JERUSALEM (inn) – „Israel wird schmerzhafte Kompromisse eingehen und sich aus den palästinensischen Gebieten zurückziehen. Das ist die Botschaft des stellvertretenden israelischen Premierministers Ehud Olmert. Die Frage, die sich zur Zeit stellt, ist, ob dies im Rahmen eines Abkommens oder durch einseitige Maßnahmen geschehen wird.
Anfang Dezember war der ehemalige Bürgermeister Jerusalems mit dem Vorschlag in die Schlagzeilen und ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, Israel solle sich einseitig aus einem Großteil der umstrittenen Gebiete, einschließlich einiger arabischer Stadtteile Jerusalems, zurückziehen. Vor Journalisten der Foreign Press Association in Israel erläuterte der Minister am Sonntagmittag im Jerusalemer King David Hotel seine Position.
Seit Mitte der 90er Jahre habe der Likud die Vorstellung im Prinzip akzeptiert, daß ein Großisrael nicht realisiert werden kann. Ein Kompromiß im Blick auf das Land Israel sei unumgänglich. Deshalb habe sich Israel auch unter der Regierung von Benjamin Netanjahu aus Hebron zurückgezogen. „Ich war damals nicht in der Regierung und habe bei dieser Entscheidung nicht mitgestimmt“, erklärten „die Minister Olmert“, wie er von ultra-orthodoxen Knessetabgeordneten kürzlich im Plural wegen seiner vielen Ämter tituliert wurde, „aber ich bin Likud-Mitglied und kann mich deshalb der politischen Verantwortung für diese Entscheidung nicht entziehen.“
Seither sei es die erklärte Absicht, nicht nur der Regierung, sondern auch des Likud, ein Abkommen mit den Palästinensern zu erreichen, meinte Olmert, der außer dem Amt des Vizepremier auch die Ressorts Industrie, Handel, Beschäftigung und Kommunikation leitet. Die Linksregierung unter Ehud Barak habe alles versucht und ist gescheitert. „Die Folge waren drei Jahre blutiger Auseinandersetzungen.“
Trotz diesem Rückblick hält Ehud Olmert daran fest: „Ich stehe zur Entscheidung der Regierung, die Roadmap zu akzeptieren.“ Und: „Wir sollten der Roadmap und der Regierung von Ahmed Qrea eine reale Chance einräumen.“ Das Prinzip eines Rückzugs aus den von Palästinensern bewohnten Gebieten, die Teilung des Landes Israel in zwei Staaten, sei klar. Darüber werde nicht mehr diskutiert. Wiederholt zitiert der Vizepremier seinen Regierungschef Ariel Scharon: „Israel ist zu schmerzhaften Kompromissen bereit.“
Laut Olmert ist die Frage, die sich jetzt neu stelle, in welcher Weise dieses Prinzip in die Praxis umgesetzt wird. „Wir können die Zeichen nicht ignorieren, daß Gefahr im Verzuge ist und unser Angebot nicht akzeptiert wird.“ Außerdem laufe die Zeit aus. Man könne nicht endlos weiterverhandeln. Deshalb sein Ratschlag: „Wenn wir feststellen, daß der Verhandlungsweg nicht funktioniert, können wir nicht auf eine weitere palästinensische Regierung warten. Wir müssen den Status quo so verändern, so daß er unseren minimalen und fundamentalen Sicherheitsbedürfnissen gerecht wird. Wenn nicht durch Verhandlungen, dann durch Diktat.“
Konkret bedeutet das natürlich die Evakuierung von jüdischen Siedlungen im Gazastreifen, in Judäa und Samaria. Die Trennungslinie, sollte sie denn einseitig von Israel festgelegt werden, solle keine endgültige Grenze zwischen Israel und den Palästinensern darstellen. „Mein Vorschlag“, sagt Ehud Olmert, „läßt die Option einer künftigen Verhandlungslösung offen.“
Olmert, der unter der Hand als Erbe Scharons gehandelt wird, macht sich keine Illusionen: „Der Prozeß wird sehr schwierig und schmerzhaft für uns sein.“ Aber der größte Teil der Besatzung werde dadurch aufhören. Die Räumung der von der israelischen Regierung nicht autorisierten Siedlungsaußenposten ist davon ganz abgesehen eine beschlossene Sache. Sie wurde US-Präsident George W. Bush und dessen Außenminister Colin Powell versprochen und wird in nächster Zeit durchgeführt.