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Dokumentiert: Machmud Abbas‘ Rücktrittsrede

Am 6. September 2003 hielt der palästinensische Premierminister Machmud Abbas (Abu Mazen) vor dem palästinensischen gesetzgebenden Rat in Ramallah eine Rede „hinter geschlossenen Türen“. Er wies auf die Mißstände in der palästinensischen Politik hin und kündigte seinen Rücktritt an. Israelnetz dokumentiert im folgenden Auszüge aus dieser Rede:

Allahs Frieden und sein Segen sei mit euch. Ich bat nicht um eine geheime Sitzung. […]

Zunächst möchte ich mich für die Beleidigungen entschuldigen, die wegen meines Besuches gegen den gesetzgebenden Rat gerichtet wurden. Mein Besuch führte dazu, daß einige Fensterscheiben zerschlagen, Regierungsmitglieder angegriffen und Unruhen ausgelöst wurden. Ich entschuldige mich dafür, denn mein Besuch war die Ursache für diese Dinge. […]

Es gab auch Slogans auf Plakaten oder in Sprechchören, die sagten: Wo sind die Gefangenen? Warum geht der Mauerbau weiter? Warum dauert die Siedlungsaktivität an? Warum? Warum? Als ob eine Regierung, die noch nicht älter als 100 Tage ist, all diese Katastrophen über das palästinensische Volk gebracht hat. Sie wurden dazu angestachelt, so zu handeln. […]

Viele sprachen über den Verlust der palästinensischen Werte. Hat diese Regierung diese Werte verschleudert? Oder den Staat? […] Die Siedlungen? Hat sie alle Rechte und Prinzipien aufgehoben? Dies sind Wahnvorstellungen in den Köpfen derer, die diese Anschuldigungen gemacht haben.

Es gibt noch eine Sache, deren Diskussion wir beenden müssen, die Behauptung, daß diese Regierung aufgrund israelischer und amerikanischer Wünsche ihr Amt antrat. […] Alle vergaßen jedoch, […] daß ich einstimmig vom geschäftsführenden Vorstand der PLO, vom Zentralkomitee der Fatah, vom Zentralrat der PLO und von 51 Mitgliedern eures angesehenen Rates gewählt wurde. Es wurde auch gesagt, diese Regierung könne nicht zurücktreten, weil sie mit den Amerikanern in Verbindung steht.
Das mindeste, was über diese Behauptung gesagt werden kann, ist, daß sie eine Schande ist.

[…] In den Medien wird auch berichtet, daß wir alles oder nichts wollen. Das ist aus der Luft gegriffen. Wir wollen nichts, was außerhalb des Rahmenwerks dessen ist, was ihr und die politische Führung uns vorgegeben habt. Mehr als das wollen wir nicht. […]

Meine Beziehung zu Bruder Abu Ammar (Jasser Arafat) ist historisch. Es ist nicht das erste Mal, daß wir Meinungsverschiedenheiten haben. Doch ich hoffe, daß dies das letzte Mal ist. Auf jeden Fall hasse ich ihn nicht und er haßt auch mich nicht. Das heißt, ich weiß nicht wirklich, ob er mich nicht haßt. Ich jedenfalls hasse ihn nicht. Wir haben vierzig Jahre lang miteinander gegessen, getrunken, gekämpft, ausgehalten. Vierzig Jahre haben wir miteinander verbracht. Wir sind Menschen. Keiner von uns ist des anderen Kopie, und das wird auch niemals so sein. Er hat seine eigenen Meinungen, Positionen und Entscheidungen und ich respektiere diese. Doch ich bin nicht seine Kopie. Dementsprechend kenne ich die Grenzen meiner Beziehung zu ihm. Und es ist absolut keine persönliche Beziehung. Wenn wir unterschiedlicher oder gleicher Meinung sind, so basiert dies nicht auf Persönlichem.

[…] Ich bin einer derjenigen, die gegen alle Manifestationen von Meinungsverschiedenheiten kämpften und ich werde dies auch weiterhin tun. Ich bin der einzige, der immer noch gegen den Dissens von 1982 kämpft. Ich bin Teil der Legitimität und ich bin einer der Gründer derselben. Ich kann die Legitimität, die von Jasser Arafat repräsentiert wird, nicht ändern und ich kann sie nicht aufteilen oder dagegen sein. Wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, ist alles, was ich tue, hinauszugehen, und zwar allein.

Was den PLC (Palästinensische Legislative) angeht, […] Ich respektiere diese Institution und bin stolz auf sie.

Oftmals wurde bewußt gesagt, ich hätte die palästinensischen Verhandlungen an mich gerissen und hätte alles im Alleingang gemacht. Das ist vollkommen falsch. Keiner […] kann bei Verhandlungen im Namen der PLO unterzeichnen oder sich im Namen der PLO engagieren. Dies ist die Arbeit und die Angelegenheit der PLO. Seit dem Oslo-Abkommen haben wir daran festgehalten.

Als ich ging, um das Abkommen zu unterzeichnen, tat ich das, weil sich unser Außenminister und Leiter der politischen Abteilung, Faruk Qadumi, weigerte, dorthin zu gehen und das Oslo-Abkommen zu akzeptieren oder anzuerkennen. […]

Als wir die Regierung formten, übergab ich die Abteilung für Verhandlungen an Bruder Saeb Erekat. […] Es mögen PA-Mitglieder bei den Verhandlungen anwesend sein, doch es gibt ein führendes Komitee, das für alle Verhandlungen verantwortlich ist. […]
Alles, was in den Verhandlungen geschieht, wird von Jasser Arafat angeordnet. Ohne seine Billigung gibt es kein Kommen und kein Gehen, keine Briefe und keine Worte. […] Verhandlungen sind also nicht unsere oder der Regierung Angelegenheit, sondern sie unterstehen der PLO, die die Politik festlegt, und dem Verhandlungskomitee, das diese Politik in die Praxis umsetzt.

Manche Leute sagen, wir schließen die PLO aus und versuchen, sie zu demontieren. Das ist dummes Geschwätz, bewiesen durch die Tatsache, daß sich der geschäftsführende Vorstand mit einem Quorum oder sogar mehr Leuten hier in der Heimat trifft. […] Die PLO ist präsent und schultert ihre Verantwortung.

Als Abu Ammar entschied, eine neue Regierung zu formen und einen Premierminister zu ernennen, berief er den Zentralrat ein. Dessen Mitglieder kamen und taten ihre Meinung fern von jeglichem amerikanischem Druck und Willen kund.

Es gibt ein Problem, dem wir gegenüberstehen, seit wir unsere Heimat betreten haben. Nämlich das Problem: Wer repräsentiert uns? […] Diese Frage wurde einst im Jahr 1996 entschieden, als bestimmt wurde, daß die palästinensische Delegation von Abu Ammar angeführt wird, die Präsidentendelegation unter der Leitung von Abu Allutf, Abu Mazen, Jasser Abed Rabbo, Suleiman al-Nadschab und anderen steht, und die Delegation des Außenministeriums von Nabil Shaath angeführt wird. Doch nach dieser Entscheidung wurden die Dinge weiterhin locker gehandhabt. Sie wurden sogar peinlich.

[…] Und darüber hinaus haben wir zwei widersprüchliche politische Reden. Wer repräsentiert die PLO? Wer spricht in eurem Namen? Wer repräsentiert eure Politik? Abu Ammar klagte immer und sagte: „Das ist ein Skandal, das ist ein Skandal. Wie sollen wir mit dieser Angelegenheit umgehen?“ […]

Vor etwa einem Jahr berief Abu Ammar den geschäftsführenden Vorstand zu einer Sitzung ein und unterrichtete ihn über die Angelegenheit. […] Nach einer langen Diskussion einigte man sich darauf, daß die Aufteilung der Autorität die beste Lösung sei. Die Mitglieder begannen also über die Autorität zu beraten… […]

Das Problem existiert immer noch, denn es ist nicht bekannt, wer die Angelegenheiten des Außenministeriums führt. […] …auch unser Bruder Abu Ammar, der verantwortlich ist für die Botschaften, tut nichts. […] Wir haben 89 Botschaften in der ganzen Welt verteilt. Jordanien hat nur 45.

Wir haben versucht, einige Beschlüsse im Bereich der Finanzen zu treffen. […] Wir sagten: Wir müssen das Rentengesetz oder den Rentenbeschluß umsetzen. Gegen diese Entscheidung gab es großen Protest. Fragen wurden gestellt: „Ist die Phase der nationalen Befreiung abgeschlossen? Amerika möchte die PLO loswerden!“ Alle Welt hat ein Rentengesetz.
Unser Gesetz mag unvollständig sein und Änderungen nötig haben. Doch deswegen muß nicht gleich jemand verleumdet werden. […]
Schließlich wurde das Problem an den geschäftsführenden Vorstand der PLO übergeben. […]

[…] Ich möchte euch nicht das Grundgesetz erklären. Denn ihr habt es in Kraft gesetzt und ich befolge es buchstabengetreu und nach seinem Geiste. […] Ich habe euch wiederholt gesagt, daß ihr mir sagen sollt, wo wir stehen und was für uns ist und was gegen uns ist. Welches ist unsere Autorität? Wir wollen das wissen.
Jeden Tag bekomme ich einen Beschluß von Abu Ammar. Die Botschaften stehen nicht unter unserer Verantwortung. Was ist also die Aufgabe des Außenministers? Wir wissen es nicht.

[…] Dies bedeutet, daß kein Minister Einfluß auf irgendeinen Angestellten hat, der kommt oder geht oder auf irgendeinen Angestellten, der ernannt oder befördert wird. All dies kommt von der Präsidentschaft. Ich kenne kein Land der Welt, wo die Minister nicht verantwortlich sind für ihre Angestellten. […]

Ich verstehe, daß das Fernsehen für die Regierung und für den Staat da ist. […] Die Rede, die ich vor dem PLC hielt, wurde von drei oder mehr Fernsehanstalten live übertragen, doch nicht von unserer eigenen Fernsehanstalt.

[…] Viele sagen, ich will die Sicherheitsdienste unter mein Kommando stellen und sie aus den Händen von Bruder Abu Ammar befreien. Dies ist eine Lüge und dies geschah nie. Ich möchte den Sicherheitsapparat nicht in meinen Händen halten. […]

Die „Roadmap“ sagt: Alle Sicherheitsdienste sollen unter dem Kommando des Premierministers stehen. Ich bat nicht einmal um die Vereinigung der Sicherheitsdienste. Als ich gefragt wurde, sagte ich, daß alle Bemühungen der Sicherheitsdienste vereint werden sollten. […] Als die Amerikaner über die Einheit der Sicherheitsdienste sprachen, sagten wir ihnen, daß das nicht unser Wille sei.

Hier möchte ich sagen, daß ich nicht derjenige bin, der der „Roadmap“ zustimmte. Auch meine Regierung stimmte ihr nicht zu. […] Die „Roadmap“ ruft zur Vereinigung der Sicherheitsdienste auf.
[…] Wir können die Sicherheitsdienste nicht vereinen, weil Bruder Abu Ammar drei Viertel der Sicherheitsdienste unter seinem Kommando hat. Er verweigert jede Art der Koordination zwischen ihnen und dem Rest der Sicherheitsdienste. […]

Der […] Punkt ist die Geschichte des Zentralkomitees der Fatah, mein Rücktritt von diesem Komitee und mein Beharren auf diesem Rücktritt. Ich weiß nicht, warum immer das Problem der Verhandlungen aufgeworfen wird.

Ich habe niemals in meinem Leben Einwände gegen das Verhandlungskomitee erhoben, weil dies nicht meine Angelegenheit ist. Es ist die Angelegenheit von Abu Ammar und der PLO. […]

Ihr hattet oft Einwände gegen Abu Alas (Achmed Qreas) Teilnahme an den Verhandlungen.
Ich glaube, daß die Verhandlungen Abu Alas Gegenwart erfordern. […]

Was das Zentralkomitee angeht, so will ich nicht wieder dorthin zurückkehren. Dies ist meine persönliche Entscheidung. Ich greife niemanden an, ich sehe auf niemanden herab, ich tue niemandem Unrecht. […]

Wir schlossen einen Waffenstillstand, um uns selbst vor einem Bürgerkrieg zu bewahren, denn die Alternative war ein Angriff der PA, und ich will nicht angreifen. Zum ersten Mal in der Geschichte des palästinensischen Volkes haben wir einen Waffenstillstand mit allen Organisationen geschlossen. Wir sagten: „Dies ist ein Waffenstillstand und wir wollen ihn umsetzen.“ Er wurde tatsächlich umgesetzt. Doch derjenige, der ihn brach, war Israel, und zwar in Nablus und anderswo. […]

Daraus entstand der Waffenstillstand, den die Israelis und die Amerikaner ablehnten, doch er wurde ihnen auferlegt. Ihnen wurde gesagt, es gäbe keine andere Lösung. […]

[…] Die Dinge kamen in Bewegung. Vier Brüder schrieben sechs Vorschläge, um das Problem zu lösen. Es waren dies Akram Haniah, Nabil Amr, Achmad Abd-al-Rachman und Hakam Bal’awi. […]
Diese Punkte wurden natürlich diskutiert. Jeder sprach darüber, doch es gab keine Ergebnisse.

Brüder, das wirkliche Problem ist, daß wir bei allen Forderungen, die wir stellten, auf israelische Ablehnung trafen[…] Es gelang uns auch, die USA von diesen Forderungen zu überzeugen. John Wolf sprach über diese Forderungen, die sehr einfach sind. […] Sie boten uns nichts an. Sie sagten immer: „Wir wollen, daß Abu Mazens Regierung dies oder jenes tut.“ […] Wenn ihr diese Regierung wollt, dann helft ihr. Dies zeigt doch, daß sie diese Regierung gar nicht wollten.

Die Amerikaner sprechen Tag und Nacht über den Rückhalt und die wachsende Unterstützung für Abu Mazen. Wir erlauben oder akzeptieren diese Art von Reden nicht, wenn es keine Hilfe gibt.

Brüder, anscheinend ist meine Art zu arbeiten inakzeptabel für jedermann. Vielleicht bin ich selbst inakzeptabel. […] Ich bitte um nichts und ich möchte nichts. Derjenige, der entweder alles oder nichts sagt, lügt. Ich habe dies nie gesagt. Ich habe immer über diejenigen, die entweder alles oder nichts sagten, gelacht. In der Tat weiß derjenige, der dies sagt, überhaupt nichts.

Leider haben die arabischen und palästinensischen Satellitenkanäle zu Irreleitungen beigetragen. Ich sah mehrere Sendungen, […] die uns ausbeuteten und voller Gift gegen uns waren. […] Es besteht kein Zweifel, daß diese Satellitenkanäle unser Gewissen und unsere Sache verletzt haben.

[…] Heute sandte ich Abu Ammar meine schriftliche Rücktrittserklärung. Allahs Frieden und Segen sei mit euch.

Klicken Sie hier, um die komplette Rede zu lesen.

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