammengeschlossen haben. Bei dem Angriff, hinter dem der US-Nachrichtensender "Bloomberg News" "eine ausländische Regierung" vermutet, "gingen E-Mails und andere Dokumente verloren".
Anfang Juni 2011 ließ US-Verteidigungsminister Robert Gates in Singapur durchscheinen, Cyberangriffe könnten künftig auch als Kriegserklärungen aufgefasst werden. Kurz darauf erklärte der Direktor des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA, Leon Panetta, vor dem US-Kongress, er sehe "die reale Möglichkeit" eines "lähmenden Anschlags". "Das nächste Pearl Harbor", erklärte der Geheimdienstchef unter Anspielung auf den Grund für den Einstieg der USA in den Zweiten Weltkrieg im Dezember 1941, "könnte ein Cyberanschlag sein, der unsere Energiesysteme außer Kraft setzt, unsere Sicherheitssysteme, unsere Finanzsysteme, unsere Regierungssysteme."
"Innerhalb von Sekunden zuschlagen"
Israels Militärgeheimdienstchef Jadlin äußerte sich ungewöhnlich begeistert. Cyberspace eröffnet kleinen Ländern und Einzelpersonen Möglichkeiten, die bislang großen Staaten vorbehalten waren. "Man kann innerhalb von Bruchteilen von Sekunden zuschlagen, ohne das Leben der eigenen Soldaten zu riskieren." Und: "Alles wird hier hergestellt, ohne fremde Hilfe, auf einem Gebiet, in dem sich Israels Jugend zuhause fühlt."
Zum israelischen Militärgeheimdienst gehört die geheimnisvolle "Einheit 8200". Weithin wird sie für einen erfolgreichen Angriff auf die Computersysteme des iranischen Atomprogramms verantwortlich gemacht. Im Rückblick wird auch spekuliert, ob die Israelis nicht die gesamten Computersysteme der syrischen Luftabwehr lahmgelegt haben, als am 6. September 2007 vermutlich israelische Kampfjets ein mutmaßliches Nuklearprojekt in der Wüste Nordsyriens bombardierten. "Der jüdische Staat ist führend im Cyberwarfare", erklärte Generalmajor Amos Jadlin. Neben Israel werden vor allem die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und China als Länder genannt, die massiv cybertechnisch aufrüsten.