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Der 11. September aus dem Blickwinkel Israels

„Wendepunkt in der Geschichte“ soll der „Angriff auf Amerika“ sein. Der dreifache Mega-Terroranschlag auf das World-Trade-Center in New York und das Pentagon in Washington hat die westliche Welt verändert. Dieser Eindruck ist unvermeidlich, wenn man beobachtet, was euro-amerikanische Medien dieser Tage in alle Welt tragen. Die USA bereiten sich darauf vor, den ersten Jahrestag mit typisch amerikanischem Aufwand zu begehen.
Israel leidet mit seinen amerikanischen Freunden.

Das liegt zum einen an der engen Beziehung in allen Bereichen, die die kleine jüdische Demokratie im islamischen Nahen Osten zum großen Bruder jenseits des Ozeans genießt. Viele Israelis stammen aus Amerika, haben dort längere Zeit gelebt, oder träumen davon, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten einmal zu Ruhe und Wohlstand zu kommen. Zum anderen machen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen des Zusammenbruchs der beiden Zwillingstürme von New York in Israel ganz direkt bemerkbar.

„Was wäre, wenn uns das passieren würde?“, ist ein Gedanke, der viele bewegt. Unwillkürlich gehen unsere Blicke nach oben. Der Verkehrsjet schwebt im Landeanflug auf den Ben-Gurion-Flughafen dicht über den größten Ballungsraum Israels. „Man denkt natürlich daran, was wäre wenn…“, meint der Sicherheitsmann vor dem Azrieli-Center, den „Zwillingstürmen“ von Tel Aviv, mit einem vielsagenden Blick, während er meine Tasche untersucht. Bereits Ende September 2001 machten im Internet Fotomontagen die Runde, wie ein Angriff auf die Türme des Azrieli-Centers aussehen könnte.

„Wie hätte Amerika reagiert, wenn es so eine Terrorkampagne erlebt hätte, wie Israel in den vergangenen Monaten?“, wird oft gefragt. Zwischen 29. September 2000 und 31. August 2002 hat das israelische Militär 14.267 Anschläge palästinensischer Terroristen registriert. Dabei kamen 610 Israelis ums Leben. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung wäre das so, wie wenn die USA durch Terroranschläge mehr als 28.000 Einwohner verloren hätten. Natürlich ist das ein makaberes Rechenexempel. Aber die Frage steht greifbar im Raum: Warum unterstützt die Welt den Krieg der USA gegen den Terror (fast) vorbehaltlos, während sie Israel ständig zur Zurückhaltung auffordert?

Die Bedrohung durch den islamischen Terror ist für Israel seit Jahren Realität. Insofern hat sich mit dem 11. September für Israelis wenig verändert. Auch wer ein pauschales Szenario „Islam gegen die westliche Welt“ ablehnt, kommt an der Tatsache nicht vorbei, daß es eine islamische Ideologie ist, die jungen Menschen die Motivation zu Selbstmordattentaten gibt – eine Ideologie, die von islamischen Führern in der islamischen Welt gegenüber Muslimen (wenn überhaupt) nur selten verurteilt wird.

Es ist derselbe religiöse Hintergrund, der die Flugzeugentführer Osama bin Ladens und die palästinensischen Selbstmordattentäter auf den Straßen Israels in den Tod treibt. Und an noch einem Punkt stimmt die Parallele: Die Attentäter kommen zum überwiegenden Großteil nicht aus der verzweifelten Unterschicht von Aussichtslosigkeit geprägter Slums – sondern aus einer gut gebildeten und nicht selten gut bemittelten Mittelschicht.

„Wann wird der Westen erkennen, daß der Kampf, in dem Israel steht, der Kampf um Zivilisation und Kultur der westlichen Welt ist“, fragen immer mehr säkulare Israelis. Religiöse Juden sprechen mit bedeutungsvollem Nicken und erhobenem Zeigefinger vom „Anfang des Endes der Weltmacht USA“. Dabei verweisen sie darauf, daß der Westen mit seinen Antiterrormaßnahmen zwar die Symptome des islamischen Terrors bekämpft, die eigentliche geistliche Auseinandersetzung mit der Großmacht Islam aber scheut.

Der „naive Dialog der Religionen“, wie das Hamburger Nachrichtenmagazin „der Spiegel“ christliche Anbiederungsversuche an den Islam bezeichnet hat, mag dafür als Paradebeispiel dienen.

Aber für apokalyptische Spekulationen bleibt Israel kaum Muße. Der Konflikt an Israels Nordgrenze schwelt und kann jederzeit zum Ausbruch kommen. Täglich beschießen die radikal-islamischen Hisbollah-Milizionäre israelische Ziele mit Artillerie und Raketen. Viele al-Qaida-Kämpfer sollen dort Zuflucht gefunden haben. Israel weiß, daß die Hisbollah nicht im luftleeren Raum operiert. Die Kämpfer der „Partei Allahs“, wie „Hisb-Allah“ übersetzt heißt, genießen weit mehr als die wohlwollende Duldung Syriens und des Iran. Auf den Straßen in Gaza und Baghdad, Beirut und Khartoum sind Osama bin Laden und Saddam Hussein offen gefeierte Helden.

Siegessicher gibt sich der junge Händler im arabischen Souk von Jerusalem: „Auch wenn es uns viele Opfer kosten wird, der Islam wird das letzte Wort behalten!“

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