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Nachwuchs forscht im Ausland

Das iranische Bildungssystem steckt in einer schweren Krise. Ein Journalist analysiert die Gründe. Die klerikale Regierung des Landes kommt dabei nicht gut weg.
Von Israelnetz
Ärzte haben erstmals nach der Testphase die neue Technologie angewandt, die passgenaue Knochenimplantate ermöglicht (Symbolbild)

Im Iran steckt längst nicht nur die Bildung in einer Krise. Die Außenpolitik, die Innenpolitik, die Wirtschaft und die Umwelt – alles wankt miteinander. Nun hat der bekannte Journalist Abbas Abdi in der reformorientierten iranischen Zeitung „Etemad“ Gründe für die sich verschärfende Bildungsnotlage gesammelt. Das englischsprachige Nachrichtenportal „Iran International“, das Oppositionelle im Exil betreiben, hat weitere ergänzt.

Schlechte Verfassung

Die Bildungskrise im Iran ist kein Geheimnis. Der aktuelle Präsident Masud Peseschkian hat bereits damit Wahlkampf gemacht. In einer Rede im September gelobte er zuletzt, für Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. „Es ist inakzeptabel, dass alle, die zur Universität gehen dürfen, aus Familien kommen, deren Kinder Privatschulen besuchen können“, sagte er. Denn derzeit kann sich nur eine gute Bildung leisten, wer Geld oder Beziehungen hat.

Fast eine Million Schüler hätten im vergangenen Schuljahr die Schule abgebrochen, stellt Abdi fest. Da seien diejenigen noch nicht mitgezählt, die gar nicht erst eingeschrieben würden oder trotz Einschreibung nicht am Unterricht teilnähmen. Die Durchschnittsnoten in den Abschlussklassen entsprächen gerade so den Mindestanforderungen. Es herrscht ein Mangel an Schulen und ausgebildeten Lehrern. Die Klassenzimmer sind in der Regel überfüllt.

Ein wahrer Reformer

Abbas Abdi hat sich im Iran einen Namen gemacht. Der 68-Jährige studierte Polymertechnik am Teheraner Polytechnikum. Derzeit ist er Vorsitzender der Vereinigung iranischer Journalisten. Wegen seiner Kritik am politischen System verbrachte er mehrere Jahre im Gefängnis. Er unterstützte in der Neunzigern den Präsidenten Mohammad Chatami und wurde zu einer der einflussreichsten Personen im iranischen Reformlager.

Wie andere Reformer auch steht Abdi nicht in Gegnerschaft zum iranischen Regime und dessen Zielen an sich. 1979 war er als Student in der ersten Reihe derer, die die US-Botschaft in Teheran stürmten. Wissenschaft und Bildung liegen ihm unter anderem deswegen am Herzen, weil sie auch die Grundlage militärischer Überlegungen bilden. „Wir haben Feinde“, schreibt er in seinem Artikel. „Mehr als viele andere Länder. Wir müssen sie mit wissenschaftlicher Überlegenheit besiegen. Wissenschaftliche und technologische Überlegenheit kann manchmal verhindern, dass der Feind große Bevölkerungsgruppen wie Gaza und Beirut angreift.“

Armut

Armut ist einer der ersten Gründe für unterschiedlichen Zugang zu Bildung. In ländlichen Gegenden besuchen Zehntausende Kinder keine Schulen, weil es an Transportmöglichkeiten fehlt. Andere dürfen keine Schule besuchen, weil sie keine Geburtsurkunde oder andere Ausweisdokumente besitzen. Besonders Mädchen seien davon betroffen.

Die Regularien des Staates greifen zu spät. Dieser versucht, mittels Hochschulzulassungsquoten entgegenzusteuern. Diese Quoten kommen den Familienangehörigen von „Märtyrern“ und Veteranen des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988) sowie Regierungsangestellten zugute. Die größten Quoten werden jedoch Studierenden aus benachteiligten Gebieten zugeteilt. Laut Abdi werden rund 75 Prozent der Studenten an medizinischen Fakultäten nur aufgrund dieser Quoten zugelassen. Das verringere die Qualität der Hochschulbildung. „Auf dem illegalen Markt ist das Schreiben von Büchern, Artikeln, Dissertationen weit verbreitet“, bemerkt Abdi.

Wissenschaftsfeindliche Umgebung

Insgesamt kritisiert Abdi eine wissenschaftsfeindliche Umgebung im Iran, darunter die „Förderung von Aberglauben durch die offiziellen Medien“. Der erfahrene Journalist wendet sich nie ausdrücklich gegen die islamische Theokratie. Etwas umständlich erklärt er, dass „natürlich viele Menschen als Individuen unwissenschaftliche Überzeugungen“ hätten. Das sei „kein Problem“. Jedoch dürfe „nichts als die Wissenschaft als Grundlage für die Politik herangezogen werden. Die Definition von Wissenschaft kann nicht so weit gefasst sein, dass darin auch Unwissenheit und Aberglaube enthalten sind!“

„Iran International“ erklärt an dieser Stelle, dass das iranische Bildungsministerium in den vergangenen Jahren Tausende Lehrer durch Geistliche ersetzt habe. Außerdem setze sie das Heiratsalter immer weiter herunter. Mädchen dürfen mit 13 und Jungen mit 15 Jahren verheiratet werden, in Ausnahmefällen sogar noch jünger.

Wissenschaftler wandern aus

Abdi beobachtet zudem eine Abwanderung der wissenschaftlichen Elite. Für die Karriere im Iran spiele die politische Meinung eine zu große Rolle. Regimetreue sei „fast das erste Kriterium bei der Auswahl von Professoren und Fakultätsmitgliedern“.  „Wissenschaftliche Indikatoren und Leistungen“ seien hingegen bedeutungslos geworden.

Zudem sei das „Recht auf freien Zugang zu Informationen eine der wichtigsten Voraussetzungen für die wissenschaftliche Entwicklung“. Im Iran herrscht eine strenge Buch- und Internetzensur. Wissenschaftliche Institutionen müssen laut Abdi eine „relative Unabhängigkeit haben und dürfen nicht auf die Befehle von Machthabern hören“. Deshalb ziehe der Arbeitsmarkt im Iran keine Hochschulabsolventen an. Im Gegenteil: Iranische Studenten würden schon zu Beginn ihres Studiums über ihre Auswanderung nachdenken. (cs)

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4 Antworten

  1. Die radikalen Mullahs fahren den Iran an die Wand. Waffen kann man nicht essen und Hass führt nicht zu Bildung. Das Volk muss aufstehen… sonst wird das nichts mehr.

    12
    1. Die mutigen Männer und vor allem die tapferen Frauen der iranischen Opposition machen Hoffnung. Leider ist es dem Regime der Mollahs bisher gelungen, mit Hilfe der Mörderbande der Pasdaran jede Revolte niederzuschlagen. Hunderte junger Menschen wurden hingerichtet. Dagegen gibt es übrigens keine Massendemos in Europa oder USA.

      5
    1. Doch Albert, denn dem Mullah-Regime wird gerade die Kämpferschaft entzogen. Jetzt müssen sie selber ran und das wollten sie ja bislang vermeiden. Damit konnten sie seither ja behaupten, dass sie ganz friedlich sind und es gab ja genug Politiker, die drauf reinfielen.

      2

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