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Bad Boll: Konferenzteilnehmer kritisieren deutsche Nahostpolitik

BAD BOLL (inn) - Die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft müssen den Druck auf Israel erhöhen. Dies forderte der frühere Botschafter in Jordanien, Martin Schneller, am Wochenende bei einer Tagung an der Evangelischen Akademie Bad Boll. Dort ging es um das umstrittene "Kairos-Palästina-Dokument", das 2009 von palästinensischen Christen verfasst wurde.

"Nur, wenn zum Beispiel finanzielle Leistungen an beide Konfliktparteien von Fortschritten im Friedensprozess abhängig gemacht werden, wird sich etwas bewegen", sagte Schneller laut einer Pressemitteilung der Akademie. Mit Bezug auf das Vorhaben der Palästinenser, die UN im September über die Unabhängigkeit ihres Staates abstimmen zu lassen, fügte er hinzu: "Sollte die Bundesregierung wie angekündigt mit ‚Nein‘ stimmen, stellt sie sich gegen die Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft und verhindert wie schon bei der Entscheidung über einen UN-Einsatz gegen Libyen ein einheitliches Votum der EU."

Der Vizepräsident von "Pax Christi", Johannes Schnettler, schloss sich der Kritik an: "Die Politik der Bundesregierung krankt daran, keinen politischen Blick für das Unrecht zu haben, das den Palästinensern geschieht." Israel verletze in den Palästinensergebieten wiederholt das Völkerecht.

DIG: Nicht wieder zu Boykottaufruf schweigen

Dieter Qualmann von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Oldenburg sagte, es gebe unterschiedliche Positionen innerhalb der DIG zu "Kairos-Palästina". Er glaube, es sei hilfreich, um einen Dialog zu begründen, kritisierte jedoch vor allem den Aufruf nach einem wirtschaftlichen Boykott Israels. "Ich wende mich entschieden gegen jeden Aufruf zum Boykott israelischer Waren oder zu wirtschaftlichen Sanktionen", sagte der Theologe. Die Kirchen hätten 1933 zu Boykottaufrufen gegen jüdische Geschäfte geschwiegen, deshalb dürften sie nun jedweden Rufen nach wirtschaftlichen Sanktionen keine Plattform bieten.

Auch Pfarrer Friedhelm Pieper, Beauftragter für Entwicklung und Partnerschaft Europa am Zentrum Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, äußerte sich in diesem Zusammenhang kritisch: "Ein solcher Aufruf zum Boykott Israels weist Israel die alleinige Ursache des Konflikts zu und macht Israel allein für die Lösung dieses Konflikts verantwortlich." Stattdessen könnten religiöse Gruppen, Kirchen und Friedensinitiativen Foren der Begegnung bieten für Investitionen etwa in die Bildungsarbeit und den interreligiösen Dialog eintreten.

"Kairos-Palästina"-Mitautor betont Gewaltverzicht

Einer der Autoren, Dschamal Chader, bezeichnete das Dokument als Plädoyer für Dialog und gewaltlosen Widerstand – obwohl dort Gewalt gegen Israel positiv gewürdigt wird: "Wir haben uns für den Weg des Gewaltverzichts entschieden", so der Dekan der Sozialwissenschaften der Katholischen Universität Bethlehem. "Gerade deshalb fordern wir Kirchen und Regierungen auf, sich stärker als bisher für die Menschenrechte der Palästinenser einzusetzen." Das Leid der Menschen im Gazastreifen und in der Westbank sei groß. Kritiker werfen den Verfassern von "Kairos-Palästina" neben dem Boykottaufruf unter anderem eine klassische Haltung der Ersatztheologie, "palästinensische Politpropaganda im frommen Gewand" und fehlende Selbstkritik vor. Das Dokument geht ausführlich darauf ein, wie der Lebensalltag der Palästinenser und damit auch der Christen durch die israelische Besatzung eingeschränkt wird. Terror als Ursache wird nur am Rande erwähnt. Extremisten scheint es nur auf israelischer Seite zu geben.

Abdullah Abu Rahmah nannte als Beispiel für einen gewaltlosen Protest die friedlichen Demonstrationen gegen die israelische Sperranlage. „Wir demonstrieren jeden Freitag gegen die Mauer, die durch unser Dorf verläuft. 20 weitere Dörfer haben sich angeschlossen. Dort gibt es Komitees, in denen sich Männer, Frauen und Kinder zusammenschließen. Wir gehören keiner Partei an, wir laden Israelis und Gäste aus dem Ausland zum Gespräch ein", sagte der Palästinenser.

Die Tagung veranstaltete die Evangelische Akademie Bad Boll gemeinsam mit der deutschen Sektion von "Pax Christi", der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg und dem Evangelischen Missionswerk in Südwestdeutschland. Die Redner würdigten "Kairos-Palästina" als mögliche Grundlage für einen neuen Dialog über den Nahost-Konflikt in Deutschland.

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