Seit zwei Jahrzehnten ist er ein Gefangener der Feinde Israels: Ron Arad (48). Sein Schicksal ist ungeklärt. Die Verantwortlichen für das Verbrechen weben ein Netz von Vertuschung und Lüge. Die Geschichte zeigt die wahren Verstrickungen in Nahost – sie handelt von Schurkenstaaten und ihren Marionetten.
„Ron Arad, LeChophesh Nolad!“ – „Ron Arad, zur Freiheit geboren!“ Dieser Spruch auf unzähligen Aufklebern ist aktuell. Gerade jetzt. Denn am heutigen 16. Oktober ist es 20 Jahre her, dass der Familienvater Ron Arad im Dienst der Luftstreitkräfte Israels im Libanon abstürzte und von Terroristen verschleppt wurde. Seitdem fehlt von ihm fast jede Spur. Der letzte Brief Arads an seine Familie datiert vom jüdischen Neujahrstag (Rosch HaSchana) 1987. Ein Foto zeigt ihn. Gezeichnet von den Strapazen der Haft und mit dichtem Bart.
Dies ist der Beweis dafür, dass er den Absturz seiner Phantom F-4 überlebt hat. Mit dem Fallschirm hatte sich der Navigator aus der explodierenden Maschine retten können. Ebenso wie der Pilot, der später in einer dramatischen Rettungsaktion Israels nahe der libanesischen Stadt Sidon zurückgebracht werden konnte. Ron Arad hatte dieses Glück nicht. Er wurde von Mitgliedern der radikal-islamischen und pro-syrischen Amal-Bande gefangengenommen. Einer Gruppe, die damals unter der Leitung von Nabih Berry stand, der heute Parlamentspräsident des Libanon ist. Mit ihm verhandelt Israels Regierung monatelang über Mittelsmänner erfolglos über die Freilassung.
Seitdem schweigt die Amal – und reicht Arad später weiter. Vermutlich gegen Geld. Doch an wen? Und wohin? Es beginnt eine Affäre, in deren Folge die ganze Welt angelogen wird, darunter westliche Diplomaten und deutsche Politiker. „Wir wissen nichts über das Schicksal Ron Arads“, betont etwa die vom Iran aufgestellte Hisbollah-Miliz jahrelang. Dann, Anfang 2006, will Bandenchef Hassan Nasrallah plötzlich doch etwas wissen. Ron Arad sei nämlich tot, verkündet er vor Journalisten. Der Israeli sei gestorben – und über den Verbleib seiner Leiche wisse man leider nichts.
Glatt gelogen. Denn sonst macht der libanesische Mini-Khomeini gern einmal Geschäfte mit den Leichen von Israelis. 435 verurteilte Schurken und ihre Anstifter Mustafa Dirani und Abudul-Karim Obeid presste Nasrallah von Israel ab – im Tausch gegen die Leichen dreier Soldaten, die an der Grenze zum Libanon gefangen, gefoltert und ermordet wurden. Vermittelt wurde der Austausch übrigens von Deutschland.
Gerade die Fundamentalistenführer Dirani und Obeid, die Israel im Libanon entführt hatte, waren jedoch eigens vorgesehen für den Austausch von Ron Arad. Deswegen hatte die Familie – Frau Tammy und Tochter Juval, die erst 15 Monate alt war, als Arad eingekerkert wurde – gegen deren Freilassung protestiert.
Doch wo steckt Ron Arad, der Familienvater aus dem Ort Hod HaScharon bei Herzlija? Im Sommer 2003 berichteten drei übergelaufene iranische Agenten, der Israeli sei am Leben und werde in der Nähe von Teheran festgehalten. Dies deckt sich mit Aussagen des Anwalts der freigelassenen Hintermänner Dirani und Obeid. Der Jurist hatte gesagt, die Amal-Miliz habe den Gefangenen im Bekaa-Tal an iranische Revolutionswächter übergeben.
Israelische Minister haben deshalb immer wieder darauf hingewiesen, dass das Mullah-Regime im Iran verantwortlich sei für das Wohlergehen des Gefangenen. Die Antwort aus Teheran lautet stets: „Wir wissen nichts von Ron Arad – das ist eine Sache zwischen Israel und Libanon.“ Israels ehemaliger Außenminister Silvan Schalom sagte: „Wir wissen nicht, wo Arad ist – ob in Iran oder Syrien oder Libanon.“ Auch Syrien ist also im Blickpunkt der israelischen Dienste, die sich um Ron Arads Verbleiben kümmern. Was nicht so fern liegt, denn immerhin gehört die Amal-Bande praktisch den Syrern.
Eine Dokumentation des deutschen Fernsehens versprach Aufklärung – doch es gab keinen Beweis für die These der Journalisten, dass Arad tot sei. Eine mit großem Brimborium angekündigte Filmsequenz des libanesischen Fernsehens war uralt und nur wenige Sekunden kurz.
Auch zum traurigen 20. Jahrestag von Absturz und Gefangennahme bleibt Arads Schicksal ungeklärt. Es ist mehr als bedauerlich, dass sich selbst westliche Geheimdienstler und deren Koordinatoren scheinbar damit abgefunden haben, dass er nicht mehr am Leben ist. Wenn das wirklich so sein sollte, dann darf man davon ausgehen, dass er nicht im Libanon gestorben ist, sondern in Syrien oder Persien. Die korrupten Bandenchefs im Libanon hätten seinen Leichnam längst versilbert.
Er ist also entweder ermordet worden oder gestorben in Ländern, die der Westen immer noch als Dialogpartner für den „Weg zum Frieden“ sieht. Oder aber: Ron Arad lebt! Und er kann nicht freigelassen werden, weil die Kerkermeister in Damaskus oder Teheran dies jetzt nicht tun können – ohne dass das Ausmaß ihrer Schlechtigkeit offenbar wird.
Doch wo steckt Ron Arad? Zehn Millionen Dollar bietet ein Fonds für sachdienliche Hinweise auf Arads Schicksal. Arme Minister und Geheimdienstler in Beirut, Damaskus oder Teheran könnten sich damit die Pension aufbessern. Auch für Hinweise auf Sachary Baumel, Zvi Feldman und Jehuda Katz. Diese drei Israelis wurden am 11. Juni 1982 bei Sultan Jakub im Libanon von Syrern entführt.
So lange man über diese Menschen redet oder schreibt, sind sie am Leben! Israelnetz/IsraelReport hat dies in den vergangen Jahren regelmäßig getan. Insgesamt 224 Mal allein im Fall Ron Arad – fast so oft über Baumel, Feldman und Katz. Selbstverständlich gilt dies auch für die Soldaten Gilad Schalit, Eldad Regev und Ehud Goldwasser, die in diesem Sommer entführt wurden. Denn sie alle sind „LeChophesh Nolad“.
(Der Autor, Christoph A. Zörb, war bis 2002 Chefredakteur von Israelnetz.)