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Satire made in Israel

Berühmt wurde er durch seine „beste Ehefrau von allen“ und Satiren über den ganz normalen Wahnsinn im modernen Israel. Auch in Deutschland hatte er eine große Fan-Gemeinde. Am Freitag wäre der Autor Ephraim Kishon 100 Jahre alt geworden.
Von Jörn Schumacher

Wenn er mit seinem Freund Jossele „jüdisches Poker“ spielte, dann geschah das ohne Karten: Der Erste erdachte sich eine Ziffer und sagte sie laut, dann gab der andere seine gedachte Zahl bekannt, und wenn diese höher war als die des anderen, hatte der Zweite gewonnen. Wenig überraschend, dass der israelische Satiriker Ephraim Kishon dieses Spiel gegen Jossele immer gewann.

Unvergessen auch die Geschichte vom „Blaumilchkanal“, die Kishon 1969 selbst verfilmte: Darin bohrt ein aus der Irrenanstalt ausgebrochener Mann mit einem Presslufthammer mitten in Tel Aviv ohne Grund ein Loch in die Straße; doch niemand stoppt ihn, vielmehr bekommt er sogar noch Unterstützung nicht nur von der Polizei, sondern von allen Behörden der Stadt.

Ephraim Kishon war einer der bekanntesten israelischen Autoren in Deutschland und einer der erfolgreichsten Satiriker des 20. Jahrhunderts. Seine Kurzgeschichten, Theaterstücke und Drehbücher waren meistens bissig gegenüber Behörden und dem Establishment, hatten aber auch einen liebevollen Blick auf die Verschrobenheiten der Bewohner des modernen Israels. Kishons über 50 Bücher wurden in 37 Sprachen übersetzt, die Weltauflage umfasst 43 Millionen Exemplare. Er bekam viele Preise, darunter 2002 den Israel-Preis für sein Lebenswerk und 2001 den deutschen Münchhausen-Preis für Satire.

Flucht vor Konzentrationslager

Kishon wurde am 23. August 1924 als Ferenc Hoffmann in der ungarischen Hauptstadt Budapest in eine säkulare jüdische Familie geboren. Sein Vater war Bankdirektor, seine Mutter dessen Sekretärin. Die Familie war nicht religiös.

Mit 17 Jahren gewann er den Landespreis für die beste Kurzgeschichte. Nach dem Abitur 1941 konnte er wegen der Judengesetze nicht studieren und begann eine Lehre zum Goldschmied. Drei Jahre später wurde er deportiert und in verschiedenen Arbeitslagern interniert.

Auf dem Transport in ein Konzentrationslager in Polen gelang ihm die Flucht. Er nahm die Identität eines nicht-jüdischen slowakischen Arbeiters und den Namen Stanko Andras an. Ein Großteil seiner Familie kam in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ums Leben. Nur seine Eltern und die Schwester Agnes überlebten die Judenverfolgung. In seiner Autobiografie „Nichts zu lachen. Die Erinnerungen“, 1993 auf Deutsch erschienen, erzählt Kishon seinen schier unglaublichen Lebensweg nach.

In Budapest studierte Kishon Kunstgeschichte und Bildhauerei. Er änderte seinen Nachnamen in Kishont um. Ohne sein Wissen schickte eine Tante von ihm 1948 Kishons Satire über Glatzköpfe an den landesweiten Romanwettbewerb der führenden ungarischen Literaturzeitung. Er gewann den ersten Preis und wurde Mitglied der Redaktion des satirischen Blattes „Ludas Matyi“.

Ungarn wegen der Kommunisten verlassen

Kishon und seine erste Frau Eva beschlossen wegen der Kommunisten, Ungarn zu verlassen. 1949 kamen sie mit einem Flüchtlingsschiff nach Israel. Von einem Einwanderungsbeamten erhielt er den Namen Ephraim Kishon. Sein erstes Buch, eine Sammlung von humorvollen Erzählungen, erschien unter dem Titel „Der Neueinwanderer, der uns auf die Nerven geht“. Ab 1952 schrieb er unter dem Pseudonym „Chad Gadja“ (Lämmchen) täglich eine Kolumne für die größte israelische Tageszeitung „Ma´ariv“ – mehr als 30 Jahre lang.

Seine internationale Karriere begann 1959: Die „New York Times“ wählte seine Satirensammlung „Drehen Sie sich um, Frau Lot“ zum Buch des Monats. Zudem gründete er das Theater „Die Grüne Zwiebel“ in Tel Aviv.

Im selben Jahr heiratete der mittlerweile geschiedene Kishon die Pianistin Sara Lipovitz – in seinen Büchern „die beste Ehefrau von allen“. In den folgenden Jahrzehnten schrieb er Theaterstücke, Hörspiele und Satiren. Zudem arbeitete er als Regisseur.

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Vor allem in Deutschland hatte Kishon ein großes Publikum – allein 32 Millionen seiner Bücher sind bisher in deutscher Sprache erschienen. In Israel stieß er 1968 mit seinem Buch über den Sechs-Tage-Krieg – „Pardon, wir haben gewonnen“ – auf große Kritik. Einige Medien sahen darin nationalistische Tendenzen. Doch 2002 erhielt er aus den Händen von Bildungsministerin Limor Livnat den Israel-Preis für sein kulturelles Lebenswerk.

Im Frühjahr 2002 starb Sara Kishon an Krebs. Ein Jahr später heiratete Ephraim Kishon die 32 Jahre jüngere Schriftstellerin Lisa Witasek aus Wien. Zuletzt lebte Kishon abwechselnd in Tel Aviv und in dem Haus, das er 1981 in Appenzell gekauft hatte. Dort starb er am 29. Januar 2005. Kishon hinterließ drei Kinder: der älteste Sohn Rafi ist Tierarzt; Sohn Amir lebt in New York, die Tochter Renana in Tel Aviv. Kishons Sohn Rafi hält das Gedächtnis an seinen Vater wach, unter anderem mit Lesungen aus den Büchern in deutscher Sprache.

Israelischer Autor vor allem bei Deutschen beliebt

Seit seinem Tod 2005 ist das Arbeitszimmer von Ephraim Kishon in Tel Aviv unberührt. Die deutsche Literaturwissenschaftlerin Birgit Körner durfte es durchstöbern und hat vor kurzem ein Buch über Kishon geschrieben. Der Titel lautet: „Israelische Satiren für ein westdeutsches Publikum. Ephraim Kishon, Friedrich Torberg und die Konstruktionen ‚jüdischen Humors‘ nach der Schoah.“

Sie erinnert beispielsweise daran, dass Kishon in seinen Kurzgeschichten nie die dunkle Geschichte ansprach, die Deutschland und das Judentum miteinander verbanden. Doch habe er durchaus auch politisch sein können. In der Geschichte „Wie Israel sich die Sympathien der Welt verscherzte“ von 1963 schrieb er, wie die arabischen Staaten Israel zerstören; die internationale Gemeinschaft kann es nicht verhindern, dass der jüdische Staat acht Jahre nach seiner Gründung und zehn Jahre nach der Schoa ausgelöscht wird.

Vor kurzem ist zudem die Biografie „Ephraim Kishon. Ein Leben für den Humor“ von Silja Behre erschienen. Sie geht darin unter anderem der Frage nach, warum ausgerechnet die Deutschen diesen israelischen Autor so liebten. Für ihn selbst sei die Begeisterung der Deutschen für seine Satiren eine Genugtuung gewesen – und eine Ironie der Geschichte, schreibt sie.

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11 Responses

  1. Na,dieser Bericht dürfte ja jemanden hier im Forum ganz besonders gefallen!😃 Mich auch. Ich kenne Kishon durch die Bücher meines Papas. Besonders eines ist mir im Gedächtnis geblieben: Kishon für Kenner. Das wollte ich mit 10 Jahren unbedingt lesen. Hab ich auch,nur als 10jährige hat man noch nicht so den Durchblick! Mein Papa versuchte mir das dann mühselig zu erklären!🥴😵 Mit 15 Jahren hat es dann besser geklappt und ich konnte auch schmunzeln. Schön,mal wieder dran erinnert zu werden.

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  2. Mir geht ein Spruch von Kishon durch den Kopf: in Israel haben wir häufig Wahlen, aber selten eine Wahl.
    Manche seiner politischen Geschichten sind von geradezu bedrückender Aktualität.

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  3. Danke für den Bericht. Er erweitert mein Horizont, und wie wichtig war es, dass ihm die Flucht vor dem Konzentrationslager gelang !
    Ephraim Kishon hat viele Menschen begeistert mit seinem Humor, eine Deutschlehrerin von mir erzählte einst
    Geschichten aus seinem großen Buch, im Deutsch-Unterricht.
    Auch ich habe Bücher von Ephraim Kishon gelesen.
    „Wieviel Trinkgeld gibt man“ ist eines seiner vielen kleineren Lebenshinweise.
    Der Blaumilchkanal wurde auch im Deutschen Fernsehen übertragen.

    Ephraim Kishon erinnert mich an eine bessere Zeit, in der man auch viel lachen konnte.
    Und ich hoffe, wir können mit Israel auch wieder mehr lachen, denn momentan ist weltweit die Zeit des Weinens für alle, die in der Wahrheit leben. Möge eine Zeit des Lachens wiederkehren in dieser Welt !

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  4. Aber das durch den Kakao ziehen des alltäglichen Lebens war besonders schmunzelnd dargestellt. Es hieß damals auch, wenns Israel nicht gäbe, müsste es für ihn extra erfunden werden. Wir lasen viele seiner Bücher. Einfach dieser jüdische Witz, über sich selbst lachen, die beste Ehefrau von allen , oder der Chamsin. Spitze.

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  5. Und warum nur müssen wir bei diesem Artikel alle an die Toskana, Alberto und seine Ehefrau, die beste von allen, denken?

    Kishon ist mit nichts anderem vergleichbar. Humor, der uns manchmal verloren gegangen scheint. Was würde er wohl über die momentane Situation in Israel schreiben?

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    1. @Ella,ja komisch ne? 😄 Musste auch gleich an unsere beiden Freunde denken. War mein erster Gedanke! Aber ich muss direkt mal in den Buchladen bei mir und ein Buch von Kishon kaufen. Er war irgendwie raus aus dem Hirn. So lebt etwas wieder auf. Dank Israelnetz.😄 Und was er zur heutigen Lage sagen würde? Schwierige Situation.

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    2. Unser geliebter Kishon hat den Terror der Hamas in Israel erlebt und zu den Selbstmordanschlägen Stellung bezogen. Er war nicht nur lustig, er war sehr traurig.

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  6. Mein Lieblingsbuch von ihm ist – „Pardon, wir haben gewonnen“. Zusammen mit den Karikaturen von Dosh – hat es an Aktualität gegenüber heute nichts eingebüßt.

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  7. Ja bei der Sendung mit Joachim Fuchsberger Heut Abend (schreibt man Abend klein oder groß ??)

    Dann mit der Deutschen Sprache Die Kuh die Kühe Der Schuh die Schühe ????

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