Am Donnerstag, dem 14. Oktober, haben abends in 100 israelischen Städten Tausende Menschen demonstriert. Die Teilnehmer protestierten gegen den Abzug und vor allem gegen die Räumung der Siedlungen im Gazastreifen. Über ganz Israel verteilt, von Norden nach Süden, von Metulla bis nach Eilat versammelten sich Demonstranten unter dem Banner „Das Volk mit Gusch Katif“ und „Wir haben Liebe und die wird siegen“. Auch kleinere Ortschaften, die nicht offiziell aufgelistet waren, schlossen sich an. Nach ersten Schätzungen waren es insgesamt 100.000 bis 150.000 Teilnehmer, davon etwa 5.000 in Jerusalem
Es versammelten sich Menschen, die ein Verlassen der Siedlungen im Gazastreifen für ein Sieg des Terrors halten. „Sollen wir unseren Mördern ein Geschenk geben?“, formuliert es eine Siedlerin aus Kfar Darom. „Wir sind zu Hause und keine Regierung hat das moralische und gesetzliche Recht, Bürger aus ihren Häusern zu vertreiben.“
Israelische Soldaten zerren jüdische Familien aus ihren Häusern, die sie nicht freiwillig verlassen wollen. Juden gegen Juden. Diese traumatischen Bilder sind vor allem von der Räumung der Ortschaft Jamit im Norden des Sinai im Jahre 1982 bekannt. Der Rahmen war der Friedensvertrag mit Ägypten. Die Entscheidung des damaligen Premierministers Menachem Begin wurde von seinem Verteidigungsminister Ariel Scharon ausgeführt. Wird sich in der nahen Zukunft im Gazastreifen das Gleiche wiederholen?
Die Rabbiner sind sich in diesem Fall einig: Der Gazastreifen gehört zum Land, das der Gott Israels Abraham, Jitzhak und Jaakow versprochen hat. Und es ist nicht erlaubt, Teile des verheißenen Landes an Heiden abzutreten. Rabbi Avraham Schapira, der geistliche Leiter der orthodoxen zionistischen Bewegung und frühere Oberrabbiner, ermutigt Soldaten, sich zu verweigern. Das Land Israel dürfte genauso wenig wie der Schabbat entheiligt werden. Das Land an die Araber abzugeben sei ein Vergehen an der Torah. Nach Angaben der israelischen Tageszeitung „Jediot Aharonot“ haben sich noch 56 Rabbiner diesem Aufruf angeschlossen. Der israelische Premier Scharon habe dazu gesagt: „Verweigern würde den Staat ruinieren.“
Die Siedler und mit ihnen auch viele andere Israelis sehen den Grund der Zerstörung vom Land vielmehr in der Entscheidung Scharons, Gusch Katif zu räumen. „Scharon zerreißt das Volk!“ „Was Ariel Scharon über uns bringt, ist ein Verbrechen!“ Die Siedler in Gazastreifen würden nicht nur von Mörsergranaten und Kassamraketen bedroht, sondern von ihrer eigenen Regierung. „Scharon, komm zurück!“, soll der Aufruf an den Premierminister sein. „Du hast kein Mandat. Kehre zurück zum Volk!“ Die Vertreter des Jescha-Siedlerrates fordern eine Volksbefragung. Ein Likud-Abgeordneter äußerte seine Überzeugung, dass seine Partei, deren Vorsitzender Ariel Scharon ist, ihren Weg für die Unversehrtheit des Landes und die Unversehrtheit des Volkes fortsetzen würde.
„Hier bin ich geboren, hier sind meine Kinder geboren…“, ertönt eines von vielen zionistischen Liedern, die im Hintergrund die Demonstranten begleiten.