Wenn in einer Demokratie ein Staatsoberhaupt oder ein Regierungschef gewählt wird, gibt es am Ende der Amtszeit eine neue Wahl. Je nach Modus kann der Politiker wieder kandidieren, oder eben auch nicht. So beträgt etwa die Amtszeit des israelischen Staatspräsidenten seit 2000 sieben Jahre, und er kann sich danach nicht zur Wiederwahl stellen. Davor waren es fünf Jahre mit zwei möglichen Amtsperioden.
In der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) gelten diese weltweit verbreiteten Regeln, die offenbar nicht. Deren Präsident Mahmud Abbas wurde vor genau 20 Jahren gewählt – für vier Jahre. Seitdem hat die PA keine Präsidentschaftswahl mehr abgehalten. Der mittlerweile 89-jährige Fatah-Vorsitzende ist also seit 16 Jahren illegal im Amt.
Als Hauptgrund dafür nennt die PA die „israelische Besatzung“. Doch ein viel schwerer wiegender Faktor ist Abbas‘ Angst, seine Macht an den größten politischen Rivalen zu verlieren – die radikal-islamische Hamas. Umfragen der vergangenen Jahre zeigten einen entsprechenden Trend: Träte Abbas gegen den jeweils amtierenden Hamas-Chef an, dann würde er die Wahl klar verlieren. Die Fatah könnte demnach höchstens mit dem Anführer der „Al-Aqsa-Intifada“ Marwan Barghuti punkten, der wegen fünffachen Mordes in israelischer Haft sitzt.
Vorher PLO-Generalsekretär und Premierminister
Als Abbas am 9. Januar 2005 zum Nachfolger des zwei Monate zuvor verstorbenen Palästinenserführers Jasser Arafat gewählt wurde, war er politisch kein unbeschriebenes Blatt. Er gehörte zu den Gründern der Fatah und der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO). Als PLO-Generalsekretär unterschrieb er 1993 das Oslo-I-Abkommen mit Israel.
Drei Jahre später wurde Arafat der erste Präsident der neugeschaffenen PA. Auf internationalen Druck ließ er es widerwillig zu, dass 2003 das Amt des Premierministers eingerichtet wurde. Den Posten erhielt Abbas, der auch unter dem Namen Abu Masen bekannt ist. Und so unterzeichnete er mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush und dem israelischen Regierungschef Ariel Scharon die sogenannte „Roadmap“ – einen Friedensplan in mehreren Stufen, von denen bislang kein Paragraph umgesetzt wurde.
Sein jetziges Amt übt Abbas ohne Vizepräsidenten aus, das Parlament wurde 2018 aufgelöst. Und die Regierung samt Premierminister wechselt er regelmäßig aus. Es handelt sich um ein Scheinkabinett, denn Abbas regiert mit Dekreten.
Antisemitische Äußerungen
Als PA-Präsident tut er sich durch israelfeindliche und mitunter auch durch antisemitische Bemerkungen hervor, die internationale Kritik hervorrufen und dann wieder schnell in Vergessenheit geraten. Beispielsweise gab er 2018 in einer Rede den Juden die Schuld an der Schoa. Den Vorwurf wiederholte er im August 2023.
Ein Jahr zuvor behauptete er bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin, Israel habe „50 Holocausts“ gegenüber den Palästinensern begangen. Und im Mai 2023 verglich er bei einer UN-Gedenkveranstaltung israelische Äußerungen mit denen von Reichspropagandaminister der NSDAP, Joseph Goebbels.
Weder diese Äußerungen noch die überlange Amtszeit hindern internationale Akteure und Medien daran, Abbas als legalen Vertreter der Palästinenser zu behandeln. Auch die Unfähigkeit, den Konflikt mit der Hamas zu lösen und damit ein Hindernis auf dem Weg zur Eigenstaatlichkeit zu beseitigen, steht dem nicht im Wege.
Erstmals Nachfolge thematisiert
Immerhin hat Abu Masen am Ende seines 20. Amtsjahres zum ersten Mal seine mögliche Nachfolge thematisiert: Im Falle einer Vakanz werde der Vorsitzende des Palästinensischen Nationalrates (PNC), Rauhi Fattuh, das Amt kommissarisch bis zur Wahl eines neuen Präsidenten übernehmen, sagte er im November.
Es sieht derzeit allerdings nicht so aus, als strebe er danach, den Weg für einen Nachfolger per Rücktritt oder eine Wahl aktiv freizumachen. Dafür klebt Abbas zu sehr an der Macht.
3 Antworten
PA-Präsidenten Abbas an der Macht, seit 2009 nicht legitimiert. Die Palästinenser ein demokratisches Volk? Nie gewesen und sie werden nie eines werden.
Danke an Frau Hausen für ihre klugen Beobachtungen. Diese Art von Kommentaren möchte man in den Mainstreammedien sehen.
Vielen Dank für die freundliche Rückmeldung. Wir geben die Hoffnung nicht auf.