LONDON (inn) – Boris Johnson sieht sich in den Fußstapfen des ehemaligen britischen Außenministers Arthur James Balfour. 100 Jahre nach dem Brief, in dem dieser den Juden eine Heimstatt im Mandatsgebiet versprach, formuliert er seine Vision für den Nahen Osten. Dabei hält er an dem Anliegen seines berühmten Amtsvorgängers fest – das er als noch nicht vollständig erfüllt sieht.
„Es war hier in diesem Raum, unter derselben goldüberzogenen Zimmerdecke, dass ein Kapitel der Geschichte begann. Am 2. November 1917 saß mein Vorgänger Lord Balfour im Büro des Außenministers, wo ich jetzt schreibe, und setzte einen Brief an Lord Rothschild auf.“ Mit diesen Worten beginnt der Brief des heutigen britischen Außenministers, der am Montag in der Tageszeitung „The Telegraph“ erschien.
Als Essenz der englischen Balfour-Erklärung macht Johnson 67 Worte aus, die „den Grundstein des Staates Israel legten“. Der Lord habe einerseits erklärt, dass „die Regierung Seiner Majestät mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstatt für das jüdische Volk in Palästina sieht“. Andererseits habe er dies mit der „berühmten und lebensnotwendigen Bedingung“ versehen, dass „nichts unternommen werden soll, was die zivilen und religiösen Rechte bestehender nicht-jüdischer Gemeinschaften beeinträchtigen könnte“.
Der Minister folgert, die Erklärung sei unabdingbar für die Schaffung einer großartigen Nation gewesen. Er gesteht Israel zu, dass es „in einer Region, in der viele Autoritarismus und Missregierung erduldet“ hätten, „sich immer als freie Gesellschaft ausgezeichnet hat“. Das habe er selbst erfahren, als er in seiner Jugend in einem Kibbutz arbeitete. Deshalb sei er „stolz auf den Anteil Großbritanniens an der Gründung Israels. Und Ihre Majestät wird die Hundertjahrfeier der Balfour-Erklärung am Donnerstag in diesem Geiste begehen“.
Vision an Peel-Kommission orientiert
Doch die Warnung der Erklärung, die andere Gemeinden bewahren wollte, sei noch nicht vollständig umgesetzt. Und so formuliert Johnson seine Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt: zwei Staaten für zwei Völker, die Seite an Seite in Frieden leben. Diese Vision habe bereits ein anderer Brite, Lord Peel, 1937 dargelegt. Eine solche Lösung verlange beiden Seiten schmerzhafte Kompromisse ab.
Der Politiker der Konservativen Partei stützt sich dabei auch auf die UN-Resolution 181 – den Teilungsplan, den die Vereinten Nationen am 29. November 1947 verabschiedeten. Allerdings sollten sich nunmehr die Grenzen nach dem Zustand vom 4. Juni 1967 richten, also direkt vor dem Sechs-Tage-Krieg. Ein Austausch von Gebieten „um die nationalen, sicherheitsbezogenen und religiösen Interessen des jüdischen und des palästinensischen Volkes widerzuspiegeln“, gehöre dazu. Weiter schreibt Johnson: „Es muss Sicherheitsarrangements geben, die, für Israelis, das Wiederaufleben von Terror verhindern und sich effizient mit allen Bedrohungen auseinander setzen, darunter auch neue und bedeutsame Bedrohungen in der Region; und die, für Palästinenser, ihre Souveränität respektieren, Bewegungsfreiheit gewährleisten und demonstrieren, dass die Besatzung vorüber ist.“
Den endgültigen Status von Jerusalem überlässt Johnson den Konfliktparteien vor Ort. Allerdings legt er schon einmal fest, dass es die geteilte Hauptstadt von Israel und einem palästinensischen Staat sein soll. Dabei müsse die Stadt allen, denen es teuer ist, Zugang und religiöse Rechte gewähren.
Hoffnung auf mehr Einsatz gegen Terror und Antisemitismus
Ein Zeichen der Hoffnung ist für den britischen Außenminister die neue Generation arabischer Führer, die „Israel nicht im selben Licht sieht wie ihre Vorgänger“. Er schließt mit den Sätzen: „Ich vertraue darauf, dass mehr gegen die Zwillingsgeißeln Terror und Antisemitismus getan werden wird. Aber letztlich sind es Israelis und Palästinenser, die die Einzelheiten aushandeln und ihr Kapitel in der Geschichte schreiben müssen. Ein Jahrhundert weiter wird Großbritannien jede Unterstützung geben, die wir können, um den Kreis zu schließen und das unvollendete Geschäft der Balfour-Erklärung abzuschließen.“
Von: eh