JERUSALEM (inn) – Premierminister Ariel Scharon hat dem am Sonntag zurückgetretenen Finanzminister Benjamin Netanjahu vorgeworfen, in einer kritischen Situation des Landes aus der Verantwortung zu fliehen. Gerüchten, er werde nach dem Rückzug eine eigene Partei gründen, erteilte Scharon eine Absage.
Finanzminister Netanjahu sei „an einem kritischen Scheidepunkt in der Geschichte des Landes vor seiner Verantwortung geflohen“. Dies sagte Scharon am Mittwochabend in dem ersten Interview, seitdem Netanjahu am Sonntag aus Protest gegen den Rückzugsplan zurückgetreten war.
„Ich weiß nicht, warum er zurückgetreten ist. Vielleicht hat ihn eine Umfrage beeinflusst. In der Vergangenheit hat er den Rückzugsplan jedenfalls immer wieder befürwortet“, sagte der Premier gegenüber dem israelischen Fernsehsender „Channel 1“.
„Eine Woche vor einem der schwersten Schritte in der Geschichte des Staates Israel und zwei Tage, bevor der Haushaltsplan der Regierung vorgelegt wird, zurückzutreten – ich würde dafür keinen Orden verleihen.“ Offenbar wolle sein Parteikollege nicht in die Geschichte eingehen als jemand, der den Rückzug befürwortete.
Scharon will Likud nicht verlassen
Eine Umfrage vom Mittwoch hat gezeigt, dass Scharon gute Chancen bei der Wahl zum Premierminister hätte, wenn er den Likud verlassen und eine neue Partei gründen würde. Eine Bevölkerungsmehrheit würde offenbar eine Partei wählen, in der neben Scharon Vizepremier Schimon Peres und Josef Lapid (Schinui) säßen. Diese Partei könnte 38 der 120 Sitze in der Knesset gewinnen. Der Likud hingegen würde dann nur 14 Sitze erhalten. Dies geht aus einer Umfrage der Tageszeitung „Jediot Aharonot“ hervor.
Er habe keine Absicht, den Likud zu verlassen, betonte Scharon. Er sei Likudnik und werde bei den Wahlen zum Parteichef antreten. Er werde sich keinesfalls auf seiner Ranch zur Ruhe setzen, so der 77-Jährige.
Auf die Frage nach seiner Glaubwürdigkeit, nachdem er dem Siedlungsblock Gusch Katif in der Vergangenheit die Treue geschworen hatte und ihn nun räumen wolle, antwortete der Premier, Israel werde die Siedlungsblöcke im Westjordanland behalten, und sie blieben immer territorial mit Israel verbunden. Auch Jerusalem und eine Rückkehr der 1948 aus dem damaligen Palästina geflüchteten Palästinenser würden nie zur Disposition stehen.