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Die Katze und die jüdischen Gebote

In seiner Graphic Novel „Die Katze des Rabbiners“ lässt der französische Graphiker Joann Sfar einen gerissenen und trotz allem sympathischen Kater über das jüdische Gebot dozieren: Du sollst den Namen G´ttes nicht leichtfertig im Munde führen.
Von Gundula Madeleine Tegtmeyer

„Bei den Juden schätzt man die Hunde nicht sonderlich“, dies zumindest behauptet eine vorlaute Katze und weiß es zudem hervorragend zu belegen, „ein Hund beißt dich, läuft dir nach, bellt dich an. Und die Juden ließen sich derart lange beißen, verfolgen und anbellen, dass sie letztendlich die Katzen den Hunden vorzogen.“ Ein Tier, das so klug argumentieren kann, hat der französische Comicautor Joann Sfar als Protagonistin seines Comics „Die Katze des Rabbiners“ erschaffen, eine Katze, die an sich ein Kater ist.

Ort der Handlung des ersten Comic-Bandes „Die Bar-Mizwa“, ist eine nicht näher benannte Stadt mit einer jüdisch-sephardischen Gemeinde im Algerien der 1920er Jahre. Hier lebt ein frommer Rabbiner mit seiner einzigen Tochter Zlabya, einem Papagei und einer Katze.

Rabbi und Katze wollen stets nur das Beste für die wunderschöne Zlabya, wenn auch mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen. Allein der Papagei stört mit seinem unaufhörlichen Gekrächze den häuslichen Frieden. Eines Abends platzt der Katze der Kragen und sie macht kurzen Prozess: Sie meuchelt den schwatzhaften Papagei, frisst ihn mit Haut und Federn.

Kaum hat die Katze des Rabbiners den vorlauten und krächzenden Hauspapagei genüsslich verspeist und dadurch eine menschliche Stimme erlangt, fängt sie an zu flunkern: „Er ist weg!“, gibt sie vor, als der Verdacht auf sie fällt und Joann Sfars Fabel ihren weiteren und sehr temporeichen Lauf nimmt.

Foto: Avant Verlag
Ein Auszug aus der Graphic Novel

Von nun an will der Rabbiner die meuchelnde und lügende Katze nicht mehr mit seiner geliebten Tochter alleine lassen aus Sorge, sie könnte einen schlechten Einfluss auf sie haben und ihr Flausen in den Kopf setzen. Stattdessen soll aus dem Kater ein guter Jude werden: „Er will, dass ich die Torah, den Talmud, die Mischnah und die Gemara studiere. Er will mich auf den rechten Weg zurückführen“, beklagt sich die Katze, „er sagt mir, dass ich ein guter Jude sein muss und dass ein guter Jude nicht lügt. Ich antworte ihm, dass ich ein Kater bin.“

Um auch weiterhin in der Nähe seiner geliebten Herrin Zlabya sein zu dürfen, gibt sich der grauhaarige Kater dem Rabbi gegenüber einsichtig und lernwillig, allerdings mit ganz eigenen Vorstellungen: Statt wie im Judentum üblich mit Torah und Talmud zu beginnen, will er zunächst die Kabbalah und somit die jüdische Mystik studieren.

Es soll für den Rabbiner aber noch schlimmer kommen, denn zwischen ihm und seinem gewieften Vierbeiner beginnen nun folgenschwere Diskussionen um Fragen wie, ob eine Katze, die in einer jüdischen Familie lebt, per se jüdisch sei. „Der Rabbiner sagt, dass ich sicher jüdisch bin, da meine Herren Juden sind. Ich wende ein, dass ich nicht beschnitten bin und auch keine Bar Mitzvah hatte.“ Dieser hebräische Ausdruck für „Sohn des Gebots“ bezeichnet die religiöse Mündigkeit.

Der Rabbiner erklärt seiner Katze, die ein Kater ist, dass man die Bar Mitzvah mit der Vollendung des 13. Lebensjahrs begeht und hofft, die Diskussion damit beenden zu können. Doch er irrt, denn mit dieser simplen Antwort gibt sich die Katze, deren Namen wir nie erfahren, nicht zufrieden. Stattdessen argumentiert sie, dass bei den Katzen jedes Lebensjahr in menschlichen Jahren siebenfach zählt, „es ist so, dass ich sieben mal sieben Jahre alt bin, dass ist offensichtlich mehr als 13“, und bringt den Rabbiner in Verlegenheit.

Foto: Avant Verlag
Das erste Kapitel befasst sich mit der jüdischen Feier der Religionsmündigkeit

Was tun mit dieser diskussionsfreudigen Katze, die – zur Erinnerung – an sich ein Kater ist? In seiner Not – ob eine Katze, die reden kann, die Bar-Mizwa begehen dürfe – konsultiert der Rabbiner in dieser kniffligen theologischen Angelegenheit wiederum seinen Rabbiner. Dieser hatte ihn einst auf seine eigene Bar Mitzwa vorbereitet.

Mit dem Streitgespräch zwischen der Katze und dem Rabbiner des Rabbiners spitzt sich die Fabel in diesem Band auf ihren Höhepunkt zu, denn der Rabbiner des Rabbiners erklärt, eine Bar-Mizwa sei laut Religionsgesetz nicht für Katzen vorgesehen. Genervt schlägt er gar vor, die sprechende Katze mit ihren verrückten Ideen kurzerhand zu ersäufen, um dem Disput ein für alle Mal ein Ende zu setzen.

Um ihre eigene Haut zu retten, verwickelt die Katze den Rabbiner des Rabbiners geschickt in eine weitere theologische Diskussion: „Ich frage ihn, wo der Unterschied zwischen einem Menschen und einer Katze sei.“ Der Rabbiner antwortet ihr, „dass G´tt die Menschen nach seinem Bilde erschaffen habe“, woraufhin die aufgeweckte Katze ihn bittet, ihr ein Bild von G´tt zu zeigen.

„Er sagt, dass G´tt das Wort sei“, zitiert Sfar seine tierische Protagonistin. Die Katze gibt sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden und erwidert dem jüdischen Schriftgelehrten, sie sei G´tt, der die Gestalt einer Katze angenommen hat, um ihn, zu prüfen und ganz und gar nicht mit seinem Verhalten einverstanden sei. Sie beklagt sich beim Rabbiner, er sei ihr gegenüber genauso dogmatisch wie es gewisse Christen gegenüber den Juden sind.

Der Rabbiner des Rabbiners versinkt vor Scham und geht vor ihr, der Katze, die wie gesagt an sich ein Kater ist, auf die Knie und bittet die Katze um Verzeihung. Die Katze genießt ihren Triumpf über den jüdischen Schriftgelehrten, leckt ihre Pfote, bevor sie sich dem Rabbiner wieder zuwendet und ihm erklärt, dass es ein Witz war, sie nur eine Katze sei und er sich nun wieder erheben könne.

Amüsanter und tiefgründiger Diskurs

Der französische Zeichner Joann Sfar begann 2001 seine Comic-Reihe Die Katze des Rabbiners, Originaltitel: Le Chat du Rabbin. Zehn Jahre später entstand ein gleichnamiger animierter Spielfilm.

Mit dem ersten Band Die Bar Mizwa hat der sprachgewandte und geistreiche Comicautor einen amüsanten und dennoch tiefgründigen Exkurs mit vielen nachdenklich stimmenden Momenten in die jüdische Gelehrtentradition geschaffen. Gekonnt wechselt Sfar in seinen Illustrationen zwischen Zeichnungen und Malerei und prescht temporeich durch die Fabel.

Solange die Katze, die vermutlich ein Kater ist, die Fähigkeit hatm mit den Menschen zu sprechen, führt sie mit ihrem Besitzer, dem Rabbiner, und den Menschen geistreiche Streitgespräche, in denen sie immer wieder mit ihrem Scharfsinn und Schlagfertigkeit brilliert, ganz im Stil und der jüdischen Lehre und Tradition. So bekommen auch die Schüler des Rabbiners ihr Fett ab, für deren Lebenswandel sie sich ebenfalls interessiert und schonungslos moralisches Fehlverhalten thematisiert.

Im zweiten Band Malka, der Herr der Löwen verliert die Protagonistin zwar die Fähigkeit, zu sprechen, bleibt aber auch in den Folgebänden wie etwa Exodus, Das irdische Paradies und Jerusalem in Afrika eine scharfsinnige Beobachterin der Menschen und großartige Chronistin der Geschehnisse. Sie ist fraglos eine sehr jüdische Katze oder Kater, ob nun mit oder ohne Bar-Mizwa.  

Joann Sfar hat mit seiner Comic-Serie „Die Katze des Rabbiners“ eine moderne Fabel geschaffen, die anschauliche und amüsante Einblicke in die Gedankenwelt, Kultur sowie Geschichte des Judentums gewährt. 

Das Tier im Judentum

Das Judentum betont die Pflichten des Menschen allen Lebewesen gegenüber, wobei in der jüdischen Tradition eine klare Trennung zwischen Mensch und Tier existiert, allein der Mensch ist im Bild G´ttes geschaffen. Nach jüdischer Auffassung besitzen auch Tiere eine Seele und haben Rechte, betont werden Rücksichtnahme, Fürsorge und Mitgefühl dem Tier gegenüber.

Dies erklärt eine stark ausgeprägte Tierethik mit entsprechenden Vorschriften, Juden und Jüdinnen ist der Verzehr von Tierblut untersagt, denn im Blut wird die Seele vermutet. Du darfst keinem Lebewesen Schmerz und Leid zufügen. Dieses als Za‘ar ba‘alei chajim bekannte Gesetz ist Dreh-und Angelpunkt des jüdischen Tierschutzes.

Das Verbot der Jagd ist ein Beispiel dieser Haltung. In den Werken des jüdischen Philosophen und Arztes Maimonides (1135 bis 1204), auch RaMBaM genannt, kommt dieser ganzheitliche Ansatz und Respekt vor G´ttes Schöpfung stark zum Ausdruck.

Erlaubt sind der Genuss von Tieren als Nahrung, die Nutzung der Tiere für landwirtschaftliche Zwecke oder die Verwendung ihrer Erzeugnisse, wie etwa Wolle oder Leder, wobei enge Grenzen gezogen sind. Sie sollen eine willkürliche, maßlose oder ausbeutende Behandlung der Tiere verhindern.

Wahrung der Balance

Die Tötung eines Tieres durch einen Menschen ist nach jüdischer ethischer Vorstellung nur dann erlaubt, wenn ein sittlicher Zweck zugrunde liegt, die Wahrung der Balance. Nutzung, Gebrauch und Verbrauch von Tieren und ihren Ressourcen sind zwar erlaubt, aber an die Bedingung eines ethisch vertretbaren Zwecks geknüpft und durch weitere Pflichten eingeschränkt.

Ausdruck dieses Verständnisses sind etwa die Kaschrutgesetze, die jüdischen Speisevorschriften. Sie setzen sich aus einem umfangreichen Regelwerk zusammen und beschränken unter anderem die Tierarten, die als koscher oder rituell rein gelten. Zudem wird der Schlachtprozess, das Schächten, bis ins Detail beschrieben, Schmerz und Stress bei dem zu schlachtenden Tier sollen auf ein Minimum reduziert werden.

Die Tora verurteilt jede Form von Tierquälerei, was nicht nur für Juden und Jüdinnen gilt. Die sieben Noachidischen Gebote, nach Noah benannt, gelten für alle Menschen. Hier finden wir das Verbot, einen Teil eines noch lebenden Tieres zu verzehren.

Joann Sfar, „Die Katze des Rabbiners. Sammelband 1“, Übersetzung aus dem Französischen von David Permantier, Avant, 152 Seiten, 29,95 Euro, ISBN: 978-3-945034-01-9

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3 Antworten

  1. Etwas spoilernd der Bericht, aber macht Lust auf mehr.
    Das Buch dürfte laut Verlag keine 1452 Seiten, sondern 152.
    Die andere Zahl passt aber vermutlich eher zum Thema der theologischen Disputen

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  2. …ein Hund beißt dich, läuft dir nach, bellt dich an. Und die Juden ließen sich derart lange beißen, verfolgen und anbellen, dass sie letztendlich die Katzen den Hunden vorzogen…
    Schon dieser Vergleich hat mich angesprochen. Ansonsten habe ich herzlich lachen müssen über den Austausch zwischen der Katze und dem Rabbiner. Sehr amüsante Fabel. 😅👏

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