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Das letzte Kind hinausfegen

Mit einem aschkenasischen Brauch feiert eine sefardische Mutter die Hochzeit ihres letzten Sohnes. Dabei spricht sie auch über die Rückkehr des jüdischen Volkes nach Israel.
Von Israelnetz

An einem warmen Sommerabend lädt Familie Drucker zur Hochzeit ein. Ihr Sohn Siv traut sich, ganz in der Nähe von Jerusalem. Er ist der letzte der vier Geschwister, der heiratet.

Nach dem üppigen Abendessen laden die Eltern des Bräutigams die Gäste zum Tanz ein. Fröhlich erklärt Mutter Jael: „Der Besentanz ist eine aschkenasische Tradition. Wenn diese Familien ihre Kinder verheirateten, tanzten sie traditionell den Besentanz.“

„Als würden die Kinder aus dem Haus gefegt“, sagt die Mutter weiter. „Das Haus ist wieder leer, die Eltern sind erneut allein und frei wie Spatzen.“

Sie erinnert an ihren Vater, der vor einem knappen Jahr starb: „Mein Vater, seligen Angedenkens, pflegte zu sagen: ‚Wenn unser Sohn heiratet, verlieren wir ihn nicht, sondern bekommen eine zusätzliche Tochter.‘“ Warmherzig sagt Jael an die Braut gewandt: „Marly, mein Vater hatte recht. Genau wie er gesagt hat, empfinden auch wir dir gegenüber.“

Die Versammlung Israels aus dem Exil

Jaels Mutter stammt aus dem syrischen Aleppo, ihr Vater aus Marokko. Sie berichtet: „Auch wenn unsere Familie sefardisch ist – ich mag diesen aschkenasischen Brauch! Eigentlich kommt es ja auch gar nicht darauf an, woher er stammt. Auch das lernten wir von meinem Vater: ‚Wir können von jedem Menschen etwas lernen, von jeder Kultur und jeder Gemeinschaft.‘“ Und dann verwendet sie das Wort, was die Einzigartigkeit Israels so gut beschreibt: „Wir sind eben ein Kibbuz Galujot.“

Der Begriff „Kibbuz Galujot“ lässt sich wohl am besten mit „Versammlung Israels“ übersetzen. Er bezeichnet die „Einsammlung der Exilanten“, die Sammlung der jüdischen Diaspora, die im Buch 5. Mose verheißen ist. Die ersten Verse in Kapitel 30 lauten: „Wenn nun dies alles über dich kommt, es sei der Segen oder der Fluch, die ich dir vorgelegt habe, und du es zu Herzen nimmst, wenn du unter den Heiden bist, unter die dich der HERR, dein Gott, verstoßen hat, und du dich bekehrst zu dem HERRN, deinem Gott, dass du seiner Stimme gehorchst, du und deine Kinder, von ganzem Herzen und von ganzer Seele in allem, was ich dir heute gebiete.“

Weiter verheißt Mose den Israeliten vor dem Einzug in das Land Israel: „so wird der HERR, dein Gott, deine Gefangenschaft wenden und sich deiner erbarmen und wird dich wieder sammeln aus allen Völkern, unter die dich der HERR, dein Gott, verstreut hat. Wenn du bis ans Ende des Himmels verstoßen wärst, so wird dich doch der HERR, dein Gott, von dort sammeln und dich von dort holen und wird dich in das Land bringen, das deine Väter besessen haben, und du wirst es einnehmen, und er wird dir Gutes tun und dich zahlreicher machen, als deine Väter waren.“

„Mit einer neuen Tochter füllt sich unser Haus“

Jael schließt: „Unser Sohn bringt eine zusätzliche Tochter, unser Haus füllt sich also.“ Sie lädt die Brautfamilie ein, mitzutanzen. Unter den Gästen sind viele Männer, die in den vergangenen Monaten als Soldaten im Reservedienst waren: Vereinzelt ist an diesem Abend auch Zweifel zu hören, ob inmitten des Krieges, und des Verbleibens von zahlreichen Israelis im Gazastreifen als Geiseln der Hamas, überhaupt eine solche fröhliche Feier angemessen ist. Und oft fällt die Antwort umso klarer aus: „Jetzt erst recht: Wir wollen das Leben feiern!“

Die Mutter des Bräutigams macht deutlich: „Wir nehmen diesen Tanz zum Anlass, um allen Ballast aus unserem Leben zu fegen. Den Dreck und den Schmerz, den wir in unserem Leben und in unserer Nation spüren.“

Und dann beginnt Jael, mit der ganzen Familie zu tanzen. Während ihre Familie die Besen schwingt, singen die Gäste das Liebeslied von Ilai Botner „Dir ganz nah“. (mh)

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4 Antworten

  1. Das ist ein so schöner, herzerwärmender Bericht, vielen Dank dafür. Ein schlnes Symbol, dieser Besentanz. Die Sichtweise von Jael ist liebevoll. Auch ich habe mit den Frauen meiner beiden Söhne zwei Töchter hinzugewonnen. Kurzzeitig war das Haus etwas leer, aber nunsprigen Enkel herum.
    Und dass sie das Leben feiern, ist auch für die Soldaten gut. Sie dürfen sich, so gut sie können, freuen. Auch inmitten des Krieges und dadurch verlorenen Kameraden. Den Geiseln geht es mit aller unser Trübsal nicht besser. Aber kein Tag vergeht ohne Bitten und Flehen.

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  2. Da ich in eine sephardische Familie eingeheiratet habe, kannte ich diesen Brauch nicht. Er gefällt mir. Ich ordne ihn in die Kategorie „jüdischer Humor“ ein.

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  3. Mir gefällt er sehr, dieser Tanz. Wirklich originell 😀 Tut gut in schwerer Zeit.
    Als Gideon, der vierte Sohn unser Haus verliess, sagte mein Mann: Komm, jetzt lassen wir die Sektkorken knallen!
    Aber ich weinte, doch inzwischen bin ich glücklich über die vier wunderbaren dazugekommenen Töchter!

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