BRÜSSEL / JERUSALEM – Der Oberste Gerichtshof in Belgien hat am Mittwoch entschieden, daß ein Verfahren gegen Israels Premierminister Ariel Sharon wegen Kriegsverbrechen nach seiner Amtszeit eingeleitet werden kann. Außenminister Benjamin Netanyahu rief darauf den Botschafter Yehudi Kinar aus Brüssel zu dringenden Gesprächen nach Israel zurück.
Zudem kündigte Netanyahu für Donnerstag ein Treffen mit dem belgischen Botschafter in Israel an. Die Entscheidung des belgischen Gerichts nannte er „skandalös“, meldet der Radiosender „Arutz Sheva“. „Hier werden die Ursachen umgekehrt“, sagte der Außenminister. „Diejenigen, die gegen Terrorismus kämpfen, werden zu Beschuldigten, und die Terroristen werden zu Siegern.“
Im Juni 2002 hatte eine niedrigere Instanz den Antrag von palästinensischen Überlebenden der Massaker in den sogenannten „Flüchtlingslagern“ Sabra und Shatila im Libanon abgelehnt. Solange Sharon sich nicht in Belgien aufhalte, sei ein Verfahren nicht möglich. Darauf wandten sich die Kläger an den Obersten Gerichtshof.
Dieser lehnte die Anklage zwar zunächst generell ab. Allerdings schlossen die Richter nicht aus, daß ein Prozeß aufgenommen werden könne, sobald Sharon nicht mehr Premier ist. In Belgien ist es möglich, ausländische Staatsbürger für Verbrechen zu verurteilen, die sie in anderen Ländern begangen haben – selbst wenn sie sich nicht in dem Benelux-Staat aufhalten.
Auch israelische Opfer von Terroranschlägen haben sich mittlerweile an das belgische Gericht gewandt. Wie die Tageszeitung „Ha´aretz“ berichtet, klagen sie PLO-Chef Yasser Arafat an, für die Attentate verantwortlich zu sein. Damit wird die belgische Gesetzgebung allerdings anerkannt.
Im September 1982 hatten christliche Falangisten den Tod des gewählten Präsidenten Bashir Gemayel gerächt, dem vermutlich Palästinenser eine Bombe unterschoben. Die Falangisten verübten ein Massaker in den Palästinensersiedlungen Sabra und Shatila. Sharon war damals Verteidigungsminister für den Besatzer Israel und trug damit die politische Verantwortung für die Vorgänge. Er war allerdings weder vor Ort noch gab er Befehle. Dennoch trat er 1983 von seinem Posten zurück.