„Licht für die Welt“ steht auf dem Transparent, das die Form einer Kerze hat. Ein schwarzhaariger Junge aus der vierten Klasse hält es hoch. Insgesamt sind es acht Kinder, die kerzenartige Transparente mit verschiedenen Aufschriften hochhalten und so den achtarmigen Chanukka-Leuchter darstellen. Die Schule feiert Chanukka, das Lichterfest.
Die Kinder tanzen, singen und tragen Gedichte vor. Beim Tanz fällt besonders Anog auf. Die Eltern des dunkelhäutigen Mädchens mit den schwarzen Locken sind aus Indien nach Israel eingewandert. Anog hat das Tanzen im Blut und es macht Spaß, ihr dabei zuzusehen.
Gal, die langhaarige Blondine, spielt „Hanna Selda“, die zentrale Figur in einem lustigen Lied. Hanna Selda soll die süßen Krapfen backen, ohne die das Chanukkafest nicht denkbar ist. „Oi, Hanna Selda“, bettelt ihr Mann ununterbrochen, „brate mir doch einen Krapfen“. Doch Hanna findet immer neue Ausreden. Einmal ist ihr Mehl, dann der Zucker ausgegangen. Als ihr Mann dann alles Notwendige besorgt hat, ist sie zu müde und er muß sich das Essen selbst zubereiten – während sich Hanna Selda die Nägel lackiert. Gal spielt ihre Rolle überzeugend.
Den lustigen Aufführungen folgen ernsthaftere. Bei keiner Schulfeier fehlt das Thema „Frieden“. „Ich bin geboren für einen Frieden, der erst kommen wird“, singen Schüler und Eltern gemeinsam, „ich bin geboren für einen Frieden, der erst noch erscheint. Aber ich will, ich will ihn schon jetzt erleben!“ Manche Lieder werden zum Gebet: „Bewahre uns wie Kinder und verlasse uns nicht. Gib uns Licht und jugendliche Freude und immer neue Kraft…“
Der Optimismus des jüdischen Volkes ist nicht unterzukriegen. Deshalb singt und tanzt es zu jeder Gelegenheit. Jeder kennt die Lieder „BaSchanah HaBa´ah…“ – „Du wirst schon sehen, wie gut es im nächsten Jahr wird…“ – oder „HaKol Patuach…“ – „Alles ist offen, es ist noch nicht zu spät, morgen wird alles besser. Alles ist möglich, solange wir heute und hier so singen können.“
Daß sich Kinder in Israel ohne Gefahr versammeln können, ist nicht selbstverständlich. Die ganze vierte Klasse betet in letzter Zeit für den dreijährigen Hadar, der bei dem Selbstmordanschlag auf das Restaurant „Maxim“ in Haifa Anfang Oktober einen Schädelbruch erlitten hat. Gemeinsam hoffen die Kinder, daß die Operation erfolgreich verlaufen wird.
Diese Kinder, ob dunkel- oder hellhäutig, groß oder klein, begabt oder weniger begabt, mit russischem Akzent oder mit akzentfreiem Hebräisch, ob strebsam, still oder frech, feiern in dieser letzten Woche des Jahres 2003 mit dem Chanukkafest, daß sie als Juden in Freiheit im jüdischen Land leben können. Sie feiern einen Sieg, der vor 2.168 Jahren errungen wurde.
Damals war es dem jüdischen Volk gelungen, die griechische Besatzungsmacht zu besiegen. Antiochus III. Epiphanes hatte versucht, den Juden die hellenistische Kultur aufzuzwingen. Im Jahre 169 vor Christus hatte er den Tempel in Jerusalem geplündert und durch Götzendienst und Schweineopfer entweiht. Die apokryphen Makkabäerbücher erzählen über diese Zeit.
Die acht Arme der Chanukkia, die acht Kinder mit den Kerzentransparenten, stehen für acht Tage. So lange hatte es gedauert, bis die Priester kultisch reines Olivenöl herstellen konnten, genau wie Gott es einst dem Mose befohlen hatte (3. Mose 24,1-4). Als Judas Makkabäus, der selbst aus dem Priestergeschlecht der Hasmonäer stammte, den Tempel von den hellenistischen Götzendienern befreite, hatte er aber kein reines Öl, um den siebenarmigen Leuchter anzuzünden.
Trotzdem konnte der Leuchter gleich nach der Befreiung des Heiligtums angezündet werden. Denn im Tempel fand sich noch ein kleiner Krug mit heiligem Öl. Durch ein Wunder, so erzählt die jüdische Tradition, brannte er acht Tage lang. Im Andenken an dieses Ölwunder wird in der Chanukkawoche der achtarmige Leuchter angezündet, an jedem Abend eine weitere Kerze. Und deshalb gibt es in dieser Zeit auch Speisen, die in Öl gebraten sind, wenngleich nicht unbedingt in Olivenöl. Zum Abschluß der Chanukkafeier bekommt dann auch jeder einen süßen Berliner.
In diesem Jahr beginnt Chanukka am Abend des 19. Dezember und dauert bis zum 27. Dezember.