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Das Ende der „Arafada“

Ein Rückblick auf den Gipfel von Scharm el-Scheich von unserem Korrespondenten Johannes Gerloff, der am Dienstag die Verhandlungen in Scharm el-Scheich beobachtet hat.

Nach 1.558 Tagen der Gewalt, 22.406 Terroranschlägen mit 1.036 toten Israelis, 208 gezielten Tötungen von Palästinensern durch Israel und insgesamt 3.592 palästinensischen Toten wurde am Dienstag an der Südspitze der Sinaihalbinsel das offizielle Ende der al-Aqsa-Intifada erklärt. Beerdigt wurde damit in Scharm el-Scheich, was schon lange tot war: Die „Arafada“, wie die englisch-sprachige Jerusalem Post titelte, die „Ära Arafat“. Das pompöse Treffen Ariel Scharons mit Mahmud Abbas unter Beisein des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und des jordanischen Königs Abdallah II. sollte einen Schlussstrich ziehen unter alle gescheiterten Friedensbemühungen.

„Ende der Gewalt – an allen Orten“

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, gemeinhin „Abu Masen“ genannt, versprach die „Einstellung jeglicher Gewalt gegen Israelis und Palästinenser an allen Orten.“ Das „an allen Orten“ ist dabei das Novum. Damit sind erstmals auch die verhassten Siedler und Soldaten in den umstrittenen Gebieten keine legitimen Objekte des „palästinensischen Freiheitskampfes“ mehr. Der israelische Regierungschef Ariel Scharon versprach im Gegenzug, „alle Militäraktionen gegen alle Palästinenser an allen Orten einzustellen“, schrittweise die Sicherheitsverantwortung in den Palästinensergebieten an die PA-Polizei zurückzugeben und Hunderte von palästinensischen Gefangenen freizulassen.

An pathetischen Absichtserklärungen fehlte es dem von israelischen Technokraten als „Gipfel der Hoffnung“ gefeierten Treffen also nicht. Aber was bleibt? Um gleich vorweg zu nehmen: Die Öffentlichkeit in Israel und „Palästina“ ist wenig enthusiastisch. Israelis leben nach wie vor in der Angst vor Anschlägen und Palästinenser sehen sich unverändert menschenunwürdig eingesperrt. Trotzdem geben sich vor allem Israels Politiker und Medien alle Mühe, das Glas halb voll zu sehen.

Abu Masen wagte in seiner Rede die wichtigsten Streitpunkte aus seiner Sicht beim Namen zu nennen: Siedlungen, die Freilassung von Gefangenen und die Sperranlage Israels, im offiziellen arabischen Sprachgebrauch, die „Apartheids-Mauer“. Die vielleicht unlösbarste Frage des „Rechts auf Rückkehr“ von Millionen palästinensischen Flüchtlingen nach Israel blieb interessanterweise ungenannt.

Scharon vermeidet konkrete Aussagen

Von der israelischen Rechten wird bemängelt, dass Scharon – im Gegensatz zu Abbas – keine konkreten Ziele Israels nannte. MK Gideon Saar meinte: „Scharon sagte nichts, was Jossi Beilin nicht hätte bejahen können.“ Auch ließ der Regierungschef unerklärt, was „Gewalt gegen Israel“ konkret ist. Gehört dazu beispielsweise die Aufrüstung der palästinensischen Milizen, oder müssen erst wieder Dutzende Israelis getötet und verletzt werden, bevor Israel von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch machen darf? Israelische Militärs gehen davon aus, dass trotz aller charmanten Töne in Scharm „tickende Bomben“ auch weiterhin (mit Gewalt?) „entschärft“ werden dürfen.

Abu Masen konnte, wie ausdrücklich in seiner Rede vermerkt, nur „im Namen der Palästinensischen Befreiungsbewegung PLO und der Palästinensischen Autonomiebehörde“ sprechen. Die Hamasbewegung hat parallel zum Gipfel in Scharm el-Scheich unumwunden erklärt, sie werde den Waffenstillstand nicht anerkennen. Ein Sprecher der Hamas meinte auf eine Reporterfrage, ob seine Organisation jemals den Staat Israel anerkennen könne: „Hören Sie auf zu träumen!“ Politiker und Kommentatoren, die dem neuwiedergeborenen Friedensprozess Erfolg wünschen, erklären diese militanten Islamisten für irrelevant.

Ein Rückblick auf das letzte Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends und die darauf folgenden Jahre, straft sie allerdings Lügen. Immerhin haben Hamas und Dschihad zugesagt, Mahmud Abbas’ Bericht über Scharm el-Scheich anhören zu wollen, bevor sie sich für eine Fortsetzung der Anschläge auf israelische Ziele entscheiden. Die nächsten Tage, Wochen und Monate werden erweisen, ob Scharm el-Scheich als Ende des Terrors bezeichnet werden darf – und daran hängt alles, im Blick auf den weiteren Verlauf der israelisch-palästinensischen Beziehungen.

Medien-un-wirksam: Israel ohne seine Minister

Auch auf Seiten Israels wurden im Sinai gewisse Repräsentationsschwierigkeiten deutlich. Während Abu Masen mit einer ganzen Reihe von Ministern – die sich bereitwillig unter die Journalisten mischten – und den militärisch starken Männern der Fatahbewegung erschienen war, hatte Ariel Scharon keinen einzigen Minister mitgebracht. Gutwillige Beobachter spekulieren, der Regierungschef wollte so keinen seiner Gefolgsleute verletzt haben, indem er andere bevorzugte. Für Kritiker, die dem Premierminister, der beharrlich ein Referendum zu seinen Rückzugsplänen ablehnt und seit Monaten eine abenteuerliche Koalitionspolitik betreibt, diktatorische Tendenzen vorwerfen, war die augenscheinliche Abwesenheit israelischer Politiker aber ein weiteres Puzzleteil im Gesamtbild eines Regierungschefs, dem es an politischem Rückhalt fehlt.

Image-Erfolg für Scharon

Trotz aller offenen Fragen hat die Konferenz von Scharm el-Scheich Erfolge vorzuweisen. Dazu gehört, dass Ariel Scharon den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und den jordanischen König Abdallah nach Jerusalem einladen durfte. Drei Jahre nach ihrem Abzug aus Tel Aviv werden in absehbarer Zeit ihre Botschafter zurückkehren. Scharon und Abbas sprachen gegenseitige Einladungen aus, auf die Maulbeerbaumfarm des Premierministers und in das weniger romantische Ramallah – was die Spekulationen über „die gute Chemie“ zwischen den Politikern begründet.

Der vielleicht entscheidendste Erfolg des Gipfeltreffens von Scharm el-Scheich ist aus Sicht des international als „Schlächters von Beirut“ verschrieenen israelischen Premierministers jedoch, dass es jetzt nicht nur wie schon seit Jahren unter der Hand auf arabischen Straßen gehandelt wird. Selbst westliche Medien wollen begriffen haben: Wenn ein israelischer Politiker mit den Arabern Frieden schließen kann, dann ist es Ariel Scharon.
(Foto: Johannes Gerloff)

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