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Das große Ringen um die Posten

Nach der Parlamentswahl in Israel pokern die potentiellen Koalitionspartner um Einfluss und Ämter. Erste Lösungen zeichnen sich ab, doch noch sind nicht alle mit im Boot.
Von Israelnetz
Wenn nicht bald etwas geschieht, wird die gerade erst gewählte Knesset aufgelöst (Archivbild)

JERUSALEM (inn) – Auch mehr als drei Wochen nach der Knessetwahl sind die Koalitionsverhandlungen in Israel noch im vollen Gange. Beteiligt sind sieben Parteien: der konservative Likud, die religiös-zionistischen Kräfte Jüdische Macht, Religiöser Zionismus und Noam sowie die ultra-orthodoxen Degel HaTora, Agudat Israel und Schass.

Im Ringen um die Macht greifen die Verhandler auf die üblichen taktischen Mittel zurück, um ihren jeweiligen Anteil am Regierungskuchen zu maximieren: Da werden Koalitionsgespräche ausgesetzt und große Forderungen aufgemacht, um dann zu einem guten Kompromiss gelangen zu können. Im Zweifel droht man mit einem Scheitern der Regierungsbildung. „Die am lautesten schreien, bekommen die meisten Ministerien“, fasste Degel-HaTora-Chef Mosche Gafni das wichtigste Prinzip jüngst zusammen.

Vorerst Zeit bis 11. Dezember

Entsprechend chaotisch wirkt die innenpolitische Szene Israels derzeit: Mal fühlen sich die Ultra-Orthodoxen benachteiligt, mal die religiösen Zionisten schlecht behandelt, mal melden sich Likud-Politiker mit der Befürchtung zu Wort, dass sie zu wenig abbekommen. Am Ende glaubt aber wohl kaum einer, dass die Regierungsbildung scheitert. Bis zum 11. Dezember hat Benjamin Netanjahu noch Zeit, im Anschluss ist eine zweiwöchige Extrarunde möglich.

Im Mittelpunkt des Kräfteringens steht die Vergabe der verschiedenen Ministerposten. Heftig umkämpft sind dabei vor allem so einflussreiche Portfolios wie das Verteidigungs- und das Finanzministerium. Aber auch für andere Häuser, etwa das Peripherieressort für Randgebiete des Landes, bestehen konkurrierende Ansprüche zwischen den Parteien. Derzeit sieht es so aus, dass die mächtigen Ministerien für Verteidigung, Außenpolitik und Justiz wie in der Vergangenheit in den Händen von Netanjahus Likud bleiben.

Ben-Gvir wird Sicherheitsminister

Derweil richten sich viele Augen vor allem darauf, welche Posten die religiös-zionistischen Parteien Jüdische Macht und Religiöser Zionismus einheimsen können. Vor allem linke und liberale Israelis fürchten sich vor dem Einfluss ihrer Spitzenmänner, Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotritsch, die sie für rechtsextrem halten. Ben-Gvir hatte im Wahlkampf das Sicherheitsministerium mit Aufsicht über die Polizei gefordert, Smotritsch zuletzt das Verteidigungsministerium für sich beansprucht.

Am Freitagmorgen wurde bekannt, dass Ben-Gvir tatsächlich Sicherheitsminister werden soll. Vertreter von Likud und Jüdischer Macht unterzeichneten ein entsprechendes Übereinkommen. Demnach soll aus dem Ministerium für öffentliche Sicherheit ein Ministerium für nationale Sicherheit werden. Pikant ist dabei: Ben-Gvir trägt Straftaten aus jüngeren Jahren mit sich herum und hat Wurzeln in einer rechtsextremen Denkrichtung, von denen er sich aber zum Teil distanziert hat.

Sein Ressort soll mit erweiterten Kompetenzen ausgestattet werden. Unter anderem soll Ben-Gvir verstärkt Kontrolle über die Grenzpolizei im besetzten Westjordanland bekommen. Zudem gehen das nun so genannte „Ministerium für den Negev und Galiläa und nationale Widerstandskraft“ und ein Ministerium für das kulturelle Erbe an die Jüdische Macht.

Streit mit Smotritsch

Probleme bereitet Netanjahu derzeit vor allem Smotritsch. Der ehemalige Verkehrsminister, der nur verkürzt in der Armee gedient hat, hatte während der Verhandlungen mit rabbinischer Rückendeckung das Verteidigungsministerium für sich beansprucht. Zuletzt griff er nach dem Finanzministerium. Am Dienstag warf seine Partei Netanjahu vor, von getroffenen Vereinbarungen wieder abgerückt zu sein sowie „Lügen“ und „Flüche“ über die Partei zu verbreiten.

Fraglich ist auch noch die Rolle des ultra-orthodoxen Schass-Chefs Arje Deri. In der Vergangenheit ebenfalls als Finanzminister im Gespräch, könnte für ihn nun zunächst das Innenressort übrigbleiben. Deri war bereits früher Innenminister. Das Problem: Deri hat Probleme mit der Justiz. Im Januar hatte die Knesset verlassen, um einer Haftstrafe wegen Steuervergehen zu entgehen. Unter Umständen könnte er daher nun für ein Ministeramt gesperrt sein.

Während die Postenvergabe also auf Hochtouren läuft, ist über inhaltliche Verhandlungen weniger bekannt. Klar ist: Die Koalition will das Verhältnis zwischen Parlament und Justiz zugunsten von ersterem neu justieren, eine schärfere Sicherheitspolitik fahren und in religiösen Fragen wieder einen orthodoxeren Kurs verfolgen. Welche Entscheidungen dies im Einzelnen nach sich zieht, bleibt abzuwarten.

„Ajatollah-Regime“ und „halachischer Staat“?

Verschiedene Politiker haben im Wahlkampf und während der Verhandlungen scharfe Forderungen erhoben. Darunter fällt etwa die Forderung der Todesstrafe für Terroristen durch Ben-Gvir oder die Neuausrichtung des Rechts auf Einwanderung durch die orthodoxen Vertreter. Diese wollen am liebsten die Regelung streichen, wonach ein jüdischer Großvater für die sogenannte Alija ausreicht. Netanjahus Likud wird in derlei Fragen ein Gegengewicht bilden und versuchen, die Beziehungen zum Ausland und zum oft liberal geprägten Diaspora-Judentum nicht zu beschädigen.

Gleichwohl fährt die linke, liberale und säkulare Opposition in der Knesset nach wie vor rhetorisch scharfe Geschütze auf: Die mutmaßlichen Koalitionspartner vergäßen, dass Israel kein „halachischer Staat“, also ein Staat nach jüdischem Gesetz sei, kritisierte jüngst Noch-Premier Jair Lapid (Jesch Atid). Die Äußerung kam in Reaktion auf einen Medienbericht, wonach die orthodoxen Parteien eine Geschlechtertrennung bei öffentlichen Veranstaltungen ermöglichen wollen.

Und Avigdor Lieberman, Chef der rechts-säkularen Partei Israel Beiteinu, hatte bereits vor Tagen in gewohnter Manier gepoltert: „Sie werden ein Ajatollah-Regime in blau-weißer Version errichten.“ Es handle sich um „die erste anti-zionistische Koalition seit Staatsgründung“. (ser)

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22 Antworten

  1. Benyamin Netanyahu, den ich sehr schätze, wird es nicht einfach haben, eine solide und ausgewogene Regierung zu bilden, die die kommende Legislaturperiode von vier Jahren übersteht . Ich wünsche ihm viel Glück und den Segen des Höchsten, Yahwe.

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  2. Avigdor Lieberman, Chef der rechts-säkularen Partei Israel Beitenu, den ich überhaupt nicht schätze, obwohl er ein säkularer russischer Jude ist, hatte bereits vor Tagen ganz richtig gesagt: „Sie werden ein Ajatollah-Regime in blau-weißer Version errichten.“ Da hat der Mann leider recht. So wird es kommen. Viel Spaß!

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    1. „obwohl er ein säkularer russische Jude ist“? Ja, die Aussage beweist mal wieder Ihre Einstellung Juden gegenüber.

      Herr Liberman hat wohl ein Problem. Er ist kein Minister mehr. Und dass er schon immer gehetzt hat, haben wir ja in der Vergangenheit reichlich erlebt.

      Es wird kein Ajatollah-Regime in Israel geben. Und wenn Sie es noch so herbei beten. Denn die Israelische Gesellschaft ist Freiheit gewöhnt, die lassen sich nicht niedermachen wie es leider die Iraner müssen.

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  3. Ich kann nicht antworten, weil sie dann schreiben, das hätte ich bereits einmal gesagt, obwohl es in keiner Weise zutrifft.

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    1. kommt leider immer wieder vor. Vielleicht kann Israelnetz mal aufklären, woran es liegt.

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  4. Gott JHWH kennt die Schwächen seines Volkes sehr gut. Einfacher wäre es, wenn der Dialog über bestimmte Posten kürzer gehalten werde und man präzise vertrauensvolle Führungsleute einsetze. Somit würde man für alle Beteiligten Zeit und Nerven einsparen. 😃

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  5. Mit der neuen Regierung wird es Israel noch viel schwerer haben, Freunde in der Welt zu finden. Selbst in Deutschland. Wer will mit einem Land zu tun haben, dessen Soldaten Rassisten beschützen, wenn sie – wie in Hebron jüngst geschehen und dank „Breaking the silence“ dokumentiert – friedliche Bürger attackieren. Nein, dieses Land ist auf einem Irrweg. Die Tragödie ist nur, dass die meisten Israelis das zwar wissen, aber verdrängen und sich stattdessen „zur Sicherheit“ einen zusätzlichen ausländischen Pass beschaffen. Dabei wurde Israel doch gegründet, um den Juden der Welt ein sicherer Zufluchtsort zu sein. Und ist es das? Die Wirklichkeit sieht anders aus. Aber die wird von den meisten verdrängt. Das wird sich bitter rächen.

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    1. Selbst in Deutschland?

      Ne, da finden sich aber auch miese Zeitgenossen, die die zielgenaue Bombardierung von Tel Aviv fordern. Die Mord an Siedlern verteidigen. Die den Tamimiclan als Freiheitskämfer anbeten und den Friedensnobelpreis für Barghouti fordern. Schande.

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      1. Oder wie in Deutschland, wo Abbas in Anwesenheit von Hrn. Scholz den Holocaust relativieren darf, ohne dass dieser einschreitet und auch die Staatsanwaltschaft schweigt. Antisemitismus ist salonfähig geworden.

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  6. Wer die Bibel kennt weiß was noch alles bevorsteht für Israel und die Nationen.
    Gott JHWH hat alles in seiner Hand und kämpft für die Seinen. Er kämpft auch für Eretz Israel da es sein Land ist und Jerusalem sein Eigentum. Der Löwe von Juda ( Arjeh Judah ) brüllt aus Zion.

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    1. Geschätzte Isabella,

      wenn ich Ihre Ausführungen ernst nehmen würde.

      Dann tät ich schreiben: „Gott JHWH“ hat gerade die letzten 100 Jahre „für die Seinen“ eher unbemerkt gekämpft.

      Schreib ich aber nicht.

      Gute Woche Ihnen,
      Grüssen Sie „Arjeh Judah“,
      EJ

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  7. Lieber Eddi auch wenn Gott JHWH viele Jahrzehnte vorüber gehen lässt heißt daß nicht dass Gott nichts tut. Gottes Uhr tickt anders als unsere. Der Allmächtige lässt den Menschen viel Zeit zur Umkehr Teschuva.
    Vielen herzlichen Dank auch ich wünsche Ihnen eine gesegnete
    Woche und viel Freude.
    Ich gebe gerne die Grüße an Arjeh Judah ( JESHUA dem Sohn des lebendigen Gottes ) weiter.
    Shalom

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  8. „Ministerium für das kulturelle Erbe“ – bald ist das Kabinett größer als die Knesset.

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  9. The Times of Israel meldet heute: „Politiker der scheidenden Koalition sagen, die Zustimmung des Likud-Chefs, Avi Maoz mit der Verantwortung für die jüdische Identität Israels zu beauftragen, sei ein „Schlag ins Gesicht“ und könne „Israel in den Abgrund stürzen“.
    Das schreibt eine der angesehensten Tageszeitungen Israels! Wenn ich hier (seit Monaten!) schreibe, dass Israel mit seiner Politik vor dem Abgrund steht, wird das als Judenhass und Antisemitismus von verschiedenen Kommentatoren diskreditiert. Sonderbar, oder?

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    1. @Björn Luley:

      Ich bin eher unverdächtig, Ihre Ausführungen zu goutieren.
      Aber: Wenn Sie recht haben. Dann haben Sie schlicht recht.

      Maoz oder ähnliche Spinnerte auf ein Ministeramt zu hieven. Das geht gar nicht.

      Ich hoffe, dass diese, sich avisierende Schreckens-Koalition die derzeit (leider) übliche Haltbarkeit israelischer Regierungen hat. Also eine eher kurze.

      Könnte sich ja nach der nä. Wahl irgendwas in der (grosszügig definierten) Mitte, also Likud ohne in Ehren ergrauten B.N. mit Gantz, Lapid etc. ergeben.

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      1. @ Eddie Jobson
        Man muss aber auch fairerweise sagen , dass dieser „ Identitäts-Nonsense“ nicht nur in Israel auf dem Vormarsch ist.
        In den USA ist der Weisse Christliche Nationalismus der ähnliche Ansichten vertritt, zu einer grundlegenden Bedrohung für die Demokratie geworden. Und das nicht nur weil die hiesigen Evangelikalen, Trump als den“ von Gott Gesalbten „ bezeichnen.

        Samuel L. Perry von der University of Oklahoma und Philip S. Gorski von der Yale University. Perry und Gorski nennen es weißen christlichen Nationalismus.

        In The Flag and the Cross , ihrem neuen Buch der Oxford University Press, werden weiße christliche Nationalisten einer genauen Prüfung unterzogen. Gorski und Perry kombinieren Forschung mit Datenanalyse und argumentieren, dass weiße christliche Nationalisten eine Reihe gemeinsamer antidemokratischer Überzeugungen und Prinzipien teilen. „Dies sind Überzeugungen, die, so argumentieren sie, den Wunsch widerspiegeln, die Mythen, Werte, Identität und Autorität eines bestimmten ethnokulturellen Stammes wiederherzustellen und zu privilegieren“, schreiben sie. „Diese Überzeugungen summieren sich zu einer politischen Vision, die den Stamm privilegiert. Und sie versuchen, andere Stämme an ihren richtigen Platz zu bringen.“

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    2. @ Bjoern Luley
      In der Jerusalem Post kann man heute das folgende lesen
      „Gantz also condemned the coalition agreement, saying that Maoz’s Jewish identity is a „racist identity. We will fight this extremist Netanyahu government with all the tools at hand,“

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  10. Lieber Bjoern die Medien schreiben vieles. Meine Perspektive lautet: Gebet! Umso mehr Menschen beten für die Obrigkeiten auch Regierungen können noch manche Wunder geschehen! Aber gar nichts tun ist auch Sünde….!?
    Gebet ist ein Dialog mit Gott Vater zu führen und Ihm sein Herz auszuschütten wie Wasser und alles vorzubringen was gerade so anliegt… Für Israel für Deutschland eben für Alles und alle Menschen.
    Shalom

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  11. Lieber Björn
    Ich habe von Politik null Ahnung und ich kenne die Männer nicht die in Israel für die Posten ringen aber ich kenne die Verheißung Gottes für Israel, da diese in der Hlg Schrift geschrieben steht. Und deswegen mache ich mir keine Sorgen da Gott JHWH alles zu seinem Ziel führen wird.
    Darum bete ich damit Gottes Verheißung sich erfüllt über kurz oder lang. Das sollte jeder Gläubige tun.
    Sorry für diese Einstellung meinerseits
    Shalom

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  12. Zur Ergänzung
    Was ist der Mensch das er andauernd herum kritisiert? Glaubt ihr wirklich dass Gott nicht weiß was in Israel Sache ist!? Er weiß es sehr wohl.
    Auch wenn mich keiner verstehen oder Ernst nehmen will.. Gott JHWH versteht sehr wohl da Er unser Herz besser kennt und auch mit uns fühlt wie wir es meinen.
    Lasst doch die Regierung in Israel ihre Arbeit tun, denn ich glaube dass dies kein leichter Job ist wenn man von so vielen Feinden umgeben ist. Oder???
    Schma Israel
    Adonai Elohejnu! Adonai Echad!
    Gottes Segen

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  13. Wünsche dem Ganzen eine Mutige Lösung zu Gunsten des Landes und seines Volkes.
    Möge es mehr Einheit geben als vorher und die Schlappfische ihre Mäuler halten. Ansonsten lasst sie baden gehen, anstatt ihren Unsinn zu verbreiten.
    Frieden mit dem Feind bedeutet Ruhe vor dem Sturm. Der Feind muss besiegt werden, dann kehrt Frieden und Ruhe ein. Und vergesst nicht die Russen in eurer Umgebung und im Iran zu vernichten, sonst vernichten sie euch!

    Viel Glück

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