FRANKFURT (inn) – Der Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden (Berlin), Daniel Barenboim, ist mit dem Friedenspreis der „Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung“ ausgezeichnet worden. Kritisiert wurde Barenboim wegen seiner teilweise pro-palästinensischen Ansichten, die er auch in seiner Dankesrede erläuterte.
Der 63-jährige Pianist und Dirigent hat sich stets auch zur Politik des Staates Israel geäußert. Im Ignatz-Bubis-Zentrum der Jüdischen Gemeinde im Frankfurter Westend erhielt Barenboim am Sonntag den Preis für seine Verdienste um die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Der Friedenspreis, der mit 50.000 Euro dotiert ist, wurde damit zum dritten Mal vergeben. Vorherige Preisträger waren der ehemalige israelische Regierungschef und Friedensnobelpreisträger Schimon Peres und der israelische Schriftsteller Amos Oz.
In seiner Dankesrede sagte Barenboim, er sei traurig über die Entwicklung in seinem Land seit 1967. Damals eroberte Israel den Gazastreifen, das Westjordanland und Ostjerusalem. Das jüdische Volk besitze nicht mehr im alten Maße seine moralische Kraft, so Barenboim. „Es kann nicht sein, dass die ganze Verantwortung auf der anderen Seite ist“, sagte Barenboim. Israel müsse eine normale Gesellschaft bauen. „Dazu gehört nicht, andere Gebiete zu besetzen.“ Barenboim betonte, es gebe einen Unterschied zwischen Macht und Stärke. Jeder militärische Sieg im Nahostkonflikt habe Israel mehr Macht gegeben, aber keine Stärke.
Die einseitigen Rückzugspläne der israelischen Regierung seien zudem „falsch“. „Jeder vernünftige Mensch weiß, dass unilateral gefällte Entscheidungen nur kurzfristige Lösungen bringen können.“ Israels Premier Ehud Olmert hat angekündigt, dass sich Israel bis 2010 aus weiteren Palästinensergebieten zurückziehen will.
Allerdings müssten auch die Palästinenser akzeptieren, dass sich die Realität geändert habe, betonte der Musiker laut einem Bericht der „Netzeitung“. „Man kann von ihnen verlangen, die Existenz Israels anzuerkennen.“
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse nannte Barenboim in seiner Laudatio einen „störrischen und zugleich phantasievollen Humanisten“. Das „West-Eastern-Divan-Orchestra“ Barenboims demonstriere, dass „friedliche Zusammenarbeit prinzipiell möglich“ sei. Barenboim habe stets versucht, „Grenzen durchlässig zu machen“, so Thierse.
Preisgeld für Erforschung arabischer Musik
Barenboim will das Preisgeld zur Gründung eines Instituts einsetzen, das die arabische Musik erforschen soll. Diese wenig bekannte Musik, die in den Dörfern der arabischen Welt gespielt wird, solle das Institut sammeln und analysieren. Beide Seiten müssten die Kultur der anderen Seite besser verstehen, erläuterte Barenboim. Nur so könne es einen gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern geben.
Den Friedenspreis stifteten die Geschwister Abraham Korn und Rose Gerstenmann in Erinnerung an die im Alter von einem Jahr im Konzentrationslager Majdanek ermordete Tochter Roses, Sarah Gerstenmann. Dass das Preisgeld zur Erforschung arabischer Musik verwendet werde, hätte die Preisstifter sicher nicht begeistert, sagte der Holocaust-Überlebende Josef Buchmann gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Daniel Barenboim wurde 1942 in Buenos Aires geboren und siedelte 1952 mit seiner Familie nach Israel. 1999 gründete er mit dem inzwischen verstorbenen palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said das „West-Eastern-Divan-Orchestra“. Darin musizieren junge Menschen aus Israel und arabischen Ländern miteinander.