„Ich wollte so viele Juden wie möglich töten!“ Reue im Blick auf ihre Absichten zeigt Wafaa al-Bass keine. Leid tut ihr offensichtlich nur, dass sie ihren Auftrag nicht ausführen konnte. Oder hat das „Mutter, vergib mir, ich hätte auf dich hören sollen!“, das sie in die laufenden Fernsehkameras weint, noch einen anderen Hintergrund?
„Mein Traum ist, Märtyrerin zu ein. Ich liebe den Tod!“ Das dunkle, lockige Haar in einen Pferdeschwanz straff zurückgekämmt, erklärt die 21-jährige Palästinenserin aus dem Dschabalja-Flüchtlingslager im Gazastreifen ihr Vorhaben. Sie wollte sich in einem israelischen Krankenhaus voller Menschen in die Luft sprengen.
Im Laufe der dreistündigen Befragung durch israelische Journalisten wird ihre Darstellung dann aber immer verworrener. Die Aussage „Seit ich ein kleines Mädchen war, wollte ich einen Anschlag ausführen!“ wird genauso von den TV-Kameras dokumentiert, wie: „Ich wollte gar keinen Anschlag ausführen!“
Am Morgen des 20. Juni 2005 wurde Wafaa Samir Ibrahim al-Bass am Eres-Übergang an der Nordgrenze des Gazastreifens zu Israel von israelischen Sicherheitskräften festgenommen, nachdem sie die palästinensische Seite unbehelligt passieren konnte. Die elektronischen Überwachungsanlagen der Israelis hatten die Bombe am Körper der Palästinenserin entdeckt.
Die Aufnahmen der Überwachungskameras zeigen, wie Wafaa al-Bass mehrfach verzweifelt versucht, den Sprengsatz zu zünden – nachdem sie zuvor wiederholt versichert hatte, keine Waffen, aber eine Erlaubnis für die Einreise nach Israel zu haben. Die Al-Aksa-Märtyrerbrigaden, eine Gruppierung innerhalb der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, hatten die junge Frau mit Spezialunterwäsche, die mit 10 Kilo Sprengstoff versetzt war, versehen. Der Sprengstoffgürtel wurde ohne Schaden anzurichten von einem Roboter an einem sicheren Ort gesprengt.
Wafaa al-Bass hatte eine Sondergenehmigung, um sich in Israel medizinisch behandeln zu lassen. Am Hals, an Armen und Händen und im Knöchelbereich ist sichtbar, dass vermutlich ihr ganzer Körper schwer verbrannt wurde, als sie im Dezember 2004 einen Kuchen backen wollte, dabei aber der Gasofen in ihrem Haus explodierte. Bis Januar 2005 wurde sie mehrfach im Soroka-Krankenhaus im südisraelischen Be´er Scheva behandelt.
Der Fall Wafaa al-Bass ist nicht das erste Mal, dass palästinensische Terror-Organisationen versuchen, das humanitäre Entgegenkommen des jüdischen Staates auszunutzen. Nach Einschätzung israelischer Sicherheitsexperten handelt es sich möglicherweise um eine Strategie militanter Extremisten.
Am 10. März 2005 gelang es dem israelischen Geheimdienst in Kooperation mit der Armee, Machmud Bachtisi in Ramallah festzunehmen. Bachtisi, der aus dem Gazastreifen stammt, hatte seine Reise unter dem Vorwand angetreten, einen Nierenspender zu suchen – war aber in Wirklichkeit im Auftrag der Hamas unterwegs, um ein Selbstmordattentat in Israel auszuführen.
Am 20. Dezember 2004 verhafteten israelische Sicherheitskräfte in Baka al-Gharbije den 23-jährigen Hamed al-Karim Hamed Abu Lihije aus Dschabalja. Bei der Befragung gab er zu, ebenfalls von der Hamas zu einem langfristig geplanten Anschlag entsandt worden zu sein.
Am 12. Dezember desselben Jahres war Hassan Ahmed Ali Tom in der Negevwüste verhaftet worden, nachdem er vom ägyptischen Sinai aus eingedrungen war. Tom hatte den Gazastreifen über den Rafah-Übergang mit medizinischen Papieren in Richtung Ägypten verlassen und wollte im Auftrag der Fatah Israelis töten und die Bahnlinie bei Netanja sprengen. Eine Woche vor ihm war sein Komplize Muhammad Diab Namer Dscha’arur verhaftet worden.
Für die israelischen Soldaten an den Kontrollpunkten besteht seit langem das Problem, Terroristen aus der Menge der wirklich Hilfsbedürftigen herauszufiltern. Das Verhalten israelischer Soldaten an Straßensperren und Grenzübergängen gegenüber Palästinensern, die um humanitäre Hilfe bitten, ist einer der großen Anklagepunkte von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen gegenüber der israelischen Armee.
Auch der Einsatz von Frauen zu Selbstmordattentaten ist ein Phänomen, das sich während der Al-Aksa-Intifada seit September 2000 verstärkt hat. Acht Palästinenserinnen haben sich im Kampf gegen den Judenstaat in die Luft gesprengt. Dabei kamen 39 Israelis ums Leben, 314 wurden verletzt. 59 Frauen wurden, nach Angaben aus israelischen Sicherheitskreisen, auf dem Weg zu Selbstmordattentaten festgenommen. In weiteren Fällen waren palästinensische Frauen aktiv beim Transport der Attentäter oder der Sprengsätze beteiligt.
Mehrfach hatte Israel in letzter Minute die Palästinensische Autonomiebehörde auf den bevorstehenden Selbstmordanschlag aufmerksam gemacht, nachdem die Geheimdienste Hinweise darauf vorliegen hatten, dass in Fatah-Kreisen im nördlichen Gazastreifen ein Selbstmordattentat vorbereitet wird. Nach Angaben Israels haben die Palästinenser aber nichts unternommen, um es zu verhindern.
„Meint ihr, sie werden mir vergeben?!“, fragt Wafaa al-Bass unter Tränen, wobei nicht klar ist, ob sie mit „sie“ ihre palästinensischen Auftraggeber oder die Israelis meint. Im Laufe des Fernsehinterviews stimmt Wafaa al-Bass ihrem Gegenüber zu, dass sie ein Opfer ihrer militanten Auftraggeber sei, die ihren Gesundheitszustand ausgenutzt hätten. Die Begründung, „Ich habe doch niemanden umgebracht!“, deutete dann aber eher in Richtung Israel und ihre Angst vor einer langjährigen Gefängnisstrafe.