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Anemonenblüte im Süden des Landes

Der Krieg gegen die Hamas schlägt auf die Gemüter der Israelis. Da lässt die Anemonenblüte das Herz aufgehen.
Von Gundula Madeleine Tegtmeyer

Seit gut fünf Monaten bekämpfen wir Israelis die Terror-Organisation Hamas. Der Krieg und die anhaltende Sorge um die Geiseln bestimmen nach wie vor unsere Gedanken, viele unserer Gespräche und unseren Alltag. Abends erreicht mich eine WhatsApp-Nachricht. Um auf andere Gedanken zu kommen, etwas Ablenkung zu haben, planen meine Freundin Eva und ihr Ehemann Schai für den nächsten Tag einen Ausflug in den Süden des Landes, wo in diesen Wochen die Anemonen blühen.

Es ist die Zeit von darom adom, wie wir die Zeit der Anemonenblüte auf Hebräisch bezeichnen, auf deutsch: „Roter Süden“. Freudig nehme ich die Einladung zu einem spontanen Ausflug an. Zeit in der Natur zu verbringen, uns an Blumen zu erfreuen, wird uns seelisch guttun, unsere Resilienz stärken.

Wir werden uns schnell einig, unser Ausflugsziel ist der Schaharia-Wald. Er liegt in den Ausläufern der Negev-Wüste, nördlich von Kiriat Gat – Beit Guvrin (Route 35) und bietet viele verborgene Schätze. Seine Wald-und Radwege führen zu Erholungsgebieten, einige wurden mit Picknicktischen ausgestattet.

Teil des Waldes mit Spenden aus Los Angeles gepflanzt

Ein Teil des Waldes wurde einst auf Initiative des Jüdischen Nationalfonds‘ von Bewohnern des dort 1956 eingerichteten Durchgangslagers gepflanzt. Die jüdische Gemeinde von Los Angeles hatte zu Beginn der 1950er Jahre Gelder für das Projekt gesammelt. Ihrem Einsatz zu Ehren und Gedenken wurde der nördliche Teil des Waldes „HaMalachim Forest“ genannt, getreu dem Namen der Stadt auf Spanisch – „Stadt der Engel“.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Rote Tupfen durchziehen die Landschaft

Auch in anderen Landesteilen überziehen in diesen Wochen Anemonen-Teppiche in verschiedenen Farben die Landschaft, wie etwa in der Arava, entlang der Küste im Norden bis zum Karmelgebirge und Galiläa. Die Anemonenblüte markiert den ersehnten Übergang vom Winter zum Frühling.

Ankunft im Schaharia-Wald. Wir sind überwältigt vom Anblick dieser zarten Schönheiten mit hoher symbolischer Bedeutung und tauchen ein in ein Meer aus Kronen-Anemonen, setzen jeden Schritt bedacht, um möglichst keine Blume niederzutrampeln.

Die Kronen-Anemone (Anemone coronaria) zählt zu den „Roten Top 3″ der Flora in Israel, gefolgt von den roten Ranunkeln (Ranunculus asiaticus) und dem roten Mohn (Papaver umbonatum). Mancherorts gesellen sich die seltener verbreiteten roten Wildtulpen (Tulipa agenensis) und das rote Adonisröschen (Adonis microcarpa und palaestina) in das Blütenmeer.

Zarte Nationalblume

Die Kronen-Anemone wurde 2013 in einer von der Gesellschaft zum Schutz der Natur in Israel, vielen als SPNI (Society for the Protection of Nature in Israel) bekannt, und der Nachrichtenseite „Ynet“ veranstalteten Umfrage zur Nationalblume des Staates Israel gewählt.

Sie wirkt zart, fast zerbrechlich und schafft es dennoch, die mitunter rauen Witterungsbedingungen zu meistern. Die Anemone, auch Windblume genannt, hat in Israel eine hohe symbolische Bedeutung: Sie verkörpert Hoffnung, Erneuerung und die Schönheit des Lebens, ist ein Symbol für die Widerstandsfähigkeit und Entschlossenheit des Landes, selbst unter schwierigsten Bedingungen zu gedeihen. Für Juden symbolisiert das kräftige Rot der Kronen-Anemone auch Blut und die Opfer des jüdischen Volkes. Und wenn Jesus von den „Lilien des Feldes“ spricht (Matthäus 6,28 und Lukas 12,27), meint er vermutlich die Kronen-Anemone.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Die zerbrechlich wirkenden Blüten trotzen dem Winter

Die Anemone inspirierte eine Reihe von israelischen Künstlern und Künstlerinnen, in Tourismuskampagnen präsentiert sie die Schönheit und reiche Kultur des Landes.

Sie war durch Blumenpflücker teils bedroht. Israelische Naturschützer schritten ein und in den vergangenen Jahrzehnten wurde in Israel in Aufklärungskampagnen großer Wert darauf gelegt, ein größeres Bewusstsein in der Gesellschaft dafür zu schaffen, dass Wild-Blumen nicht gepflückt werden. Gebiete mit großem Anemonen-Vorkommen wurden unter Schutz gestellt.

Dramatisches Schauspiel an der Gaza-Grenze

Anemonen blühen in weiteren Landesteilen in den Farben Weiß, Violett und Rosa. Aber nur im Süden blühen sie in leuchtendem Scharlachrot und nirgendwo ist das Schauspiel dramatischer als entlang der Grenze zum Gazastreifen. Seit gut 20 Jahren findet jedes Jahr in Südisrael das einmonatige Festival „Darom Adom“, auch „Scarlet South Festival“ genannt, zu Ehren der rot blühenden Kronen-Anemonen statt.

Der Festival-Name ist zugleich eine Anspielung auf die „roten Alarmsirenen“, die uns vor herannahenden Raketen aus dem Gazastreifen warnen. Aber in diesem Jahr ist alles anders: Seit dem 7. Oktober 2023 sind wir im Krieg mit der Hamas, das beliebte Festival wurde abgesagt.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Es scheint, als hätte die Anemone eine Botschaft

Den Kampfhandlungen zum Trotz beweist die Kronen-Anemone einmal mehr ihre große Widerstandskraft. Beim überwältigenden Anblick der Schönheit Tausender blühender Kronen-Anemonen im fünften Monat des Krieges scheint es, die Anemone habe eine Botschaft – im wahrsten Sinne des Wortes durch die Blume gesprochen – an uns: Jetzt erst recht!

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5 Responses

  1. Ein herzerwärmender und sehr ermutigender Beitrag. Ich selbst werde die Freudentränen nicht vergessen, die mir in die Augen schossen, als ich 1992 erstmals in der Wüste dieses Blühen sah. Das ist wirkliche eine kraftspendende Sprache ohne Worte.

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  2. Shalom,habe es viele Jahre selber gesehen.Es ist einfach wunderschön.Habe diese Ansicht einfach immer genossen.In diesen schweren Zeiten eine wunderbare Abwechslung. Jerusalem

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  3. . Danke für den Artikel und die Fotos dieser wunderschöne Blütenpracht. Das erfreut mein Herz. LG aus Bayern nach Israel.❤

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  4. Bei mir im Garten blüht jetzt die weiße Christrose. Mögen die Blumen weiterhin unsere Herzen erfreuen und wir sie schützen. Liebe Grüsse nach Israel.

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