BE’ER SCHEVA (inn) – Die Artenvielfalt in der Wüste Negev ist in Gefahr. Darauf weisen israelische Wissenschaftler hin. Als Gründe nennen sie die Einengung und die Zerstückelung von Lebensraum.
Jael Lubin arbeitet an der Ben-Gurion-Universität des Negev in Be’er Scheva in der Abteilung für Wüstenökologie. Im August veröffentlichte sie einen Aufsatz in der Fachzeitschrift „Journal of Arid Environments“. Er trägt die Überschrift: „Vielfalt und bodenaktive Spinnen in den Lebensräumen des Negev, Israel“. Darin berichtet die Forscherin, wie sie ausgerechnet in einer Sanddüne eine ungewöhnlich hohe Konzentration von Spinnen entdeckt habe. Sie sei überrascht gewesen, weil es sich um einen besonders rauen Lebensraum handele.
Besondere „Werkzeuge“ zum Graben im Sand
Im Gespräch mit der Nachrichtenseite „The Media Line“ erklärte Lubin die Hintergründe: „Diese Spinnen und andere Insekten haben ‚besondere Werkzeuge zum Graben im Sand‘, die es ihnen ermöglichen, längere Gänge zu graben, die nicht einstürzen.“ Sie merkte an: „Wenn Sie mal versucht haben, ein Loch im Sand zu graben, finden Sie heraus, dass das fast unmöglich ist.“ Ein ähnliches Phänomen sei in den Lössebenen der südisraelischen Wüste zu beobachten. Dort überleben die Tiere in einer Mischung aus Ton und Sand.
Doch es gebe Probleme: „Sowohl die Sanddünen als auch die Lössebenen sind durch Entwicklung und menschliche Aktivität bedroht, weil sie räumlich begrenzt sind und oft von Menschen genutzt werden. Im Sinne der Bewahrung nehme ich die Botschaft mit nach Hause, dass diese beiden Lebensräume besser geschützt werden müssen.“
Die Wissenschaftlerin wies darauf hin, dass nicht nur eine Tiergruppe verloren gehe: „Wenn man kleine Organismen wie Spinnen verliert, verliert man auch alles, was sich von ihnen ernährt, von Eidechsen und Schlangen bis hin zu Vögeln und großen Tieren.“ Dies wirke sich auch stark auf Menschen aus. „Wenn diese Lebensräume hier zerstört werden, ist es ein Verlust für Generationen von Israelis, die nicht in der Lage sein werden, die Natur des Landes zu bestaunen.“
Jerusalemer Ökologe: Lebensraum wird zersplittert
Auch Dror Hawlena befasst sich mit dem Problem. An der Hebräischen Universität Jerusalem hat er sich auf die funktionale Ökologie der Nahrungskettendynamik spezialisiert. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Wüstenlebensräumen. Er wies darauf hin, dass nicht nur Lebensräume zerstört würden. Vielmehr schränkten menschliche Aktivitäten auch die Bewegungsfreiheit zwischen Fress- und Ruheorten der Tiere ein. Dies bedeute das Todesurteil für viele Arten. „Zersplitterung von Lebensraum ist im Negev ein riesiges Problem geworden“, sagte Hawlena. „Es nimmt sehr schnell zu wegen der Infrastrukturentwicklung.“ Ein Beispiel sei eine geplante Bahnlinie nach Eilat.
Zudem brächten Menschen Tierarten mit, die überall leben könnten. Sie bedrohten die besonderen Spezies, die bereits in der Wüste lebten. Zur Anschauung nannte der Wissenschaftler die Fransenfingereidechse von Be’er Scheva (Acanthodactylus beershebensis), die nur in Israel vorkommt. In den 1990er Jahren habe der Kuhreiher, ein Feind der Eidechse, Teile des Negev besiedelt.
Dieser Reiher benötige hohe Bäume zum Nisten, die er trotz der Wüstenlandschaft in alten Kibbutzim wie Revivim gefunden habe. Die Vögel kämen ins Wohngebiet der Eidechsen, um Nahrung zu suchen. Dann kehrten sie zum Ruhen und Trinken in den Kibbutz zurück. „Sie sind viel größere und effizientere Feinde als die anderen Feinde. Dieser Vogel allein kann die Eidechsen vernichten.“ In einer kleinen Studie wurde festgestellt, dass jeder Reiher täglich vier bis sechs Eidechsen verzehre. Er könne nur überleben, wenn sich menschliche Ansiedlungen in der Gegend befänden.
In dem Zusammenhang wies Hawlena auf den Ökotourismus hin, der im Kommen sei. Um ihn zu fördern, sei es notwendig, die Artenvielfalt zu erhalten. Er sprach sich für einen Langzeitplan aus: „Die Leute treiben die Entwicklung entsprechend des sofortigen Bedarfs voran, ohne über die zukünftigen Konsequenzen nachzudenken.“ Große zusammenhängende Reservate für die einzigartigen Insekten und Reptilien seien nötig.
Von: eh