SEATTLE (inn) – Einer der wichtigsten Männer bei der Computerfirma Microsoft in Seattle ist ein Israeli: Yuval Ne´eman, Vizepräsident der Entwicklungsabteilung, stammt ursprünglich aus dem nordisraelischen Kibbuz Yehiam, östlich von Nahariya. Seine Karriere begann an einer Tankstelle in Israel.
In seiner Kindheit interessierte sich Ne´eman nicht für Computer. Wie die Tageszeitung „Ma´ariv“ schreibt, versuchte sein Vater, ein Professor für Lichttechnik am Technion in Haifa, ihn mit der Materie vertraut zu machen. Doch Yuval fand Freunde und Sport viel interessanter.
Die Schule verließ er ohne Abitur. Nach dem Wehrdienst reiste er mit einem Freund durch die USA. „Erst in Amerika erkannte ich, daß nur Bildung der richtige Weg ist, wenn man vorankommen und Geld verdienen möchte.“ Ne´eman holte den Abschluß nach und begann, in Haifa Computertechnik zu studieren. In einer Einführungsvorlesung zum Programmieren entdeckte er seine Liebe zu Bildschirm und Tastatur.
Ende 1987 hielt der heute 46jährige an einer Tankstelle in der Küstenstadt Herzliya, um etwas zu essen. „Ich bekam zusätzlich eine kostenlose Zeitung“, erzählt der Israeli. „Ich begann zu blättern, und plötzlich blieb ich in der Rubrik ‚Gesucht‘ an einer ganzen Seite einer Firma namens Microsoft hängen. Es war ein Mittwoch, und an diesem Tag werden sonst keine derartigen Anzeigen veröffentlicht, so daß mir am Anfang alles etwas seltsam vorkam. Microsoft war damals auch noch nicht so bekannt. Aber sie suchten Leute für alle möglichen Arbeitsgebiete in den USA – und das klang interessant.“
Obwohl Ne´eman vergaß, im Lebenslauf seine Telefonnummer anzugeben, fanden ihn die Vertreter von Microsoft. Nachdem er und seine Frau Hemda ihr Studium abgeschlossen hatten, zogen sie 1989 nach Seattle. Er begann als gewöhnlicher Programmierer, doch bereits nach zwei Jahren begann sein Aufstieg. In seiner ersten leitenden Funktion war er für fünf Mitarbeiter verantwortlich.
Ein Jahrzehnt nach seinem Anfang bei Microsoft wurde er stellvertretender Vorsitzender der Entwicklungsabteilung. Nun waren ihm 1.500 Mitarbeiter unterstellt, darunter einige der besten Programmierer überhaupt. Sie waren unter anderem für die Entstehung der Versionen 4, 5 und 6 von „Visual Basic“ verantwortlich, durch die diese Programmiersprache zu einer der populärsten der ganzen Welt wurde.
Das bekannteste Projekt seiner Abteilung ist die Entwicklung von „dot.NET“. Diese ermöglicht es, daß Menschen von Computern, Mobiltelefonen oder auch digitalen Terminkalendern (Palm) aus jederzeit schnell und bequem an bestimmte Informationen herankommen. Das System beruht auf der Microsoft-Technologie, die diese Geräte befähigt, leicht miteinander „kommunizieren“ zu können.
Wie es weitergeht, weiß der Vizepräsident noch nicht. Yuval und Hemda Ne´eman haben drei Kinder im Alter von fünf, acht und elf Jahren. Die Familie erwägt ernsthaft, in ihr Heimatland zurückzukehren. „Nach jedem Besuch in Israel haben wir deshalb innere Konflikte“, sagt Ne´eman. „Die Rückkehr wird nicht leicht sein, aber ich habe viele Freunde, die das getan haben, und in Israel gibt es wirklich viele wunderbare Dinge für die Kinder.“
Seine Träume bezüglich der Zukunft sind nicht an die Firma gebunden: „In fünf Jahren werde ich möglicherweise gar nicht mehr bei Microsoft sein. Vielleicht nicht einmal im Bereich der High-Tech, sondern in einer Akademie oder in einer gesellschaftlichen Tätigkeit.“