US Präsident Barack Obama hatte vor einem Jahr in Kairo mit einer Rede einen gewagten Vorstoß in Richtung Versöhnung mit Islam und muslimischen Ländern gemacht. Er forderte einen Stopp der israelischen Siedlungspolitik und erwartete im Gegenzug „Gesten“ von den arabischen Staaten gegenüber Israel. Das Vorhaben scheiterte jämmerlich, wie die Amerikaner inzwischen eingestehen müssen. Die arabischen Gesten wurden rundweg ausgeschlagen. Israels Premier Benjamin Netanjahu bekannte sich zwar zu einer „Zwei-Staaten-Lösung“ verknüpfte die aber an so viele Bedingungen und Entmilitarisierungen, dass kein Palästinenser das akzeptieren konnte. Ein auf zehn Monate befristeter Baustopp in den „Siedlungen“ wird nicht nur von den Siedlern selber täglich unterhöhlt, wie das fleißig die linksgerichtete Zeitung „Ha´aretz“ und die „Frieden Jetzt“-Bewegung dokumentieren, mit der offenkundigen Absicht, die rechtsgerichtete israelische Regierung innenpolitisch unglaubwürdig zu machen. Ohnehin hatte Netanjahu sich geweigert, den Baustopp auch auf das von Israel 1967 erweiterte und annektierte Jerusalem anzuwenden. Hinzu kommt die Ankündigung, in der Großsiedlung Beitar Illit 112 Wohnungen hinzuzufügen. Die Palästinenser bezeichneten das als „Provokation“ und drohten, deshalb ihre Zustimmung zu indirekten Verhandlungen wieder zurückzunehmen. Nach Ansicht des amerikanischen Außenministeriums sei das Projekt kein Verstoß gegen den Baustopp in Siedlungen. Eine Anfrage beim Sprecher des Verteidigungsministers Ehud Barak ergab, dass der Bau dieser Wohnungen längst unter der vorigen Regierung Olmerts genehmigt worden war. Barak genehmigte „ausnahmsweise“ eine Fortsetzung des Baus, weil durch das unfertige Bauprojekt sonst Abrutschgefahr für andere Häuser an einem steilen Abhang drohe.
Um die palästinensische Seite steht es nicht viel besser. Die Spaltung zwischen Hamas und Fatah, zwischen Gazastreifen und Westjordanland konnte bisher nicht überwunden werden. Im Januar endete die Kadenz des Präsidenten Mahmud Abbas und des ohnehin nicht funktionsfähigen Parlaments. Neuwahlen sind nicht einmal in Sicht. Genau genommen gibt es keinen gemäß der eigenen Verfassung legitimierten Gesprächspartner in Ramallah, mit dem verhandelt, geschweige denn ein Vertrag unterzeichnet werden könnte, der dann für alle Palästinenser gilt, also auch für die islamistischen Meuterer der Hamas in Gaza.
Präsident Abbas verweigert seit dem Weggang des wegen Korruption zurückgetretenen israelischen Premiers Ehud Olmert und der Amtsübernahme von Netanjahu eine Fortsetzung der „Friedensgespräche“ mit Israel. Während Olmert unbescholten in den umstrittenen Siedlungen bauen konnte, soviel er wollte, forderte Abbas von Netanjahu Bedingungen, darunter einen völligen Baustopp. Für Abbas gibt es keinen triftigen Grund, sich auf Verhandlungen mit Israel einzulassen. Denn israelische Konzession müsste er dann mit palästinensischen Zugeständnissen teuer bezahlen. Vielmehr kann er sich genüsslich zurücklehnen, da die Amerikaner, die EU und andere Staaten das Verhandlungsergebnis vorweggenommen haben: Die künftige Grenze soll die alte Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Jordanien sein. Die Siedlungen sind allesamt illegal. Jerusalem wird geteilt. Zuletzt hat der EU-Gerichtshof das mit einem Urteil festgemacht, in dem er bestimmte, dass alle von Israelis produzierten Waren jenseits jener Grünen Linie nicht als „made in Israel“ unverzollt in die EU exportiert werden dürften.
Präsident Clintons Friedensvorschlag vom 23. Dezember 2000, mitsamt einem Verbleib der großen Siedlungsblöcke bei Israel, ist längst vergessen. Warum sollte sich Abbas Verhandlungen aussetzen, wenn Andere sich anbieten, an seiner Stelle mit Israel zu verhandeln und mit „internationalem Druck“ abzuringen?
Obgleich es zahllose direkte Kontakte gibt, Ramallah bis heute an das Ortsnetz von Jerusalem angeschlossen ist und die Kooperation zwischen palästinensischen und israelischen Sicherheitskräften heute sogar besser funktioniert als vor Ausbruch der Intifada, des blutigen palästinensischen Aufstandes im Jahr 2000, entwickeln die Amerikaner und Europäer nach über einem Jahr politischer Untätigkeit plötzlich ein Gefühl der Dringlichkeit, im Handumdrehen, die Probleme des Nahen Ostens „lösen“ zu müssen. Die von Abbas gewünschten „indirekten Gespräche“ werden mit Sicherheit scheitern. Wenn die aber laut Erekat „die letzte Chance“ sind, fragt sich, was danach kommt.
Die Probleme werden sich ebenso wenig in Luft auflösen wie die Palästinenser, die Israelis und der Konflikt zwischen ihnen. Es wird also einen neuen Anlauf geben, wie schon dutzende Male in den vergangenen hundert Jahren. Die Menschheitsgeschichte kennt keine „letzte Chance für einen Frieden“, auch wenn es zwischendurch wieder zu einem Krieg kommen sollte.