Ungläubig und zugleich fast ehrfürchtig blickt er sich im Tottenham Hotspur Stadium um. Über ihm prangt eine riesige Leinwand mit seinem Konterfei und der englischen Aufschrift „Willkommen Manor Solomon“. Ein begleitendes Filmteam hält die ersten Augenblicke seiner Ankunft fest. Auf die Frage nach seinem ersten Eindruck, kommen ihm nur die Worte „unglaublich“ und „unbeschreiblich“ über die Lippen. Der junge Israeli ist sichtlich beeindruckt.
Erst vor wenigen Tagen hat der 23-jährige Fußballspieler beim englischen Premier-League-Verein Tottenham Hotspur einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben. Nachdem sich die Gerüchte immer weiter verdichteten, verkündete der Verein am Dienstag vergangener Woche schließlich den erfolgreichen Vertragsabschluss. Solomon wechselt somit ablösefrei vom ukrainischen Klub Schachtar Donezk in den Norden Londons.
In der vergangenen Spielzeit hatte er auf Leihbasis für den ebenfalls erstklassigen FC Fulham gespielt, der die Saison auf Tabellenplatz 10 beendete. Mit seinem Wechsel zu den „Spurs“, wie der traditionsreiche Verein häufig auch genannt wird, geht der dribbelstarke Flügelspieler einen weiteren großen Schritt in seiner noch jungen Karriere.
Von Israel in die Champions League
Geboren und aufgewachsen ist Solomon in der israelischen Stadt Kfar Saba, etwa 15 Kilometer nordöstlich von Tel Aviv. Bereits im Alter von fünf Jahren träumt er davon, einmal Profi-Fußballer zu werden. Tatkräftig unterstützt wird der Sohn eines Lehrers und einer Lehrerin dabei von seinen Eltern.
Im Alter von 17 Jahren gibt er beim nahegelegenen Erstliga-Verein Maccabi Petach Tikva sein Profi-Debüt. In insgesamt 73 Einsätzen erzielt er acht Tore und sechs Vorlagen. Während der Winterpause der Saison 2018/2019 wechselt Solomon zum ukrainischen Champions-League-Teilnehmer Schachtar Donezk. Seine Familie und seine Eltern zu verlassen, sei ihm sehr schwer gefallen, schildert er in seinem ersten Interview gegenüber „Spursplay“, der vereinseigenen Filmplattform von Tottenham.
Doch der Schritt nach Europa lohnt sich. Noch im selben Jahr gewinnt er dort mit Schachtar die Meisterschaft sowie den ukrainischen Pokal – vergleichbar mit dem deutschen DFB-Pokal. Im Finale gegen Inhulez Petrowe erzielt er wenige Minuten nach seiner Einwechslung das letzte Tor des Abends und zugleich sein erstes für Donezk. Und es sollten weitere Folgen. Ein ganz besonderes gelingt ihm im Champions-League-Spiel gegen Atalanta Bergamo. Damit macht er sich zum bisher jüngsten Israeli, der in diesem Wettbewerb getroffen hat.
Auch in der israelischen Nationalmannschaft sind die Verantwortlichen früh vom Talent des jungen Spielers überzeugt. Nachdem Solomon sämtliche Jugendabteilungen durchlaufen hat, feiert er 2018 unter dem damaligen Trainer Andreas Herzog sein Debüt bei den Herren. Im Nations-League-Spiel gegen Schottland, einem vom europäischen Fußballverband UEFA organisierten Turnier, trifft er im Jahr 2020 zum ersten Mal für sein Heimatland. In den Sozialen Medien schreibt er dazu: „Es hat mir großen Spaß gemacht, mein erstes Tor im Nationaltrikot zu erzielen.“
Kriegsbedingter Abschied aus der Ukraine
Nach insgesamt 106 Pflichtspielen, 22 Toren und neun Vorlagen wechselt Solomon im Sommer 2022 auf Leihbasis zum FC Fulham in die englische Premier League. Möglich wird dieser Wechsel durch eine Sonderregelung des Weltfußballverbandes FIFA, die es in der Ukraine und Russland tätigen Spielern und Trainern erlaubt, ihre Vereine vorzeitig zu verlassen.
Auch hier hinterlässt der Krieg in der Ukraine seine Spuren. Nachdem der Spielbetrieb mit Beginn des Krieges ausgesetzt wurde, rollt der Ball mittlerweile wieder – begleitet von neuen Vorschriften. Die Nähe zu einem Luftschutzbunker ist nun Teil des Reglements.
Für Solomon bedeutet der Wechsel trotz schwieriger Umstände eine große Chance: Mit dem FC Fulham erhält er die Möglichkeit, sich in der derzeit besten Liga der Welt zu beweisen. Obwohl er zwischenzeitlich von einer Knieverletzung ausgebremst wird, gelingen ihm in 24 Einsätzen fünf Tore. Besonders auffällig sind zudem seine Dribbelstärke – die Fähigkeit, den Ball ganz eng am Fuß zu führen – und seine Schnelligkeit. So ist es nicht verwunderlich, dass der FC Fulham gewillt ist, ihn zu halten – und auch die „Spurs“ ihr Interesse bekunden.
Zweiter Israeli bei Tottenham
Nach Ronny Rosenthal ist Solomon nun der zweite Israeli, der für Tottenham spielt. Der inzwischen 59-Jährige absolvierte während seiner dreieinhalb Jahre in London 94 Einsätze und erzielte acht Tore. Mit seinem vorherigen Verein, dem FC Liverpool, wurde er 1990 sogar englischer Meister. Eine ähnlich erfolgreiche Karriere dürfte auch dem jungen Solomon bevorstehen – wenn nicht sogar noch mehr.
Für die erste Saison beim Champions-League-Finalisten von 2019 möchte er sich bestmöglich zeigen und die Mannschaft mit all seiner Kraft unterstützen. Mit dem neuen Trainer, Ange Postecoglou, soll wieder attraktiver und mitreißender Offensivfußball gespielt werden. Eine Art und Weise, die Solomon sehr gut liegen sollte. Doch die Ansprüche und Erwartungen sind hoch, dessen ist er sich bewusst.
Für den jungen Israeli, der am kommenden Montag 24 Jahre alt wird, ist mit dieser neuen Herausforderung ein großer Traum in Erfüllung gegangen. Noch vor wenigen Jahren hätte er das nicht für möglich gehalten. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie weit sein Weg noch gehen wird.
Von: Valerie Wolf
