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Christenwanderung im Heiligen Land

MÜNCHEN (inn) – Christen in Israel und den Palästinensergebieten sehen sich nicht als religiöse Minderheit. Sie verstehen sich „als integraler Bestandteil der Gesellschaft, in der sie leben“. Davon berichtete Uwe Gräbe, ehemaliger Propst der evangelischen Kirche in Jerusalem, am Montag bei der internationalen Konferenz „Menschenrecht ‚Religionsfreiheit‘“ in München. Trotzdem wanderten viele Christen aus, vor allem Palästinenser.
Viele einheimische Christen wandern aus den Palästinensergebieten aus, berichtete Uwe Gräbe.

Etwa 50.000 Christen leben laut Gräbe im Gazastreifen, der Westbank und Ostjerusalem, Tendenz gleichbleibend. Jedoch nehme ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ab und liege derzeit bei etwa 2 Prozent. Im Vergleich dazu seien sie in öffentlichen Ämtern überproportional vertreten und prägten die palästinensische Gesellschaft. Reibungen zwischen Christen und Muslimen gebe es eher bei kleineren Dingen, etwa wenn Haus und Grundstück von Christen nach ihrem Wegzug in muslimische Hand gingen. In Israel nehme die Zahl der Christen durch Einwanderung, besonders aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, und Geburten stetig zu. Im Moment seien es etwa 150.000. Das Land profitiere zudem vom christlichen Pilger-Tourismus, der den größten Teil der Branche ausmache. „Es reisen mehr Christen nach Israel als Juden“, so Gräbe. Außerdem gebe es gute wirtschaftliche Beziehungen zu den Kirchen, insbesondere zum Vatikan und der griechisch-orthodoxen Kirche. Das Jerusalemer Patriarchat der letzteren sei nach dem Jüdischen Nationalfonds der größte Landbesitzer in Israel. Arabische Christen israelischer Staatsbürgerschaft müssten nicht in der Armee dienen. Damit seien aber berufliche Positionen, die an den Wehrdienst gebunden sind, für sie ausgeschlossen.
„Systematische Christenverfolgung gibt es in Israel und den Palästinensergebieten nicht“, sagte Gräbe. Man müsse jedoch die offizielle staatliche Ebene und die ideologische unterscheiden. Im subjektiven Empfinden könnten sich manche Christen trotzdem verfolgt fühlen. Gerade in fundamentalistischen religiösen Positionen seien sich Juden und Muslime mitunter recht nah. Christen würden von radikalen Gruppen als Götzendiener angesehen, während sich Judentum und Islam als wahre monotheistische Religionen verstünden. Christen würden deshalb häufig bespuckt, berichtete der evangelische Theologe.
Palästinensische Gemeinden im Ausland wachsen
Besonders aus den Palästinensergebieten wanderten viele Christen aus. „In Übersee prosperieren palästinensische Gemeinden. Es gibt in Chile mehr Bethlehemer Christen als in Bethlehem selbst.“ Die Gründe dafür seien vielfältig. Je nach ideologischer Position werde die israelische Besatzung oder die palästinensische Behörde dafür verantwortlich gemacht. Vor allem wirtschaftliche Aspekte spielten eine Rolle, sagte Gräbe mit Bezug auf eine Umfrage. So treffe die israelische Kontrolle der Palästinensergebiete und die dadurch eingeschränkten Handels- und Reisemöglichkeiten vor allem auch Christen. Denn sie seien stärker ins Ausland vernetzt und hätten internationale wirtschaftliche Beziehungen. Die würden auch von korrupten palästinensischen Behörden behindert. Streitigkeiten klärten Palästinenser meist innerhalb des Familienclans, wobei die größeren muslimischen gegenüber den Christen im Vorteil seien. Allerdings sei die Korruption der Polizei, unter anderem durch deutsche Hilfe bei der Ausbildung, deutlich zurückgegangen.
Die wachsenden Gemeinden palästinensischer Christen im Ausland entwickelten zudem eine Sogwirkung, aus den Autonomiegebieten abzuwandern. Das sei für Christen ohnehin leichter möglich als für Muslime. Gräbe: „Es gibt ein System von christlichen Privatschulen. Wer das durchlaufen hat, wird von Universitäten im Westen gern genommen.“ Meist blieben die jungen Menschen dann dort. Religiös motivierter Extremismus sei auch ein Grund für palästinensische Christen, ihre Heimat zu verlassen. Jedoch spiele das mit 8 Prozent der Angaben in der erwähnten Studie eher eine untergeordnete Rolle.
Um einheimische arabische Christen zum Bleiben zu ermutigen, bauten Kirchen Wohnungen für christliche Familien. Zudem, sagte Gräbe, sei es wichtig, „Religion als friedensstiftendes Moment wiederzuentdecken“ und das gemeinsame Zusammenleben zu unterstützen. Gräbe appellierte an die Teilnehmer der Konferenz, für die Christen in der Region zu beten: „Bei allen unseren Bemühungen liegt das, was wird, in Gottes Hand“.
Die internationale Konferenz „Menschenrecht Religionsfreiheit“ wurde veranstaltet von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in Zusammenarbeit mit der ökumenischen Gemeinschaft „Sant‘Egidio“.

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