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Architekturpreis wegen Unterschrift unter Boykottaufruf aberkannt

Eine deutsche Stiftung nominiert einen Briten für einen Architekturpreis – und zieht die Entscheidung zurück. Grund ist ein anti-israelischer Boykottaufruf.
Von Israelnetz

KARLSRUHE (inn) – Die deutsche Schelling Architekturstiftung hat die Vergabe einer Auszeichnung an den Briten James Bridle zurückgezogen. Denn dieser hatte einen Aufruf zum Boykott israelischer Kultureinrichtungen im Online-Magazin „The Literary Hub“ unterzeichnet. Er wendet sich gegen „Komplizen oder schweigende Beobachter“ angesichts der „überwältigenden Unterdrückung von Palästinensern“.

Die Architekturpreise wurden am Mittwoch in Karlsruhe verliehen. Thema war „die architektonische und architekturtheoretische Auseinandersetzung mit den Eingriffen in globale Ökosysteme und ihre Konsequenzen für Mensch und Natur“. Den Theoriepreis sollte Bridle erhalten, „dessen Publikationen zu den komplexen Beziehungen zwischen Gesellschaft, Technologie und Ökologie eine gewichtige Bereicherung des aktuellen Diskurses liefern“.

Doch am Montag gab die Stiftung bekannt, dass es in diesem Jahr keinen Theoriepreisträger geben werde. Die Boykott-Unterstützung stelle sie vor ein Problem, „das sich aus dem Bewusstsein für die nationale Geschichte Deutschlands und der sich daraus ergebenden Verantwortung ergibt. James Bridles Unterschrift unter dem Aufruf zum Boykott israelischer Kultureinrichtungen steht in direktem Widerspruch zu dieser Verantwortung – und ist der Anlass dafür, dass die Stiftung ihm den Preis nicht verleihen kann“.

Der Mitteilung zufolge fiel die Entscheidung in allen Gremien der Stiftung einstimmig. „Wir respektieren selbstverständlich das Recht, politische Haltungen zum Ausdruck zu bringen, zumal die Stiftung James Bridle nicht etwa Antisemitismus vorwirft. Aber die Stiftung kann weder einen Aufruf zur kulturellen Isolation Israels unterstützen, noch damit in Verbindung gebracht werden“, hieß es weiter.

Bridle sieht Inkonsequenz

Bridle sagte der britischen Zeitung „Guardian“, die Stiftung habe ihn am Sonntag per Mail darüber informiert, dass er den Preis nun doch nicht erhalte. Darin verweise sie auch auf die Resolution „Nie wieder ist jetzt“, die der Deutsche Bundestag am 7. November beschlossen hat.

Als ironisch empfindet es der Architekt, dass die Jury sein Buch „Ways of Being“ von 2022 als besonders beachtenswert gewürdigt habe: Es enthalte eine Diskussion über die israelische „Apartheid-Mauer“ im Westjordanland und zur „Beziehung zwischen Genozid und Ökozid“.

Bridle sieht hinter der Absage einen indirekten Vorwurf: „Auch wenn sie nicht bereit sind, es offen zu äußern, ist die Entscheidung der Stiftung eine Antisemitismus-Anklage, was widerlich ist. Vor allem in Anbetracht der eigenen Geschichte der Organisation.“

Schelling war in SA und NSDAP

Damit bezog sich der Brite auf den Namensgeber, den Architekten Erich Schelling (1904–1986). Dieser war während der NS-Zeit Mitglied der Sturmabteilung (SA) und der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP). Die Stiftung hat seine Verstrickung in den Nationalsozialismus aufarbeiten lassen.

Demnach erklärte Schelling bei der Entnazifierung, der Leiter der Staatlichen Bauverwaltung habe ihn 1934 aufgefordert, in die NSDAP einzutreten. „Ich war Künstler und habe mich nie für Politik interessiert.“ Die Mitgliedschaft habe er zunächst abgelehnt, sei aber 1934 der SA beigetreten. „Im November 1937 wurde ich durch die SA als Anwärter in die Partei überführt, und wahrscheinlich im November 1938 als Mitglied aufgenommen.“ Er habe sich politisch nicht aktiv betätigt und keinerlei Funktion ausgeübt.

Seine Erfolge und den beruflichen Aufstieg führte Schelling demnach allein auf seine Begabung als Architekt und seine gründliche Vorbildung zurück. „Alle mir übertragenen Arbeiten wurden unter Heranziehung bester Mitarbeiter und Firmen ohne Rücksicht auf politische Bindungen durchgeführt.“ Zu diesen Aufgaben gehörte die Fertigstellung des Verlagshauses des „Führer-Verlags“ in Karlsruhe, der die Zeitung „Der Führer“ publizierte.

Boykottaufruf „ungeeignet für Friedensinitiativen“

Die Stiftung indes widersprach am Mittwoch der Deutung, sie habe Bridle Antisemitismus vorgeworfen. „Woher diese Anschuldigung in die Öffentlichkeit getragen worden ist, wissen wir nicht“, heißt es in der Ergänzung zur Pressemitteilung vom Montag. „Vielmehr sehen wir in einem einseitigen Boykottaufruf prinzipiell eine Gesprächsverweigerung. Viele Menschen in Israel haben Freunde in Palästina / dem Gazastreifen – und umgekehrt.“

Diese Menschen müssten unterstützt werden, „damit sich neue Freundschaften als Friedensgrundlagen entwickeln können. Die Schelling Stiftung ist der Ansicht, dass ein einseitiger Boykott-Aufruf nicht geeignet ist, Friedensinitiativen in Gang zu setzen oder zu unterstützen“.

Die Stiftung gründete 1992 Schellings Witwe Trude Schelling-Karrer (1919–2009), die von der „Ehrwürdigkeit“ ihres verstorbenen Mannes überzeugt war. Seit jenem Jahr wird der Preis vergeben.

Stiftung befürwortet Neubewertung

Angesichts der NS-Vergangenheit von Schelling schreibt die Stiftung: „Gegenwärtige Diskurse zu Straßen-, Institutions-, Stiftungsumbenennungen erschließen neue Blickwinkel auf die Relevanz historischer Ereignisse und Persönlichkeiten. Das ist gut so. Die Stiftung legt Wert auf größtmögliche Transparenz.“ Sie zeige seit ihrer Gründung eine thematische Ausrichtung, die international anerkannt werde.

Eine Neubewertung der im Nationalsozialismus tätigen Architekten hält die Stiftung nach eigener Aussage für selbstverständlich. „Geschichte ist eine lebendige Wissenschaft, und die Stiftung wird im Sinne ihres festgesetzten Anspruchs, fundiertes Wissen zu verbreiten, weiter tätig werden und NS-Forschungen auch unterstützen.“ (eh)

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