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Analyse: Das Dilemma nach dem Fund der ermordeten Jugendlichen

Die Emotionen gehen in Israel hoch. In einem Feld, unter Steinen, sind die flüchtig versteckten Leichen der drei entführten Jugendlichen gefunden worden. Hunderttausende Soldaten hatten 19 Tage lang nach ihnen gesucht.
Die groß angelegte Suchaktion infolge der Entführung war logisch, meint Nahostkorrespondent Ulrich W. Sahm.

Die Entführer haben ihren Hyundai i35 mit falschen israelischen Nummernschildern kurz nach der Tat verbrannt. In dem Wrack wurden Patronen von Pistolen und Schusslöcher entdeckt. Damit war klar, dass die Entführer ihre Opfer schon nach wenigen Minuten umgebracht haben. Die Täter, mutmaßlich Hamas-Aktivisten aus Hebron, bleiben spurlos verschwunden. Für die Israelis gibt es ausreichend Befunde, die Hamas zu bezichtigen. Hamas-Auslandschef Chaled Masch‘al hatte in Doha dazu aufgerufen, Israel zur Freilassung von Gefangenen zu zwingen. Dieses „Signal“ an Hamas-Terrorzellen im Westjordanland verurteilte der Präsident der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, als „Dolchstoß“ in den Rücken der „Gemeinschaftsregierung“.
Die Hamas hat sich mit den Entführern solidarisiert und sie gerechtfertigt. Sie hat Freudenfeste organisiert. Innerhalb eines Jahres hat Israel zudem mehr als 60 Entführungsversuche vereitelt. Die Hamas weiß, dass Israel einen extrem hohen Preis zahlt, um Gefangene heim zu holen und dass es nach Entführungen unerbittlicher reagiert als nach Mordanschlägen.
Die Islamisten wollen anstelle Israels ein islamisches Kalifat errichten und den jüdischen Staat terrorisieren. „Terrorismus“ ist keine individuelle Mordtat, sondern politisch motiviert, von einer Organisation finanziert, und gefördert, um den „Feind“ zu treffen. Die Opfer waren Zufallstreffer. Als Juden, Israelis, „Siedler“, „Besatzer“ oder „Soldaten“ sollten sie für ihr Volk büßen. Es hätte jeden Israeli treffen können.

Logische Reaktion

Die Hamas handelt ideologisch, aber keineswegs irrational. Warum sollte sie sich durch ein Bekenntnis politisch in Diskredit bringen? Ohnehin hat sie sich mit ihren Verbündeten, der Hisbollah, Syrien, dem Iran, Jordanien und Ägypten überworfen. Nur Katar und der TV-Sender „Al-Dschasira“ stehen noch zur Hamas. Weil Ägypten die Schmugglertunnel unter der Grenze zum Sinai zerstört hat, ist die palästinensische Organisation faktisch bankrott. Seit April hat sie keine Gehälter an ihre 40.000 Bediensteten gezahlt. Die „Versöhnung“ mit Abbas galt ihrem finanziellen Überleben und dem Bestreben, ihre Machtbasis im Gazastreifen zu retten. Die Hamas denkt nicht daran, ihre Raketen aufzugeben oder ihre Kämpfer der Autonomiebehörde zu unterstellen. Ebenso wenig hat sie ihre Ideologie aufgegeben.
Israel reagiert zutiefst verunsichert. Die massive Suche nach den Entführten mitsamt Einschränkungen für 700.000 Palästinenser in der Gegend von Hebron, Hausdurchsuchungen und mindestens 420 Verhaftungen war eine selbstverständliche, militärisch notwendige Reaktion. Menschenrechtsorganisationen verurteilten das als „Kollektivbestrafung“ und übersehen, dass auch der Terror der Hamas eine Kollektivstrafe ist.
Nachdem für Israel schon am Tag nach der Entführung klar war, dass die Hamas dahinter steckt, war der Beschluss, die Infrastruktur der Organisation zu zerschlagen, politisch, aber zugleich logisch.

Israelische Regierung im Dilemma

Das israelische Kabinett hat wegen interner Meinungsverschiedenheiten noch keine „Strafmaßnahmen“ festgelegt. Schlagzeilen wie „Israel startet Vergeltungsangriffe für tote Teenager“ sind verfrüht.
Die Bombenangriffe im Gazastreifen haben mit dem dreifachen Mord nichts zu tun. Seit der „Operation Wolkensäule“ im November 2012 ist es stehende Politik, auf jeden Raketenbeschuss aus Gaza mit einem Bombenangriff auf Raketenstellungen oder Waffenlager zu antworten. Israelis nennen das „Abschreckung“. Seit zwei Wochen verstärkte sich der Raketenbeschuss. Entsprechend veröffentlichte Israels Militärsprecher täglich, wo und was mit „direkten Treffern“ bombardiert worden sei.
Die Hamas behauptet, radikale Organisationen am Raketenbeschuss zu hindern. Das würdigen sogar die Israelis. Am Sonntag töteten sie zielgenau zwei Kämpfer, während diese eine Rakete in Stellung brachten. Peinlich für die Hamas war, dass die „Märtyrer“ Kämpfer der Issadin-Al-Kassam-Brigaden waren – des militärischen Flügels der Hamas. Da konnte sich die radikal-islamische Organisation nicht mehr herausreden, von nichts zu wissen.
Die Koalitionsregierung unter Benjamin Netanjahu, mit linken wie rechten Politikern am Kabinettstisch, steht vor einem fast unlösbaren Dilemma. Für spontane, emotional oder politisch motivierte Vorschläge, wie die Einführung der Todesstrafe, Annexion des Westjordanlands, Auflösung der Autonomiebehörde oder Einmarsch in den Gazastreifen, gibt es triftige Gegenargumente. Ungeachtet moralischer Bedenken, hat Israel kein Interesse, wieder die Palästinenser zu verwalten oder Krieg im Gazastreifen zu führen. Andererseits kann Israel den Terroranschlag nicht ungestraft stehen lassen und will seine Abschreckungskraft erneuern, was angesichts der Ideologie der Hamas fast unmöglich ist. Eine „Lösung“ aller Probleme ist jetzt noch schwieriger geworden, solange die Hamas Partner in der „Gemeinschaftsregierung“ mit Abbas ist. Eine Erneuerung des „Friedensprozesses“ gilt im Moment als undenkbar.

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