Israelis investieren viel Zeit, Energie und Geld in ihre Feste. Sie feiern die biblischen Feste, die der Herr selbst geboten hat: das Passahfest (Pessach), das Pfingstfest (Schavuot) und das Laubhüttenfest (Sukkot). Aber es gibt auch noch andere Feiern, die ihren Ursprung in der Bibel haben, etwa das Purimfest, über das im Buch Ester berichtet wird, oder Chanukka, an dem im Dezember der Sieg über die Hellenisten gefeiert wird, wie es in den Makkabäer-Büchern beschrieben ist.
Darüber hinaus bietet die biblische Tradition noch weitere Anlässe für Familienfeiern: die Beschneidung, die Auslösung des erstgeborenen Sohnes und die Hochzeit. Hinzu kommt im modernen Israel der Unabhängigkeitstag und jede Woche natürlich der Sabbat, so dass man eigentlich von einem Fest auf das nächste zulebt. Dazwischen liegen Fastenzeiten, Fastentage und traurige Erinnerungstage, wie der Holocaust-Gedenktag oder der Gedenktag für die gefallenen Soldaten.
Auch Kindergeburtstage werden mit Begeisterung lautstark und gerne gefeiert, und das bei einer Zahl von durchschnittlich drei bis fünf Kindern. Eine bedeutende Geburtstagsfeier wird gehalten, wenn ein Junge dreizehn Jahre oder ein Mädchen zwölf Jahre alt wird. Dieses Fest heißt bei Jungs "Bar Mizwa" und bei Mädchen "Bat Mizwa". "Mizwa" heißt "Gebot". Wenn ein Kind zum "Sohn" oder zur "Tochter des Gebots" wird, bedeutet das, dass der Jugendliche fortan selbst die Verantwortung in religiösen Angelegenheiten tragen soll. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass sich diese jüdische Sitte als Alternative zur katholischen Firmung oder der evangelischen Konfirmation entwickelt hat. Als Zeremonie ist es eine relativ neue Sitte. Früher gab es nur eine "Bar Mizwa" für die Jungen. Dass Mädchen eine "Bat Mitzwa" feiern, ist ganz neu.
Verantwortung für religiöses Handeln übernehmen
Nach biblischer Vorstellung tragen Eltern die Verantwortung für das Verhalten ihrer Kinder, ganz besonders wenn es um den Gehorsam Gott gegenüber geht. Nach jüdischer Tradition soll ein Jude im Teenageralter die Verantwortung für sein Handeln übernehmen. So wird etwa der 24-stündige Verzicht auf Essen und Trinken am Jom Kippur, dem großen Versöhnungstag, in orthodoxen Familien von Jugendlichen nach ihrer Bar- beziehungsweise Bat Mizwa erwartet.
Im orthodoxen Umfeld bereiten sich die Jungen gründlich auf ihre Bar Mizwa vor. Sie lernen unter rabbinischer Aufsicht den Wochenabschnitt aus der Torah, der auf ihren Geburtstag fällt, um ihn dann aus der Torahrolle vortragen zu können. Die fünf Bücher Mose sind in Wochenabschnitte von meist mehreren Kapiteln aufgeteilt, so dass man während eines Jahres die gesamte Torah einmal durchliest. Dieser Zirkel geht am Laubhüttenfest zu Ende. Am letzten Tag des Festes, dem Freudenfest der Torah, "Simchat Torah", fängt man wieder von vorne an.
Den biblischen Text in der Originalsprache richtig vorzutragen, ist nicht einfach. Das Althebräische unterscheidet sich von der modernen Sprache. Im ursprünglichen Text stehen auch keine Vokale, das heißt, der Text ist unpunktiert. Zudem wird der Text vorgesungen. Der "Bar Mizwa", der "Sohn des Gebots", liest seinen Text entweder in der Synagoge oder an der Klagemauer in Jerusalem öffentlich vor. Während dieser Zeremonie legt der 13-Jährige erstmals die Gebetsriemen an und verpflichtet sich, regelmäßig zu beten. Dabei rezitiert er beispielsweise Hosea 2,21-22: "Ich will mich mit dir verloben für alle Ewigkeit, ich will mich mit dir verloben in Gerechtigkeit und Recht, in Gnade und Barmherzigkeit. Ja in Treue will ich mich mit dir verloben, und du wirst den Herrn erkennen."
Das Festmahl, zu dem die Familie anschließend Verwandte und Freunde einlädt, die nicht selten aus dem Ausland kommen, findet in der Regel in einem gemieteten Saal statt. In diesem Rahmen hält der Junge oder das Mädchen dann eine Rede zu seinem Wochenabschnitt. Zum Abschluss bedankt sich das Kind bei seinen Eltern und allen, die es bis dahin begleitet haben. Die Eltern geben ihrerseits symbolisch die Verantwortung mit dem Spruch ab: "Danke dem, der mich von der Verantwortung für dieses Kind befreit hat." Natürlich werden sie auch weiterhin für ihren Jugendlichen sorgen. Es geht um die Selbstverantwortung im religiösen Bereich.
Holocaust-Überlebende holen Zeremonie nach
Familien, die nicht religiös sind, feiern in ihrem eigenen Stil, den Interessen des Kindes entsprechend. So kann eine israelische Bar Mizwa durchaus auch einmal einer Disco gleichen. In manchen messianisch-jüdischen Familien übt der Junge das Vorlesen des biblischen Textes – aber das kommt auf die Überzeugung und Prägung der jeweiligen Familie an. In den vergangenen Jahren haben vermehrt Holocaust-Überlebende ihre Bar Mizwa, die ihnen im Konzentrationslager oder auf der Flucht unmöglich gemacht und damit geraubt worden war, nachgefeiert. So ein Ereignis ist von einer ganz besonderen Freude geprägt.