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Meinung

Das Offensichtliche übersehen

Als die Hamas drei Männer aus der Geiselhaft entlässt, fällt Israelis sofort die Ähnlichkeit mit Schoa-Überlebenden auf. Deutsche Medien setzen andere Schwerpunkte. Ein Kommentar
Von Elisabeth Hausen

Bei Vergleichen heutiger Ereignisse mit der Nazizeit ist äußerste Zurückhaltung geboten. Die Schoa war nicht nur wegen ihrer gründlichen Planung und Ausführung ein einzigartiges Verbrechen. Doch als ich am Samstag die ersten Bilder der drei Geiseln Eli Scharabi, Ohad Ben-Ami und Or Levy auf der Propaganda-Bühne der Hamas sah, kam mir unwillkürlich der Gedanke: „Sie sehen aus wie Auschwitz-Überlebende“.

Erst danach hörte ich, wie Kommentatoren im israelischen Sender „Kan“ genau das aussprachen. Nicht, weil sie vom Holocaust besessen wären. Nein, es war ein gerechtfertigter Vergleich, auf den jeder Mensch mit Geschichtsbewusstsein hätte kommen können.

Ganz Israel reagierte schockiert auf den Anblick der ausgemergelten, schwachen Männer, die selbst nahe Angehörige nach 16 Monaten in der Gewalt der Terroristen kaum wiedererkannten. Dieser Aspekt kam auch in den beiden großen deutschen Sendern ARD und ZDF vor. „Tagesschau“ und „heute“ berichteten wohl über die Reaktion der Angehörigen, die beim Anblick der überlebenden Geiseln zuerst in Jubel ausbrachen – und dann erstarrten, als ihnen der Zustand der Freizulassenden bewusst wurde. Doch das Offensichtliche und eigentlich Schockierende übersahen sie.

Der „Weltspiegel“ widmete sich am Sonntagabend vor allem der Rückkehr von Palästinensern in ihre zerstörten Häuser im Norden des Gazastreifens. Dabei wurde jeder Hinweis darauf ausgespart, dass das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 der Auslöser für Krieg und Zerstörung gewesen war. Kritik am Plan von US-Präsident Donald Trump zur Umsiedelung von Gaza-Bewohnern nahm großen Raum ein. Ein kurzer Abschnitt widmete sich den Geiseln – die zynische Inszenierung vor der Freilassung und der besorgniserregende Gesundheitszustand kamen vor. Der Beitrag mündete aber in die Demonstrationen gegen die israelische Regierung in Tel Aviv.

Israelischer Botschafter enttäuscht

Ein jüdischer Bekannter, den ich am Samstag in der Stadt traf, wunderte sich darüber, dass so wenige Menschen in Deutschland das Offensichtliche wahrnehmen: „Es ist doch so klar. Warum sehen sie es nicht?“ Diese Frage ist berechtigt. Die Bundesregierung und der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, veröffentlichten halbherzige Bekundungen des Entsetzens. Die Regierung beklagte lediglich, dass die Hamas die Geiseln vorgeführt hatte, sagte aber nichts zu ihrem Zustand. Botschafter Seibert erwähnte ihn nur am Rande. Auch hier fehlte jeder Hinweis auf die offenkundige Parallele.

Der israelische Botschafter in Berlin, Ron Prosor, kritisierte die offiziellen Verlautbarungen auf X: „Nicht nur Israelis und Juden werden in die Zeit vor 80 Jahren versetzt, wenn sie die Bilder von Eli, Ohad und Or sehen, die an die Befreiung aus den Konzentrationslagern erinnern. Es ist zutiefst enttäuschend, dass in einem so langen Text des deutschen Außenministeriums eine klare Anerkennung der absichtlichen Folter und Aushungerung der Geiseln durch Hamas-Terroristen fehlt.“

Die Nachkommen der Opfer werden erneut zu Opfern. Die Nachkommen der Täter schauen einmal mehr weg und beschweigen es, wenn Juden misshandelt, gefoltert und gedemütigt werden. Dabei liegt der Internationale Holocaust-Gedenktag, an dem 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz erneut Bilder von der damalige Befreiung gezeigt wurden, gerade zwei Wochen zurück. Der Vergleich drängt sich geradezu auf. Im Internet kursiert der Satz: „Schon wieder ist jetzt”. Es wird Zeit, dass diese Realität auch in der Regierung und bei manchen Medienhäusern ankommt.

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17 Antworten

  1. Richtig beschrieben, Frau Hausen.
    Wir waren entsetzt über den schlechten Zustande der Geiseln. Dazu das Gegröhle der freigelassenen Verurteilten. Hamas kämpferisch. Medien stehen pro Gaza und sehen nicht Jüdisches Leid. Dankeschön. Shalom

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  2. Danke für diese deutlichen Worte! Es ist einfach nur noch beschämend.
    Das Offensichtliche sieht man hier nicht mehr. Verdrängung par excellence.
    Juden interessieren nur, wenn sie während der Hitler Zeit starben oder sich gegen die israelische Regierung wenden.

    Ich bete für die drei Männer, dass sie Wiederherstellung erlangen an Leib und Seele, dass sie und ihre Angehörigen jegliche nötige Hilfe erhalten.
    Und ich bete auch für die Menschen, die sich noch in Gefangenschaft der Hamas und ihrer Schergen befinden. Um Engel an ihrer Seite, um Schutz und vor allem um Befreiung!
    Ebenso bete ich weiterhin für alle anderen freigelassenen Geiseln, um Genesung und Wiederherstellung, um Hilfen und um Trost.
    Und ich bete für die tapferen israelischen Soldaten und Soldatinnen.
    Und für die Regierenden, für Einigkeit in der Regierung und um Weisheit sowie um Einigkeit im Volk.

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  3. Auch ich bin entsetzt, aber es war auch zu erwarten. Wo glauben wir, waren die Geiseln im vergangenen Jahr? Wir werden leider noch mehr Solches sehen, während Israel Hamas durchgefüttert hat. Und Baerbock schreibt von Freude, beanstandet zwar die Vorführung, nicht aber den Zustand der Geiseln. Auch vom IKRK kein Aufschrei, nur eine Unterschrift. Den Medien ist Israel keine 30 Sekunden wert, wenn es nicht gerade eine Unwra-Schule angreift. Bei den Worten „Schon wieder ist jetzt“ wird mir übel. Danke Frau Hauser, für diesen Artikel.

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  4. Ich habe den Weltspiegel nur zum Teil gesehen, aber allein dieser Teil war eine Schande für die ARD. Aber das können wir von ARD und ZDF ja.
    Es war ja nicht nur der absolut schlechte Gesundheitszustand, man hat sie in KZ ähnliche Kleidung gesteckt.

    Und Baerbock ist eine einzige Katastrophe. Und Seibert eine absolute Fehlbesetzung.

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  5. So sehr ich dem Kommentar emotional beipflichte, möchte ich doch etwas nuancieren. Gestern habe ich in einem französischen Privatsender (CNews) den in Frankreich sehr bekannten jüdischen Anwalt und Essayisten Gilles-William Goldnadel gehört, der sich gegen einen Vergleich mit Shoah-Überlebenden aussprach, weil, so sein Argument, der Holocaust eben mit nichts zu vergleichen ist. Ich kritisiere herzlich gerne die Medien, aber dass gerade deutsche Medien mit diesem Vergleich vorsichtig sind, ist nicht ganz unberechtigt. Etwas anderes ist natürlich, über den schlechten Zustand dieser drei Männer zu berichten, da wäre mehr berechtigt gewesen. Man muss sich auch die Frage stellen, in welchem Zustand die noch verbleibenden Geiseln sind, beispielsweise die Soldaten, die ja als allerletzte freigelassen werden sollen. So sie noch am Leben sind.

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    1. @Antonia
      Die Scheu des Vergleichs kann ich zwar verstehen, aber auf meinen israelischen Nachrichtenkanälen kam der Vergleich mehrfach. Die Bilder ähneln sich einfach zu sehr und viele dort kennen den Bezug.
      Und wenn man es nicht wagt auszusprechen, sollte man zumindest laut aufschreien und angemessen entsetzt sein. Man hätte auch sagen können, dass einem Bilder von befreiten Gefangenen aus einer längst vergangenen Zeit in den Sinn kommen. Aber das Schweigen war wieder mal viel zu laut in Deutschland.
      Ich fürchte eher, dass man es irgendwie peinlich berührt übergangen hat oder schlichtweg mit „wichtigerem“ in Deutschland beschäftigt ist.
      Das „Nie wieder!“ ist heute ein anderes und ich fürchte, da sind Juden nicht eingeschlossen. Sie sind von Opfern zu Tätern gemacht worden und das zieht sich durch die Köpfe und Herzen gerade der jungen Generation. Und das ist entsetzlich!

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    2. Unsere Aussenministerin interessiert das nicht.
      Und den Obersten Antisemiten Guterrez noch wenige.

      Noch knapp 14 Tage bis zur Wahl.

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  6. Offensichtliches wird übersehen, stimmt!
    Der Palästinenser namens Ibrahim Al-Shanish sollte man sich auch ansehen.

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    1. @Ludovico
      Also ich muss sagen,die israelischen Geiseln sind in einem furchtbaren Zustand. Entgegen der Häftlinge. Die sahen gut aus. Den Palästinenser gucke ich mir jetzt nicht an. Im Übrigen bin ich im Moment echt angepiekt. Nicht wegen dir. Mein Gefühl? Jetzt, wo ein gewisser Mann Gaza haben will, wird das ganze sowieso eskalieren. Aber das soll ja gut sein für Israel…..
      Ich grüße dich! Manu

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      1. Liebe Manu,
        der Palästinenser, dessen Name Ludovico hier nennt und der als entlassener Häftling im Netz präsentiert wird, ist ein schwer krebskranker Mann.

        Selbst wenn man das nicht wüsste, kann man feststellen, dass sein Name auf keiner der Listen mit den Namen der entlassenen Häftlinge (darunter mehrfache Mörder), auftaucht.

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        1. @Flügelpfeil
          Vielen Dank für die Info. Schon die Anzahl der freigekommenen Geiseln im Austausch der Menge der Häftlinge ist der Hammer. Und das da mehrfache Mörder bei waren weiß ich auch. Hab das alles auf dem Schirm. Und nochmal: ich bin kein Palfan. Nur ich muss nicht mit allem und allen einer Meinung sein. Für mich gibt es nicht nur schwarz/weiß. Dazwischen ist auch noch was. Damit das mal geklärt wird. Aber gut jetzt. Ich danke dir und hab noch einen schönen Nachmittag.
          Manu

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    2. @ludovico

      Der betreffende Mann, der als entlassener Häftling präsentiert wird, ist kein!!! aus einem israelischen Gefängnis entlassener Häftling.

      Er steht auf keiner der Listen. Stattdessen hat der arme Mann Krebs.

      Aber immer mal wieder versuchen Misstrauen gegen Israel schüren, nicht wahr?

      Aber man kann gerne die Terroristen, die sich nach ihrer Freilassung von Palästinensern feiern lassen, mit den jetzt freigelassenen Geiseln vergleichen. Den Unterschied erkennt man deutlich.

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    3. Widerlicher Kommentar.
      Erst mal informieren, dann schreiben.
      Gehen Sie hier auf Krebsstationen.
      Vielleicht kapieren Sie es dann.

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  7. Darf man denken und sagen, dass die Palästinenser das Gleiche wollen was die Nazis wollten?
    Wir haben nicht vergessen was der Hitlerfreund Großmufti von Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini mit den Juden vor hatte: Vergasung aller Juden in Palästina.

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    1. Ja, Albert, darf man.
      Und so die BTW ausfällt, wie ich hoffe, in Zukunft sehr viel deutlicher.
      Den ÖRR betreffend stelle ich ein beinahe krampfhaftes Ignorieren des bedenklichen Zustandes der drei freigelassenen Männer fest.
      Gerade so, als ob die erschreckende Ähnlichkeit mit den Überlebenden der Shoah betont ausgeklammert werden müsste
      SHALOM ALEJCHEM

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