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Analyse: Terrorbekämpfung zwischen Tragik und Farce

Israels Regierung hat in den vergangenen Wochen eine Reihe von Abschreckungsmaßnahmen beschlossen. Aber gleich, was sie tut, es bringt weder Ruhe noch Frieden.
Zur Zeit sind ungewöhnlich viele Sicherheitskräfte in Jerusalems Straßen zu sehen
Israels Regierung überlegt sich, wie sie Terroristen abschrecken kann. So hat sie am Sonntag per Kabinettsbeschluss entschieden, getötete Messerstecher, also im Sprachgebrauch „Terroristen“, nicht sofort zum Begräbnis an ihre Familienangehörigen freizugeben. Das war eine von vielen Maßnahmen zur Abschreckung. Die gleiche Absicht befolgt der Einsatz von 300 Soldaten in Jerusalem zwecks Sicherung der Linienbusse, das Aufstellen von Metalldetektoren an den Stadttoren Jerusalems, das Aufrichten von Betonblöcken oder die Aufforderung an Bürger mit Waffenschein, außerhalb ihres Dienstes als Sicherheitsleute ihre Waffe stets bei sich zu tragen.

Warten auf den Waffenschein

Diese Maßnahmen hatten ganz unterschiedliche und zum Teil auch überraschende Folgen. Die Metalldetektoren an den Stadttoren der Altstadt waren nur halb wirksam. Denn in jedem Haushaltswarengeschäft und bei jedem Fleischer kann man ein Messer mühelos erwerben oder „ausleihen“. Nach Medienberichten haben mehr als 10.000 Israelis einen Antrag zur Erneuerung ihres Waffenscheins gestellt. Doch nur 1.000 erhielten ihn, während die Übrigen wochenlange Schießübungen absolvieren und vier Monate lang die Mühlen der Bürokratie geduldig abwarten müssen. Die Polizei wurde angewiesen, problematische Viertel Jerusalems mit Betonblöcken abzusperren und jedes Auto genau zu kontrollieren. Die Folge waren stundenlange Staus, auch für „anständige“ Bürger, die zur Arbeit nach Westjerusalem wollen. „90 Minuten steckte ich auf einer Strecke fest, die ich sonst in fünf Minuten schaffe“, sagte ein Taxifahrer, der in einem arabischen Viertel auf dem Ölberg wohnt.

Tote als Druckmittel

Als weitere Maßnahme zur Abschreckung wurde auch beschlossen, die Toten als Druckmittel zu benutzen. Sobald wieder „Ruhe“ einkehre, würden sie für ihre Begräbnisse freigegeben. Doch anstatt der Ruhe kam es in Hebron und Ramallah zu großen gewalttätigen Demonstrationen. Der israelische Verteidigungsminister Mosche Ja‘alon und die Militärs knickten ein. Sie hielten es für kontraproduktiv, die Toten einzubehalten, weil es die Stimmung auf der Straße unter den Palästinensern anheize. Unter Umgehung des Kabinetts nahmen die Militärs Kontakt mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) auf. Die Palästinenser versprachen „stille“ Begräbnisse im engsten Familienkreis, ohne Flaggen, Demonstrationen und Plakate. Daraufhin ließ Ja‘alon die Leichen übergeben. Tatsächlich wurden einige Terroristen aus abgelegenen Dörfern, wo die Autonomiebehörde keinen direkten Zugang hat, in aller Ruhe bestattet. Aber in Hebron und Ramallah organisierte die palästinensische Regierung Riesenaufmärsche, mit Beteiligung von Präsident Mahmud Abbas. Die Leichen wurden entgegen der Absprachen in Flaggen gehüllt, während Polizisten in Uniform ihnen mit „militärischen Ehren“ zum „Staatsbegräbnis“ Geleit boten. Palästinensische Zeitungen veröffentlichten Lobeshymnen auf den Mut der „Märtyrer“ und Abbas verfügte, den Angehörigen der getöteten Mörder große Geldsummen als Prämie zu zahlen.

Altlasten aus dem Gaza-Krieg

Wegen dieses erneuten Vertrauensbruchs der Palästinenser gestaltete sich für den Verteidigungsminister die Übergabe der Leichen zu einem innenpolitischen Debakel. Zudem kam es in der Zwischenzeit zu weiteren Überfahranschlägen auf Grenzschützer und zu Messerattacken. Ausgerechnet Palästinenser aus Hebron verübten sie. Anstelle von „Beruhigung“ als Dank für pietätvollen Umgang mit den Toten erhielten die Israelis weiteren Mord und Totschlag. Und so stehen die Israelis mal wieder vor einem unlösbaren Dilemma. Gleichgültig, was sie tun: Es ist falsch und bringt weder Ruhe noch „Frieden“. Ja‘alon wurde nicht nur von Angehörigen der Opfer der jüngsten Terrorwelle kritisiert. Auch die Mutter von Oron Schaul meldete sich zu Wort im Fernsehen. Ihr Sohn ist vor einem Jahr im Gaza-Krieg gefallen, als sein Schützenwagen auf eine Mine der Hamas fuhr und explodierte. Die Hamas konnte die Leiche Orons mitnehmen, ehe israelische Rettungsmannschaften zum Schützenpanzer gelangten. Sie konnten einwandfrei feststellen, dass Schaul tot war. Aber bis heute weigert sich die Hamas, Schauls sterbliche Überreste – sowie jene vieler anderer Israelis – an Israel zwecks Begräbnis herauszurücken. „Ehe Ja‘alon die Leichen von Mördern und Terroristen freigibt, sollte er erst einmal dafür sorgen, dass ich meinen Sohn beerdigen kann“, sagte die Mutter. (uws)

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