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Algerier bei Literaturfestival in Israel

ALGIER / JERUSALEM (inn) - Mit einem Besuch in Israel hat sich ein algerischer Schriftsteller Kritik aus der arabischen Welt zugezogen. Der Autor Boualem Sansal nahm in Jerusalem an einem internationalen Literaturfestival teil.

Sansal sprach am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion mit dem israelischen Abgeordneten Daniel Ben-Simon (Avoda), der ursprünglich aus Marokko stammt. "Als ich die Einladung annahm, wurde ich das Ziel von Verurteilung", sagte der Algerier bei der Veranstaltung in Mischkenot Scha´ananim. "Aber ich habe beschlossen zu kommen, weil es wichtig war." Seine Ehefrau habe ihm Probleme prophezeit. "Aber für mich war es wichtig, nach Israel zu kommen, um meine Unabhängigkeit von der Regierung zu zeigen. Also sagte meine Frau: ‚Großartig – mache dich auf‘."

Die Veranstaltung in französischer Sprache wurde simultan ins Hebräische übersetzt. In der Diskussion ging es unter anderem um Politik, Geschichte und Kunst. "Ich habe die israelische Literatur 1988 entdeckt, aber nur als die Literatur von Herrn X oder Y, die zufällig Israelis waren", erzählte Sansal. "Ich ging in einen Literatursalon in Paris, und als ich ankam, erfuhr ich, dass dort israelische Autoren waren. Dann gab es dort auch einen großen Aufruhr." Er habe Araber in Amerika gefragt: "Was boykottiert ihr? Dies ist ein Land mit einer Flagge, die an den Einrichtungen der internationalen Gemeinschaft weht."

Der Algerier nahm am Dienstag auch an einer öffentlichen Lesung im Café "Tmol Schilschom" teil. Dabei wirkten außerdem Autoren aus den Niederlanden und Ungarn mit, berichtet die Tageszeitung "Jerusalem Post".

Kritik an Regierung und Islamisten

Sansal ist in einem Bergdorf der Berber 200 Kilometer westlich der Hauptstadt Algier aufgewachsen. Er ist Ingenieur und hat einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften. Im Alter von 50 Jahren hat er nach einer langen Karriere in der Regierung begonnen, Romane in französischer Sprache zu schreiben. Er ist bekannt als lautstarker Kritiker der autoritären Regierung in Algerien und der Islamisten. Seit 2006 sind seine Bücher verboten.

Der fünfte Roman des 62-Jährigen erschien 2008 und wurde als erster ins Englische übersetzt. Das Buch handelt von zwei algerische Brüdern, die entdecken, dass ihr Vater ein SS-Offizier war, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Nordafrika floh. Sansal weist auf Verbindungen zwischen Nationalsozialismus und Islamismus hin. Als eine Gemeinsamkeit sieht er die totalitären Visionen der Ideologien an.

Bei der Podiumsdiskussion am Mittwoch in Jerusalem sagte er: "Ich habe das Gefühl, das wir in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts sind – damals hat niemand angemessen reagiert. Heute wird Islamismus Faschismus. Wenn es keine Demokratie gibt, werden die Leute danach streben, dass Religion ihr Parlament, ihre Regierung und so weiter wird. Es gibt viel zu tun."

Hamas: "Verbrechen gegen algerische Märtyrer"

Das Literaturfestival, bei dem Schriftsteller aus zwölf Ländern israelische Kollegen begegnen konnten, endet am heutigen Freitag. In Algerien waren die Reaktionen auf Sansals Teilnahme gemischt: "Auf meiner Website war es 50 zu 50 – die Hälfte sagte, man solle mir das tun, was man Muammar Gaddafi im Libyen getan hat. Die andere Hälfte sagte, es ist großartig, es ist wunderbar und wir können von Israels Erfahrungen lernen", teilte er mit.

In der arabischen Welt insgesamt überwiegt hingegen die negative Kritik, die unter anderem von der allgemeinen palästinensischen Autorenvereinigung geäußert wurde. Die Hamas sprach von einem "Verbrechen gegen die 1,5 Millionen algerischen Märtyrer, die ihr Leben unter der französischen Besatzung für Freiheit geopfert haben". Der Besuch in Israel legitimiere "Verbrechen gegen das palästinensische Volk".

Sansal will die Gründe für die Reise nach Jerusalem nach seiner Rückkehr erklären: "Ich werde mich durch Artikel erklären müssen, die ich in Frankreich schreibe und die in Algerien gelesen werden. In Algerien hört man viel auf mich, selbst wenn mir dort keine Redefreiheit gewährt wird."

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